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BIBLIOTHEK MEDICINISCHER KLASSIKER.
Herausgegeben von Medicinalrath Dr. J. Ch. Huber.
BAND I.
Soranus von Ephesus.
DIE
GYNÄKOLOGIE
(ticqI ywaixeLiov)
DES
SORANUS VON EPHESUS
GEBURTSHILFE,
FRAUEN- und KINDER-KRANKHEITEN,
DIÄTETIK der NEUGEBORENEN.
ÜBERSETZT
Dr. phil. H. LUNEBURG.
COMMENTIRT UND MIT BEILAGEN VERSEHEN
VON
DR. J. CH. HUBER,
MEDICINALRATH.
1894.
MÜNCHEN.
J. F. LEHMANN’s VERLAG.
VERTRETUNG FÜR DIE SCHWEIZ : E. SPEIDEL IN ZÜRICH.
Weltcoras Library
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Druck der kgl. Universitäts-Druckoret von H. Stürtz, Würzburg.
Vorwort.
Nicht das prächtige Korinth , nicht das parteidurchwühlte
Athen, nicht das pindarische Theben waren im Stande, der Ent-
wicklung der Heilkunde einen geeigneten Boden zu bereiten.
An den friedlich belebten Ufern der kleinasiatischen Halbinsel,
wo die jonische Intelligenz mit den Schätzen des Orients vereint,
zu herrlicher Kultur emporblühte, da nur gedieh die heilige
Kunst des Asclepios. Da standen ;die Tempel des Gottes auf
Knidos und Kos, letzteres dier Mutter des Hippokrates und
Praxagoras. Hier stand Pergamus, das uns den grossen Galen
schenkte, hier erblühte der Ivappadocier Aretaeus, hier der
originelle Asclepiades von Prusa, hier der unsterbliche Cilicier
Dioscorides, hier die verdienstvollen Sammler Oribasius von Sardes
und Aetius von Amida, hier Alexander von Tralles, hier in dem
reichen Ephesus der bedeutende Rufus und der Gynäkolog
Soranus.
Das Wenige, was wir über die Lebensumstände des grossen
Arztes erfahren, müssen wir aus dem Byzantiner Suidas ent-
nehmen: „Soranos, der Sohn des Menander und der Phoebe, aus
Ephesus, hielt sich als Arzt (Studirender !) zu Alexandria auf,
praktizirte in Rom unter den Kaisern Trajan und Hadrian, war
der Verfasser vieler vorzüglicher Schriften.
Ein jüngerer ephesischer Arzt Soranus schrieb vier Bücher
über weibliche Krankheiten; zehn Bücher über die Sekten und
Biographien der Aerzte, auch über die medizinische Litteratur
und allerlei Anderes.“ Soweit Suidas.
Offenbar sind diese beiden Sorane identisch.
Wie überall werden wir uns das Bild des bedeutenden Arztes
am sichersten aus dem Inhalte seiner Schriften rekonstruiren.
IV
Die ärztliche Schule des Soranus war die der Methodiker was
aus seinen Büchern an zahllosen Stellen deutlich erhellen würde
wenn wir auch nicht das Zeugniss des Pergameners (ed. Kühn
XIV, 484) besitzen würden. Aus dieser wichtigen Stelle ersehen
wir aber auch, dass Soran zu seiner Schule eine sehr unab-
hängige Stellung einnahm, was von seiner zur Kritik geneigten
ichtung zu erwarten war. Neben Olympiacus von Milet,
Menemachus von Aphrodisias wird hier Soranus als Dissenter
bezüglich einiger Punkte aufgeführt.
Die philosophische Richtung des Ephesiers entsprach den
Lehren Epicur’s, die uns der Römer Lucretius Carus in seinem
berühmten Lehrgedichte popularisirt hat. Sein durchdringender
Verstand setzte sich zu jedem Supranaturalismus und Mysticismus
in scharfen Gegensatz und suchte Befriedigung in dem Atomismus
des samischen Materialisten.
Wir werden sehen, dass er sogar von den Elebammen ver-
langte, dass sie ddeioidai/iiovec; seien und dass sie ihren Pflichten
zuliebe selbst auf gottesdienstliche Handlungen zu resigniren
haben.
Jener für Soranus so charakteristische Widerwille gegen alles
Geheimniss volle zeigt sich auch in dem Kapitel über das Alp-
drücken (Cael. Aurelian., Chron. Lib. I. cap. 3): „Nam quod neque
Deus, neque semideus, neque cupido sit, libris causarum plenissime
Soranus explicavit.“
Dass er seine Praxis zu Rom ausübte, dürfte feststehen,
(Theil I, § 1 1 3), da er eine gewisse Kenntniss römischer Verhält-
nisse zeigt. Dass seine Klientel den begüterten Klassen ange-
hörte, kann man aus manchen seiner Rathschläge erschliessen,
z. B. wenn er empfiehlt, für alle Fälle zwei Ammen in Bereit-
schaft zu halten. — Dass er Grundbesitzer war, das zu vermuthen
könnten die sehr oft wiederholten Gleichnisse berechtigen , in
denen er den Landbau zum Gegenstände wählt.
Der Charakter seiner Schriftstellerei ist der Kriticismus, bei
grosser Belesenheit in der medizinischen Litteratur ist er frei von
jeder Nachbeterei und gestattet sich den gefeiertsten Namen des
Alterthums den Handschuh hin zu werfen.
Es ist bekannt, dass das Werk des Caelius Aurelian us
aus Sicca: De morbis acutis et chronicis Libri VIII nach einem
V
Buche des Ej^esiers bearbeitet wurde. Zur näheren Kenntniss
Soran’s ist ein Studium des C. Aurelianus sehr noth wendig. Leider
fehlt eine kritische, zeitgemässe Edition.
Ein Verzeichniss der WLrke des Soranus findet sich in der
Ausgabe von Ermerins p. XX. Das obgenannte von Cael. Aure-
lianus redigirte Buch neql o^kov xai xqovlmv naOtov dürfte eines
seiner bedeutendsten Werke sein. Ausserdem hat er auch die
Chirurgie behandelt und ein aus vier Büchern bestehendes Werk
tisq'l cpaQf.iay.dag publizirt.
Aus gaben:
Sorani Ephesii de Arte obstetricia morbisque mulierum quae
supersunt. Ex apographo Friderici Reinholdi Dietz, nuper fato
perfuncti primum edita. Regimontis Prussorum 1838. 8. VI. und
300 p. (Mit Varianten.) Mit Benützung des Codex Parisiensis
2153 und des Codex Romanus Barberinus 35g, mendosus.
Sorani Ephesii Liber de muliebribus affectionibus. Recensuit
et latine interpretatus est Franciscus Zacharias Ermerins. Irajecti
ad Rhenum 1859. 8- CXVII. u. 305 p. (Mit sehr guter kritischer
und historischer Einleitung.)
Sorani Gynaeciorum vetus translatio latina nunc primum edita
cum additis graeci textus reliquiis a Dietzio repertis atque ad
ipsum Codicum Parisiensem nunc recognitis a Valentino Rose
(c. 2, Tab. lith.) Lipsiae, in aedibus Teubneri 1882. XX. u. 423 p.
Enthält vorn auch die Gynaecia Muscionis, die alte lateinische
Bearbeitung des Soranus. Leider ist diese Teubner’sche Edition
nicht arm an Druckfehlern.
Memmingen, 16. Juni 1894.
Dr. J. Chr. Huber,
Litteratur.
Galenus, ed. Kühn X. 53. XII. 414. 493_9S. 9g7. XIIr. ^ XIy> ^
I ertullianus, de anima, cap. VI.
Oribasius III. 369-82 ed. Bussemaker et Daremberg. (Abdruck des Kapitels
itepi pijrpa?.) 1
A e t i u s v. Amida, Tetrabibiion. Bei vielen Kapiteln, welche dieAufschrift ex „Sorano“
Itagen, ist dem Aetius nicht ganz zu trauen. Hierüber Näheres in der Edition
von Ermerins,
Paulus Aegi net a IV. 59 (aepi Spaxovrt'oiv). VI. 99. de Humero fracto etc.
Suidas, Lexicon; etwa 976 post Chr. verfasst.
Haeser, de Sorano Epliesio ejusque mrspl pvaixsttuv na&djv libro nuper reperto
programma. Jenae 1840. 4.
Geschichte d. Medizin I. 304—31^ (3. Aull.) 1875.
Pinoff, Isidor, Diss. Artis obstetriciae Sorani Ephesii doctrina etc. Vralisl.
1841. 8. und in Janus I. 705. II. 16 etc.
L. Choulant, Handbuch d. Bücherkunde f. die ältere Medizin. Leipzig 1841.
2. Aufl. p. 92 — 94.
Inhalt.
Erstes Buch. Seite
Einleitung 1
Eintheilung des Stoffes 1
Kap. I. Welche Frau eignet sich zur Hebamme? 2
„ II. Die tüchtigste Hebamme - 3
III. Die physische Beschaffenheit der Gebärmutter und der weib-
lichen Scham 4
„ IV. Die Menstruation 10
„ V. Die Zeichen der eintretenden Menstruation 13
„ VI. Der Nutzen der monatlichen Reinigung 15
„ VII. Ist dauernde Jungfrauschaft der Gesundheit zuträglich? ... 18
„ VIII. Wie lange muss das Weib die Jungfrauschaft bewahren? . . 20
„ IX. Die Zeichen der mulhmasslichen Fruchtbarkeit 21
„ X. Ueber die zur Conception passendste Zeit der Begattung . . 23
„ XI. Ist die Conception der Gesundheit zuträglich? 27
„ XII. Die Zeichen der Conception 28
„ XIII. Die Merkmale, aus denen die alten Aerzte das muthmassliche
Geschlecht der Frucht bestimmten 30
„ XIV. Die Pflege der Frauen, welche concipirt haben 31
„ XV. Gelüste der Schwangeren (y.iarsa) 33
„ XVI. Die Pflege der Schwangeren in der Zeit seit der Kissa bis
zum Geburtsakt 37
„ XVII. Ueber die Entwickelung des Eies in der Gebärmutter ... 40
* XVIII. Die Zeichen eines bevorstehenden Absterbens der Frucht . . 42
„ XIX. Ueber den Gebrauch der Abortiva und der Mittel, welche die
Conception verhindern 43
„ XX. Die Vorzeichen einer normalen Geburt 47
» XXI. Die Vorbereitungen für die Geburt 47
n XXII. Die zurückgehaltene Nachgeburt 51
„ XXIIT. Die Pflege der Wöchnerinnen e?
. XXIV. — - - 54
r XXV. Das Anschwellen der Brüste 54
Die Pflege des Kindes 56
» XXVI. Die Kennzeichen eines zur Aufziehung geeigneten Kindes . . 56
„ XXVII. Das Durchtrennen der Nabelschnur 57
VIII
Seite
Kap. XXVIII. Die Reinigung des Kindes 58
„ XXIX. Das Wickeln des Kindes 59
„ XXX. Die Lagerung des neugeborenen Kindes Ci
„ XXXI. Die Nahrung des Säuglings 62
„ XXXII. Die Auswahl der Amme 64
„ XXXIII. Die Prüfung der Milch 67
„ XXXIV. Die Lebensweise und Diät der Amme 69
„ XXXV. Die Massregeln, welche zu ergreifen sind, wenn die Milch ganz
ausgeht oder verdorben wird, zu dick oder zu dünn ist . 73
A XXXVI. Das Baden und Frottiren der Kinder 74
„ XXXVII. Wie und wann dem Kinde die Brust zu geben ist ... . 78
„ XXXVIII. Das Abfallen des Nabels 81
„ XXXIX. Wann und wie ist das Kind aus den Windeln zu nehmen . 82
A XL. Wie muss man die Kinder im Sitzen und Gehen üben? . . 83
fl XLI. Zeit und Methode der Entwöhnung des Kindes 84
„ XL1I. Das Zahnen 86
„ XLIII. Die Entzündung der Mandeln 87
„ XLIV. Die Aphthen 87
fl XLV. Ausschlag und Jucken 88
„ XLVI. Vom Katarrh und Husten 9°
A XLVII. Die Siriasis 9°
„ XLVIII. Der Bauchfluss 91
Zweites Buch.
Einleitung 95
Giebt es Krankheiten, welche den Frauen e i g e n t h ü m 1 ich sind? 95
Kap. I. Amenorrhoe und Dysmenorrhoe 98
„ II. Entzündung des Uterus I07
„ III. Die Satyriasis 111
„ IV. Hysterischer Stickkrampf 111
B V. Die Anspannung des Uterus rl6
B VI. Anfüllung des Uterus mit Luft JI6
„ VII. Oedem des Uterus 118
B VIII. Scirrhus und Scleroma uteri 1
IX. Die Mola II()
fl X. Ilaemorrhagia uteri 121
„ XI. Der Ausfluss aus den weiblichen Gesclilechtstheilen .... 124
XII. Die Gonorrhoe I2'
„ XIII. Atonie des Uterus 128
A XIV. Paralyse des Uterus I29
XV. Ueber Lateralflexion, Version und Elevation des Uterus . . 130
A XVI. Impotenz und Sterilität I$1
XVII. Von der schweren Geburt I3I
, XVIII. (Fortsetzung)
IX
Seite
Kap. XIX. (Fortsetzung) r4x
XX. Die zurückgehaltene Nachgeburt *45
XXI. Abscesse an den Genitalien r46
XXII. Geschwüre im Uterus *46
XXIII. Carcinome der Gebärmutter J46
XXIV. Fistelgeschwüre der Gebärmutter 146
XXV. Abnorme Grösse der Clitoris ... 146
XXVI. Cercosis (schwanförmiger Auswuchs an den Genitalien) . . 147
„ XXVII. Warzen an den Genitalien 147
„ XXVIII. Risse r4 7
„ XXIX. Condylome (Feigwarzeu) 147
„ XXX. Hämorrhoiden im Uterus 147
„ XXXI. Vorfall der Gebärmutter .... 148
„ XXXII. Phimose der Gebärmutter 153
„ XXXIII. Atresie des Uterus 153
Honiggeschwülste , Breigeschwülste und Speckgeschwülste an
den äusseren Genitalien 153
„ XXXIV. Die Anwendung des Mutterspiegels 153
Die Materia medica et diaetetica des Soranus 154
I. Pflanzen und ihre Produkte [54
II. Thierreich .... 166
III. Fossilien etc 1 7 1
Erstes Buch.
Einleitung.
Eintheilung des Stoffes.1)
§ i. Da zur leichteren Bearbeitung- des Themas die Glie-
derung des Stoffes wesentlich beiträgt, ist es von Nutzen, zu-
nächst den letzteren in seine Theile und Abschnitte zu zerlegen
und diese schriftlich zu fixiren. Manche theilen ihn nun zwei-
fach und zwar unterscheiden sie einen praktischen und einen theo-
retischen Theil; den praktischen zerlegen sie wieder in Hygiene
und Therapie. Andere behandeln im ersten Theile die normalen,
im zweiten Theile die widernatürlichen Vorgänge; noch andere
nehmen einen physiologischen, einen pathologischen und einen
therapeutischen Theil an. Wir selbst sondern den Stoff in zwei
Abschnitte, von welchen der erste über die Hebamme das Nötige
sagt, der zweite die in den Bereich ihrer Thätigkeit kommenden
Fälle bespricht.
§ 2. Weiter untersuchen wir im ersten Abschnitte zunächst,
wie man beschaffen sein muss, um Hebamme zu werden, und
dann, welches die tüchtigste Hebamme ist; im zweiten Abschnitt
besprechen wir die natürlichen und widernatürlichen Erschein-
ungen. Wir unterscheiden ferner bei den natürlichen einen physio-
logischen Theil, welcher über den Samen und die Zeugung handeln
wird, und einen hygienischen und geburtshülflichen Theil, in
1) Zum Verständnis dieses Abschnitts und zugleich zahlreicher anderer Stellen
des Autors muss man sich erinnern, dass derselbe zu der Schule der Methodiker
gehörte, welche in Themison ihr Haupt erblickte. Basirt auf der alten Atomenlehre
des Demokritos wurden die paihischen Züstände von dieser medizinischen Theorie
auf zwei Kategorien („Kommunitäten“) zurückgeführt, das „Laxum“ und das
„Strictum“, Erschlaffung und Zusammenziehung, womit auch dem therapeutischen
Eingriff der Weg vorgezeichnet war.
Die wegwerfende Aeusserung über den Werth der Anatomie (»uctixo'v) etc.
beruht ebenfalls auf den Grundsätzen der Schule, welche jene Verachtung mit ähn-
lichen doctrinären Richtungen stets getheilt hat.
Ausführliches über die Methodiker bei Häser, Lehrbuch I. 268 und Darembero-
Histoire des Sciences med. I. 178 — 190.
So ran us: (Jcbcr die Krankheilen des weiblichen Geschlechtes. r
2
welchem wir über die Pflege der schwangeren und gebärenden
Frau unterrichten und zugleich die Ernährung und Erziehung des
Kindes mit berücksichtigen; bei den widernatürlichen besprechen
wir aber zunächst die Leiden, welche diätetisch behandelt werden,
wohin das Ausbleiben der Periode, die Dysmenorrhoe, die Mutter-
beschwerden und ähnliche Krankheiten gehören, sodann die Leiden,
welche chirurgisch und nicht mit Medikamenten zu behandeln sind
wie die schwere Geburt, der Gebärmuttervorfall und dergleichen.
Die Abhandlung des Physiologischen aber haben wir, da es für
unsere Aufgabe unwesentlich und nur wissenschaftlich interessant
ist, davon losgelöst und im Vorliegenden nur das Notwendige ge-
geben. Vor Allen werden wir uns zunächst über die Hebamme
unterrichten und dann den hygienischen und pathologischen Theil
bhandeln; denn dieser Theil ist stoffreicher und wegen der Mannig-
faltigkeit schwieriger zu behandeln als die übrigen, weswegen er
ans Ende des Werkes gehört.
Kapitel I.
Welche Frau eignet sich zur Hebamme?1)
§ 3. Diese Erörterung ist nothwendig, damit wir nicht unge-
eignete Personen unterrichten und uns umsonst bemühen. Er-
forderlich ist Kenntniss des Lesens und Schreibens, scharfer Ver-
stand, gutes Gedächtniss, Fleiss, Ehrbarkeit, normale Sinnesorgane,
gesunde und kräftige Gliedmassen ; manche verlangen auch, dass
die Hebamme lange und schmale Finger habe und die Nägel
kurz gerundet trage. Die Kenntniss der Schrift verschafft ihr die
Möglichkeit, auch theoretisch ihre Kunst zu studiren, scharfer
Verstand erleichtert es ihr, was sie hört und sieht zu verstehen,
das gute Gedächtniss, die erlernten Kenntnisse zu behalten; denn
das Wissen gründet sich auf Merken und Auffassung. Liebe zur
Arbeit verleiht ihr Ausdauer; denn mannhaften Ausharrens im
Leiden bedarf, wer eine solche Wissenschaft erlernen will. Ehr-
bar muss sie sein, weil ihr bisweilen Hauswesen und Privatge-
heimnisse anvertraut werden, und weil verdorbene Charaktere die
Einbildung, medizinische Kenntnisse zu besitzen, oft zu Intriguen
verleitet; ferner im Besitze gesunder Sinnesorgane, weil sie bald
mit den Augen, bald mit dem Gehör untersuchen, bald mit dem
1) Die Aufzählung der zum Hebammenberuf nöthigen Qualitäten erinnert an die
Schilderung, welche Celsus im VH. Buche von dem Ideale des Chirurgen gibt.
(,,Esse autem debet chirurgus adolescens etc. manu strenua“ etc.) Da Celsus etwa
80 Jahre vor Soranus geschrieben hat, so konnte Letzterer kaum ohne Kenntniss
des gelesensten römischen Mediziners gewesen sein.
3
Tastsinn erfassen muss; mit geraden Gliedern begabt, damit sie
unbehindert ihren Geschäften nachgehen kann , von kräftiger
Konstitution, denn weil sie auf mühsame Wanderungen ange-
wiesen ist, unterzieht sie sich gewissermassen doppelter An-
strengung. Auch ist es gut, wenn sie lange und schmale Finger
hat und kurze Nägel trägt, damit sie beim Berühren entzündeter
Stellen im Innern keine Schmerzen verursacht. Dieses erreicht
sie jedoch auch von selbst durch fleissige Arbeit und Uebung.
Kapitel II.
Die tüchtigste Hebamme1).
§ 4. Es ist nöthig, das was zu einer tüchtigen Wehemutter
g'ehört, zu besprechen, damit die tüchtigsten ihrer selbst bewusst
werden, die Anfängerinnen dieselben als Muster ansehen , das
Publikum aber wisse, welche es rufen soll.
Im Allgemeinen nennen wir diejenige fertig, welche die Heil-
kunst völlig erfasst hat (theoretisch), die tüchtigste aber die, welche
schon mit Hand angelegt hat und mit der Theorie viele Erfahrung
verbindet.
Im Besonderen aber betrachten wir diejenige Hebamme als
die tüchtigste, welche im ganzen Gebiete der Therapie geübt
ist — denn bald muss man diätetisch, bald chirurgisch, bald
pharmaceutisch eingreifen — , die im Stande ist, richtige An-
weisungen zu geben, die den Zusammenhang mit dem Allge-
meinen erfasst, das Nützliche daraus zu entnehmen versteht,, dann
im Einzelnen sich nicht beim Wechsel der Symptome verwirren
lässt, sondern dieselben in entsprechender Weise lindert, welche
ferner ruhig und unerschrocken bei Eintreten von Lebensgefahr
ist, in geschickter Weise den richtigen Weg der Hilfe vorzu-
schlagen versteht, Trost den Leidenden zuspricht, Mitgefühl be-
sitzt. Dass sie bereits geboren habe, ist nicht durchaus erforder-
lich, wie einige Autoren meinen, damit sie bei eigener Ivenntniss
1) Die Hebamme soll „aSeiaiSalp-ov“ sein, was man frei übersetzen kann „nicht
bigott, nicht abergläubisch“; wörtlich hiesse es „ohne Furcht vor einem Dämon“,
d. h. vor einem übersinnlichen Wesen. Es zeigt sich hier die philosophische Schule
des Ephesiers, welche ohne Zweifel die des Demokritos und des Epikurus ist. Diese
Schulen, deren Dogmen in dem Lehrgedichte des Lucretius Carus popularisirt sind,
verwarfen jede metaphysische Endursache im Gegensatz zu dem allerdings stark
ausgearteten polytheistischen Volksglauben.
„v.Xr)Bova4“ der Glaube an das „Beschreien“ , „Berufen“ („favete linguis“ der
Römer). Odyss. XVIII. 117.
„Weichheit der Hände“ hier vergleiche man Iuvenal VI 289 ff. „vellere Tusco
vexatae duraeque manus“.
1*
4
der Schmerzen mit den Kreissenden fühle, was bei solchen, die
geboren habe, eher vorauszusetzen sei.
Ferner erfordert ihr Dienst Kraft, doch braucht sie nicht durch-
aus jung zu sein, denn auch eine junge kann kraftlos und im Gegen-
theil eine ältere stark sein; dann muss sie mässig im Genuss und
stets nüchtern sein, weil der Augenblick nicht vorauszusehen ist,
wo sie zu gefährlich Kranken gerufen wird, auch verschwiegen,
da ihr viele Lebensgeheimnisse an vertraut werden, auch unbe-
stechlich, auf dass sie nicht für Geld Abtreibungsmittel ver-
abreiche, frei von Aberglauben, damit sie nicht um eines Traumes
oder einer Beschreiung oder des gewohnten Mysteriums und
Gottesdienstes willen eine heilbringende Handlung unterlässt.
Schliesslich soll sie für die Weichheit der Hände sorgen, weshalb
die Wollarbeiten zu unterlassen sind, welche die Hände hart
machen können, und diejenigen, welche von Natur keine weichen
Hände besitzen, sie durch Salben zart machen müssen. So muss
diejenige beschaffen sein, welche für die tüchtigste Hebamme
gelten will.
§ 5. Wenn wir auf die Hygiene zu sprechen kommen wollen,
wird es zuerst nothwendig sein, in eine Erörterung über die Be-
schaffenheit der weiblichen Organe einzutreten. Diese erkennen
wir theils durch den Augenschein selbst, theils durch die Ana-
tomie; da die letztere, wenn auch an sich werthlos, dennoch im
wissenschaftlichen Interesse beigezogen wird, werden wir auch
zeigen, was durch sie zu erfahren ist. Man wird unserer Be-
hauptung, die Anatomie sei werthlos, leichter glauben, wenn wir
zuvor derselben kundig befunden werden, und wir werden nicht
den Argwohn erwecken, als verwürfen wir aus Unkenntniss
Dinge, welche sonst als werthvoll gelten.
Kapitel III.
Die physische Beschaffenheit der Gebärmutter
und der weiblichen Scham1).
§ 6. Die Gebärmutter [/.trjrQa) heisst auch voiega (Uterus)
oder delq)vs- Der Name f.iijrQa stammt daher, weil die Gebär-
mutter die Mutter aller aus ihr erzeugten Früchte ist oder weil
sie diejenigen zu Müttern macht, welche sie ebenfalls besitzen,
i) Dieser Abschnitt war lange Zeit das einzige grössere von Sora nus erhaltene
Fragment und wurde von Oribasius in sein Sammelwerk aulgeuommen (ed. Busse-
maker u. Daremberg III. 369 mit französ. Version.)
Ob Soranus selbst anatomisch gearbeitet hat, ist zu bezweifeln, da er einer-
seits seine Verachtung der Anatomie offen bekennt, da sich andererseits viele An-
o
nach einigen Autoren nennt man sie so, weil sie das Zeitmass
(usTQov) für die Reinigung und die Geburt giebt. „‘YoveQa“ heisst
sie, weil sie erst spät (votsqov) in Funktion tritt oder weil sie,
wönn auch nicht genau so doch annähernd, den Schluss der
Eingeweide bildet. Jelyvg“ heisst sie, weil sie zum Gebären von
Geschwistern (adeXcpoi) bestimmt ist.
§ 7. Die Gebärmutter liegt in dem breiten Raum der Hüften
(Beckenhöhle) innerhalb des Bauchfells zwischen der Harnblase
und dem Mastdarm, auf diesem und unter jener liegend, bald
ganz bald theilweise, je nach ihrer Grösse. Bei den Kindern ist
der Uterus kleiner als die Blase, weswegen er sich auch ganz
unter derselben versteckt; bei den reifen Jungfrauen liegt er auf
der gleichen Höhe mit der Blase, bei noch älteren, zumal bei
solchen, welche bereits die Jungfrauschaft verloren oder sogar
schon einmal geboren haben, ist der Uterus grösser, so dass er
sich bei den meisten unmittelbar an das Ende des Kolon (Grimm-
darm) anlehnt. Am meisten wächst er in der Schwangerschaft,
wovon man sich schon durch den Augenschein überzeugen kann,
da das Peritoneum und der obere Bauch wegen des Umfanges
gaben finden, welche mit der Natur durchaus nicht stimmen, so z. B. wenn er die
Konsistenz der Cervicalportion bei Jungfrauen mit der Lunge vergleicht. Auch In-
konsequenzen finden sich, einmal wird TpayrjXoc als Cervix beschrieben*, ein ander-
mal muss der Ausdruck als Vagina gedeutet werden.
Die Vergleichung der Gebärmutter mit einem Schröpfkopf ist allerdings treffend,
beweist aber noch keine Autopsie Jedenfalls gegenüber HerOphilos ein grosser
Fortschritt, welcher den Uterus nach dem Befunde an Thieren schildert (iXr/.osioY]?).
Man vergleiche auch Häser, Lehrbuch I. 307.
n-öp'jycop.a-a nehme ich als Labia minora, gegen Daremberg, welcher das "Wort
als Labia majora deutet. Die von Soranus angegebene Verbindung mit der Klitoris
spricht für ,, minora1, SiSupoi = Hoden, testes muliebres, Ovaria.
„itopoc a7tspp.G<Ti-/.o;“ wird von Albrecbt v. Haller als ,,arteria vaginalis“
aufgefasst. Ich möchte eher an die „Ligamenta rotunda“ denken.
„vupcfY]“ heisst bei uns „Labium minus“, bei Soranus ist es die Klitoris, uud
wird bei den Alten mit einer sich öffnenden Rosenknospe verglichen (cfr. auch Rufus
von Ephesus, ed. Ruelle pag. 147), ferner Paulus Aegineta Lib. VI. cap. 70.
Die Existenz des Plymen wird geläugnet, was wohl daher rührt, dass die
Untersuchungen an Thieren gemacht wurden (v. Haller, Element, physiol. Tom VII
Pars. II. p 91 ff.), historisch und litterarisch sehr genaue Darstellung.
hoXutcouc, Polyp, wird sich wohl auf Octopus vulgaris beziehen (Aristoteles
Thiergeschichte, ed. Aubert und Wimmer, Lib. IV. § 5 und Einleitung I. p. 150).
itXexTa'vif] Fangarm des Polypen, mit Saugnäpfchen besetzt, welche mit den
Kotyledonen der Wiederkäuer Aehnlichkeit haben.
Das Oeffnen des Muttermundes, welches Soranus erwähnt, wurde auch von
neueren Gynäkologen gesehen (Hensen, Physiologie der Zeugung p. in).
Ueber die Sympathie zwischen Uterus und Mamma sehe man auch Hippo-
krates de morb mulier. Lib. II 174.
Aus dem Welkwerden der Brüste wird der kommende Abortus vorhergesagt,
übereinstimmend mit Hippokrates Aphorism. V. 37 und 53.
Die anatomischen Wahrnehmungen des Soranus werden auch von A. von
Haller mit Anerkennung besprochen (Bibliolhec. anatom. I. p. 71 — 72. Zu ver-
gleichen ist Rufus von Ephesus (nspt ovopaoia;) pag. 160 ed. Ruelle.
der Prucht nebst Eihäuten und Fruchtwasser (Liquor Amnii) stark
anschwellen; nach der Geburt zieht er sich wieder zusammen,
bleibt jedoch grösser als er vor der Geburt war. Zu jener Zeit
ist die Gebärmutter grösser als die Blase und bleibt nicht unter
ihr versteckt. Denn vorne ragt der Hals der Blase weit vor,
indem er ja auch in der Harnröhre endet und sich längs der
ganzen Mutterscheide erstreckt, aber er trennt sich vorher vom
Uterus; zuhinterst aber findet sich der Grund (Fundus) des Uterus
weit oberhalb der Blase und zwar unmittelbar unter dem Nabel,
so dass der Körper der Blase auf dem Halse der Gebärmutter,
der Grund aber auf dem Körper derselben liegt.
§ 8. Die Gebärmutter ist durch dünne Häute verbunden
nach oben mit der Blase, nach unten mit dem Darm, nach den
Seiten und hinten mit den Theilen, die von den Hüften und dem
Heiligenbein her wachsen. Wenn diese sich durch Entzündung
zusammenziehen , wird sie nach oben gezogen oder gebeugt,
•wenn sie dagegen nachlassen und schlaff werden, so fällt sie vor,
und dies kommt nicht daher, wie manche glauben, weil sie ein
Thier ist, sondern weil sie, wie andere Theile, Reizbarkeit hat
und deswegen durch Kälte sich zusammenzieht und unter aus-
dehnenden Einflüssen wieder erschlafft.
§ 9. Die Gestalt des Uterus ist nicht wie bei den vernunft-
losen Thieren gewunden, sondern ähnlich dem Schröpfkopf der
Heilkunst. Im Grunde (Fundus) anfänglich rund und breit zieht
er sich allmählich zu einer engen Mündung zusammen. Es heisst
nun der erste hervorragende Theil „der Mund“ (ozö/.uov, ostium),
der darauf folgende der Hals (zgayiftos, collum), der nächste der
Nacken ( avyijv , cervix), alle diese zusammen der Schaft (y.av).ds,
c.aulis), die sich dann von beiden Seiten nach der Enge des Halses
erstreckenden Theile heissen im Anfang die Schultern (c olioi,
humeri), dann die Seiten [rc Ievqci, latera), am Ende der Grund der
Gebärmutter (nvO-fnjv, fundus); darunter liegt die Basis; der ganze
Raum aber heisst die Höhlung (y.vzog, cavum), Leib ( ydazQa , venter)
oder Schoss (y.ölnog, sinus).
§ 10. Der Mund liegt in der Mitte der weiblichen Scheide,
der Hals wird durch die Schamlippen umfasst. Von diesen ist
aber der Mund bei den einen mehr, bei anderen weniger weit
abstehend je nach dem Alter, so im Durchschnitt bei denen,
welche bereits geschlechtsreif sind, 5 bis 6 Finger breit. (Ausser
anderen Gründen sollen auch gerade deswegen junge Mädchen
von Greisen schwanger werden können, weil ihre Mündung nur
4 Finger von den Flügeln entfernt ist, dagegen nie mehr ältere
Weiber von Jünglingen, weil ihr Mund zu weit von den klügeln
sich zurückgezogen hat.) Leichter zugänglich wird der Mund
gegen die Geburt, weil der Hals sich verlängert. Die Grösse ist
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verschieden, abgesehen davon, dass bei den meisten naturgemäss
der Mund so gross ist wie das äussere Ende des Gehörganges,
Zu manchen Zeiten öffnet sich der Mund, so bei der Aufregung
des Coitus, um den Samen aufzunehmen, bei der monatlichen
Reinigung! um das Blut auszuscheiden, endlich in der Schwanger-
Schaft im Verhältnis zum Wachsthum des Embryo. Bei der Geburt
jedoch öffnet er sich am weitesten und zwar so weit, dass die
Hände Erwachsener hineingelangen können. Im natürlichen Zu-
stande ist er weich und fleischig bei den Jungfrauen, so schwammig
wie die Lunge oder so weich wie die Zunge, bei denen, die
bereits geboren haben, verhärtet er sich, wie etwa der Kopf
eines Polypen oder nach Herophilos wie das obere Ende des
Kehlkopfes; er wird hart durch den Ausfluss des Sekrets und
durch den Durchtritt der Frucht.
§ ii. Die ganze Gebärmutter ist vorherrschend nervig. Sie
setzt sich aber nicht nur aus Nerven, sondern auch aus Venen
und Arterien und Fleisch zusammen. Von diesen kommen die
Nerven von der Rückenmarkshaut (Dura mater) her, die Arterien
und Venen von der Hohlader, welche bei dem Rückgrats wirbel
liegt, und der grossen Arterie und zwar trennen sich zwei Venen
von der Hohlader und zwei Arterien von der grossen Arterie.
Je eine Vene und Arterie geht zu beiden Nieren; bevor sie dann
in sie eintreten, spalten sie sich und verlaufen in zwei Aesten in
beide Nieren, mit zwei umflechten sie die Gebärmutter, so dass
sich vier Gefässe in sie ergiessen, zwei Arterien und zwei Venen,
Aus diesen ergiessen sich in beide Hoden je eine Vene und eine
Arterie.
§ 12. Die Hoden (Ovarien) lagern ausserhalb in der Nähe
des Cervix, an jeder Seite eine. Sie sind mürbe und drüsig,,
dabei mit besonderer Haut bedeckt. Ihre Gestalt 'ist nicht wie
bei den Männern länglich, sondern etwas aufwärts gekrümmt,
stielrund und an der Basis abgeplattet.
Der Samengang zur Gebärmutter führt aus beiden Hoden,
sich an den Seiten längst ziehend, bis zur Blase und pflanzt sich
in den Hals derselben. Daher glaubte man, es trage der weib-
liche Samen zur Erzeugung nicht bei, weil er sich nach aussen
ergiesse. Doch hierüber reden wir in dem Abschnitt über den
Samen.
Einige und unter ihnen auch Chius behaupten, sie besitzen
auch Aufhängebänder. Auch wir haben dies durch Augenschein
an. einer Frau gesehen, welche an Darmbruch (Enterocele) litt;
bei deren Operation 'fiel der Hoden vor, da die ihn haltenden
und umfassenden Gefässe nachliessen, mit welchen auch ein Band
(Ligam. Suspensorium) vorfiel.
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§ 13. Die ganze Gebärmutter setzt sich aus zwei aufeinander
liegenden Schichten zusammen, die Papierfasern ähnlich sind.
Die äussere ist mehr nervig, glatt, hart und bleich, die innere
mehr fleischig, unebener, weich und röthlich, ganz und gar mit
Gefässen verwoben und zwar sind diese nach dem Grunde zu
zahlreicher und bedeutender, weil hier der Samen haftet und von
hier aus die Reinigung vor sich geht. Die beiden Schichten hängen
wieder mit einander durch schlaffe Gewebe und Nerven zusammen,
so dass der Uterus bei häufiger Ausdehnung vorfällt, indem die
nervige Haut an ihrem Platze bleibt, die innere aber sich heraus-
stülpt.
§ 14. Ferner hat in der Regel der Uterus bei denen, die
nicht geboren haben, in seinem Grunde zwei Falten gerunzelt,
wie Filz, bei denen aber, welche bereits geboren haben, dehnt
sich der ganze Uterus aus und wird rund. Diokles behauptet,
auch Saugnäpfe, welche auch nlzxxdvai oder Mutterhörner heissen,
befänden sich in dem Aveiten Raum der Gebärmutter; sie seien
zitzenförmige Auswüchse, auf dem Grunde breit und nach oben
spitz, an beiden Seiten liegend; vorsorglicher Weise seien sie von
der Natur geschaffen, damit der Embryo schon vorher lerne die
Warzen der Mutterbrust anzuziehen. Doch dies ist ein anatomischer
Irrthum. Die Saugwarzen lassen sich nicht finden und es wider-
spricht der Natur, was man über sie sagt, wie in den Kommen-
taren über die Zeugung bewiesen wird.
§ 15. Man muss nicht annehmen, dass die Gebärmutter für
das Leben von grosser Bedeutung ist. Denn sie fällt nicht nur
vor, sie wird auch bei manchen herausgeschnitten, ohne den Tod
herbeizuführen, wie Themison erzählt. In Gallien soll man den
zur Mast bestimmten Schweinen die Gebärmutter ausschneiden.
Wenn sie jedoch krank ist, so zieht sie Magen und Gehirn-
häute in Mitleidenschaft. Auch besteht zwischen ihr und den
Brüsten eine natürliche Sympathie. Sobald die Gebärmutter sich
in den reifen Jahren vergrössert, schwellen auch die Brüste an;
während die Gebärmutter den Samen gestaltet, bereiten die Brüste
Milch zur Ernährung der Früchte; während der monatlichen
Reinigung versiegt die Milch, fliesst sie jedoch wieder, so ist die
Reinigung zu Ende; ebenso erschlaffen auch die Brüste bei
Aelteren, wenn der Uterus sich zusammenzieht, und wenn der
Embryo erkrankt ist, verkleinert sich ihr Umfang. Sehen wir
bei Schwangeren, dass sich die Brüste zusammenziehen und
schrumpfen, so sagen wir eine Fehlgeburt voraus.
§ 16. So ist die Gebärmutter beschaffen. — Die weibliche
Scham heisst auch Scheide. Sie ist ein n ervenreiches Häutchen,
ein Flohlcylinder, wie ein Darm, im Innern umfangreicher, nach
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aussen schmäler. Hier findet die sexuelle Vereinigung statt. Der
innere Theil desselben grenzt an den Hals des Uterus wie bei
den Männern die Vorhaut an die Eichel, der äussere an die grossen
Labien, der untere an das Gesäss, die Seiten an die fleischigen
Theile der Hüften, der obere Theil an den Hals der Blase. Denn
dieser ragt, wie wir schon sagten, über den Mund des Uterus,
verläuft längs der Scheide und mündet in die Harnröhre. Es
zeigt sich nun die Mutterscheide unterhalb des Halses der Blase
und oberhalb des Afters, des Schliessmuskels und auf dem Ende des
Mastdarmes liegend. Wie wir gleichfalls schon behaupteten,
schwankt ihre Grösse und zwar nicht nur im Verhältniss zum
Alter oder zu dem ausgeübten Beischlaf, bei welchem sich der
Hals des Uterus dehnt und zugleich mit dem männlichen Gliede
einen Theil der Scheide einnimmt, sondern auch von Natur ragt
bei manchen der Hals vor, bei anderen ist er ganz kurz. Bei
der Mehrzahl der Erwachsenen misst sie 6 Finger. Mehr ab-
geplattet ist sie bei den Jungfrauen, indem sie Falten hat, welche
durch vom Uterus kommende Gefässe gebildet werden, und diese
bereiten bei der Defloration Schmerzen dadurch, dass die Falten
sich glätten; denn sie reissen und sondern das gewöhnlich (beim
Coitus) fliessende Blut aus.
§ 17. Die Annahme ist entschieden falsch, es sei ein dünnes
Häutchen so gewachsen, dass es die Mutterscheide versperre,
dieses zerreisse bei der Defloration und verursache den Schmerz
oder schon früher bei Eintreten der Menstruation; wenn es aber
bleibe und stärker werde, verschulde es das Leiden, welches man
Atresie (Verschluss) nennt. Denn erstens lässt es sich nicht anato-
misch auffinden, zweitens müsste man bei der Untersuchung der
Jungfrauen mit der Sonde auf Widerstand stossen, doch diese dringt
im Gegentheil tief hinein. Drittens müsste, wenn bei der Deflo-
ration das Häutchen reisst und Schmerz verursacht, nothwendiger
Weise schon bei der Menstruation vor dem ersten Coitus bei den
Jungfrauen heftiger Schmerz erfolgen, doch nicht mehr bei dem
ersten Coitus. Ueberhaupt müsste, wenn das derber gewordene
Häutchen Atresie verursachte, sich dieses stets an demselben Orte
finden, ganz wie wir bei allen anderen Theilen jeden an seinem
besonderen Platze sehen. Nun findet man aber bei den an
Atresie leidenden das die Oeffnung versperrende Häutchen bald
an den vorstehenden Labien, bald in der Mitte der Scheide, bald
in der Mitte der Mündung der Gebärmutter.
§ 18. Die Mutterscheide ist aber aisobeschaffen. Die aussen
sichtbaren Fortsätze kann man gewissermassen die Lippen der
Scheide nennen. Sie sind dick und fleischig, erstrecken sich unten
an beide Oberschenkel, als ob sie gewissermassen auseinander
gerissen wären, und enden oben in der sogenannten Nymphe.
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Diese bildet den Anfangspunkt der beiden Schamlippen (Labia
minora) und ist ihrer natürlichen Beschaffenheit nach ein Stückchen
muskulöses Fleisch. Der Name Nymphe stammt daher, weil das
Stückchen Fleisch sich gerade so schüchtern zurückzieht, wie
Bräute (wftq>sv6fievai) zu thun pflegen. Unter der Nymphe ver-
birgt sich noch wieder ein anderes Stück Fleisch, welches ein
Theil des Halses der Blase ist und Harnröhre (Urethra) heisst;
die innere faltige und rauhe Oberfläche heisst Lippe. Die Blase
des Mannes unterscheidet sich aber von der des Weibes dadurch,
dass jene grösser ist und einen gebogenen Hals hat, diese kleiner
und geradhalsig ist.
Nachdem somit die Erörterung der weiblichen Geschlechts-
theile beendigt ist, kommen wir zu den Funktionen der Gebär-
mutter, welche sind: die monatliche Reinigung, Empfängniss,
Schwangerschaft und die nach der Reife der Frucht erfolgende
Geburt. Der natürlichen Ordnung folgend werden wir zunächst
über die monatliche Reinigung sprechen.
Kapitel IV.
Die Menstruation1).
§ 19. Die Menstruation heisst „Emmenon“ und „Katamenion“,
weil sie jeden Monat eintritt, und „Epimenion“, weil sie als Nahr-
ung für die Früchte bestimmt ist, wie man ja auch den Proviant
der Seefahrer „Epimenia“ nennt. Sie heisst auch Reinigung, weil
nach der Behauptung einiger Forscher durch die Aussonderung
des überflüssigen Blutes eine Reinigung des Körpers bewirkt
wird. Das Monatliche besteht nun bei den meisten Weibern in
reinem Blute, bei einigen in blutähnlicher Feuchtigkeit oder Blut-
wasser, wie bei den vernunftlosen Thieren. Dieses ist alles natur-
gemäss, da es ohne Beschwerden ausgesondert wird. Demnach
ist das Monatliche zu definiren als Blut oder blutähnliche Flüssig-
l) Die Lehre von der Menses ist in diesem Kapitel in sehr vollständiger und
kritischer Weise abgehandelt.
Nachdem die Synonymik erörtert ist, wird eine genaue Definition gegeben und
die Blutqualität, das Alter des Eintrittes und der Cessation, Blutmenge, Dauer, Ein-
fluss von Alter, Jahreszeit, Körperbau, Beschäftigung besprochen.
Der Einfluss des Mondes wird in Abrede gestellt.
Die physiologische Amenorrhoe und die Menses in graviditate werden in das
Auge gefasst.
Zu vergleichen ist hier: Hippocrates, de natura pueri § 14. 1 und das VII. Buch
der Thiergeschichte des Aristoteles (apokryph!) ferner Hippocrates, de morb. mulier.
Lib. I. cap. 6 (wo die Angabe der Menge des ergossenen Blutes — 2 Kotylen,
stimmt), (klassisch ist die Darstellung der alten Emmenologie in A. v. Hallers Eiern,
physiolog. VII. 2. Pars. p. 137 — 177).
11
keit welche zu ganz bestimmten Zeiten und zwar besonders durch
den Uterus naturgemäss ausgesondert wird. Wir sagen: besonders
durch den Uterus, weil die Reinigung bisweilen auch von der
Scheide ausgeht.
S 20. Die Periode tritt in der Regel zum ersten Male um
das 14. Jahr herum ein und zu gleicher Zeit mit der Reife und
dem Wachsen der Brüste. Die Menge der Absonderung ist im
Anfang o-ering; sie nimmt dann zu und, nachdem sie eine Zeit
lang" auf derselben Höhe geblieben ist, wieder ab, um schliess-
lich0 vollständig zu versiegen, was nicht vor dem 40. und nicht
nach dem 50. Jahre zu geschehen pflegt. So ist es wenigstens
in der Regel, ausnahmsweise dauert die Reinigung bei einigen
auch bis zum 60. Jahre. Die Zu- und Abnahme geschieht jedoch
nicht mit so exakter Regelmässigkeit , wie Diokles meint, der
sagt, die Menstruation daure bis zum 60. Jahre, sei zuerst gering,
erreiche den Höhepunkt, bleibe auf demselben eine gewisse Zeit,
nehme dann im Verhältnis wieder ab und höre schliesslich ganz
auf. Doch dies ist nicht immer so; die Zu- und Abnahme ist
vielmehr bei den einzelnen Frauen verschieden und lässt sich
nicht genau abgrenzen. In der Regel beträgt die Menge des
abgesonderten Stoffes zwei Kotylen, bei welcher Massbestimmung
wir wieder das Durchschnittsverhältniss im Auge haben.
§ 21. Die Reinigung dauert bei manchen nur einen Tag,
bei anderen 2 Tage, bei einigen sogar bis zu 7 Tagen und darüber;
die gewöhnliche Dauer jedoch ist 3 oder 4 Tage. Dieses geschieht
monatlich, doch keineswegs genau, sondern nur annähernd, bald
einige Tage früher, bald später. Die Reinigung vollzieht sich
bei jedem Weibe zu einem besonderen Termine, sie fällt nicht,
wie Diokles will, bei allen Frauen in dieselbe Zeit, noch, wie
Empedokles behauptet, in die Zeit des abnehmenden Mondes.
Bald findet sie vor dem 20. Tage bald am 20. Tage des Monats,
bald wieder zur Zeit des zunehmenden bald zur Zeit des ab-
nehmenden Mondes statt, manche wieder reinigen sich gewohn-
heitsmässig (habituell) innerhalb einer gewissen Reihe von Tagen.
(Manche haben den jedesmaligen Eintritt der Menstruation nach
der Zählung der Tage bestimmt, als ob die normale Absonderung
den 3. oder 4. Tag nicht überschreiten dürfe. Dies muss man
verwerfen. Denn einerseits kann die Reinigung mehrere Tage
dauern, indem sich ganz naturgemäss die gleiche AI enge Aus-
fluss auf mehrere Tage vertheilt, andrerseits kann an einem ein-
zigen Tage mehr, als normal ist, sich aussondern. Man kann da-
gegen behaupten, dass die im richtigen A^erhältniss menstruirt
haben, welche sich nach der Reinigung gestärkt fühlen, frei
athmen, nicht aufgeregt und von ungeschwächter Kraft sind ; bei
den übrigen kann man das Gegentheil annehmen.) Das Normale
12
bei den geringeren und grösseren Entleerungen ergiebt sich je
nach dem Alter und je nachdem mastige oder scharfe und
kühlende Speisen genossen sind.
§ 22. Die Menge des Ausflusses ist von Natur ungleich und
abhängig von dem Alter, der Jahreszeit, der Konstitution, der
Beschäftigung, der Lebensweise und von anderen derartigen ver-
änderlichen Umständen, da ganz naturgemäss bei manchen mehr,
bei anderen weniger Blut abgesondert wird. Das Alter hat in
sofern Einfluss, als die Reinigung sowohl bei denen, welche der
Cessation nahe sind, als auch bei denen, bei welchen sie zum
ersten Male auftritt, geringer ist. Ja bei diesen wird oft nur der
nächste Umkreis der Gebärmutter feucht. Nur bei ganz wenigen
und auch nur bei solchen, welche über die Blüte ihres Lebens
hinaus sind, tritt vor der Defloration die Absonderung profuser
auf, sonst verunreinigt sie nur die Umgegend. Die Jahreszeit ist
von Bedeutung, indem der Ausfluss im Frühling stärker, im
Sommer geringer, indem dann eine starke Ausdünstung durch den
ganzen Körper geschieht, im Herbst wieder stärker als im Sommer
und geringer als im Frühling, im Winter wieder geringer als im
Herbst ist. Ferner ist die Absonderung bei den fetten und dicken
Weibern geringer, da der Stoff durch die gute Ernährung des
Körpers ganz aufgebraucht wird, bei den schmächtigen und
mageren reichlicher. Denn was die Natur nicht zur Ernährung
aufbraucht, um das vermehrt sich die Ausscheidung. Endlich ist
noch die Art der Beschäftigung und die Lebensweise von Ein-
fluss. Bei denen, welche ein müssiges Leben führen, ist die Aus-
scheidung reichlicher, bei denen, welche dagegen sich viel be-
wegen, ist sie geringer. So verringert sich die Menge auch bei
den Gesanglehrerinnen und bei solchen, welche in der Fremde
umherreisen, zumal wenn sie aus dem Binnenlande an die Küste
kommen.
§ 23. Doch auch das Ausbleiben der Menstruation ist bisweilen
physiologisch normal und zwar ganz abgesehen von dem Ivindes-
und Greisenalter, auch in Folge von anstrengenden Uebungen im
Gesang, wo der Stoff sich vertheilt und ganz aufgebraucht wird,
oder bei männlichem Habitus, oder bei Rekonvalescentinnen,
wenn der Stoff zur Wiederherstellung der Lebenskraft verwendet
wird, oder schliesslich im Falle der Conception, wo das Blut zur
Ernährung des Embryo dient. Bei manchen tritt auch noch nach
der Empfängniss die Menstruation ein und zwar entweder aus
der Scheide oder aus dem Halse des Uterus und den Seiten.
Denn der Samen hängt nicht überall am ganzen Uterus, sondern
nur an dem Grunde desselben. Bisweilen schwitzt nun Blut aus
dem Theile hervor, an dem der Samen sich nicht festsetzt, und
es tritt deswegen auch bei manchen eine Ueberschwängerung
13
ein. Dass das Ausbleiben der Menstruation bisweilen ganz natur-
gernäss ist, kann man kurz daran erkennen, dass es keine Be-
schwerden zur Folge hat.
Kapitel V.
Die Zeichen der eintretenden Menstruation.1)
§ 24. Der Eintritt der Reinigung macht sich dadurch be-
merkbar, dass man bei Herannahen der gewohnten Zeit Be-
schwerlichkeit im Bewegen und Schwere im Becken spürt, zu
manchen Zeiten Mattigkeit, Trägheit, Gähnen und Gliederspannen,
bisweilen auch Röthe der Wangen, welche entweder andauert
oder auch jäh verschwindet, um nach einiger Zeit wieder auf-
zublühen. Bei manchen zeigt sich Geneigtheit zum Erbrechen
und Appetitlosigkeit. Der erstmalige Eintritt der Reinigung ver-
räth sich ausserdem noch durch das um das 14. Jahr herum ein-
tretende Wachsen der Brüste, durch fühlbare Schwere in dem
Hypogastrium und durch das Jucken der Pubes (Schamgegend.)
Dies pflegen auch diejenigen zu erdulden, welche mit Gewalt
zum Beischlaf genöthigt werden.
§ 25. Was nun die Pflege vor dem Erguss des Monatlichen
betrifft, so soll man möglichst dazu beitragen, dass es sich vom
13jährigen Alter abwärts ganz von selbst und vor der Vermählung
ergiesst. AVenn beim Coitus der Stoff sich auf die Geschlechts-
theile sowohl beim Manne wie beim Weibe wirft, so ist Gefahr
vorhanden, dass bei der ausscheidenden Thätigkeit eine starke
l)In den Koischen Prognosen (Littrö, Hippocrate V. 588) werden die Molimina
also geschildert:
Fieberschauer, Mattigkeit, Schwere des Hauptes, Halsschmerz künden den Ein-
tritt der Regeln an (Nr. 530 u. 537).
auops, gestatio = das Sichherumtragenlassen in einer Sänfte, vielleicht auch
auf Rädern. Diese Art Körpermotion war bei den Alten beliebt und wurde be-
sonders durch Asklepiades eingeführt und empfohlen (Plinius. Hist natural. Lib
XXYI § 13).
rtsico!, Mutterzäpfchen (während ßiXavoi = Stuhlzäpfchen) eine sehr beliebte
Applikationsform von Arzneien für die Gebärmutter. Ein Fragment des berühmten
Chirurgen Antyllus (Oribas, II. 441, ed Daremberg) belehrt uns, dass dieselben nur
für den Uterus bestimmt sind; es giebt erweichende, adstringirende , eröffnende.
Man bereitet sie aus etrurischem Wachs, Alkanna-Oel, Gänsefett, Butter, gebranntem
Harz, Plirschmark, Foenum graecum etc.
Man nimmt zusammengelegte Wolle, wie ein Charpiebausch , welche man in
das Medikament taucht und dem Muttermunde applizirt. Zum Zwecke der bequemen
Herausnahme wird ein wollener Faden angebunden.
Es entspricht der Begriff ziemlich unserem „Tampon“, auch den „Bacillen“
(Becquerel u A.), die intrauterin applizirt werden. Mit unsern Pessarien hat die
Sache nichts zu schaffen.
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Congestion und Entzündung entsteht. Deswegen muss die Be-
wegung sanft und gleichmässig sein; die Gestation (alojQa) darf
andauernd betrieben werden, alle übrigen Turnübungen sind zu
verwerfen; anzuempfehlen ist dagegen in Pausen stattfindendes
Einreiben mit reichlichem Oel, tägliches Baden und jegliche Zer-
streuung des Gemüthes. Denn mit diesem entspannt sich zugleich
der Körper und entlässt ohne Schwierigkeit die Aussonderung,
es müsste denn jemand durch fehlerhafte Erziehung verweichlicht
sein. Denn zu dieser Zeit muss der Körper sich stark bewähren,
damit nicht auch der Uterus zugleich mit erschlafft und in seiner
eigenen Thätigkeit erlahmt.
§ 26. Sobald einmal beim Beginn der Menstruation die
oben erwähnten Unannehmlichkeiten auftreten, ist möglichste
Ruhe von Nutzen. Denn gleich wie die weinberauschten durch
starke Bewegung in Krankheit verfallen und Leute mit Gehirn-
congestion durch lautes Schreien den Kopfschmerz steigern , so
wird auch die Gebärmutter, welche mit dem für die Reinigung
bestimmten Stoffe angefüllt ist, durch Bewegung sympathisch in
einen Zustand von Ermüdung versetzt. Aus demselben Grunde
ist auch eine saftige und gleichmässige Nahrung und besonders
noch die mit warmem Oel getränkten Mutterzäpfchen (Pessarien)
zu empfehlen.
Diejenigen, welche bereits öfter sich gereinigt haben, soll
man handeln lassen wie sie gewohnt sind. Sie können der Ge-
wohnheit gemäss ruhen oder sich in mässigen Bewegungen er-
gehen. Sicherer ist es zu ruhen und nicht zu baden, zumal am
ersten Tage.
Bei denen aber, welche wegen des vorgerückten Alters über-
haupt bald ganz authören werden zu menstruiren, soll man dafür
Sorge tragen, dass dies nicht plötzlich auf einmal geschieht.
Denn jede plötzliche Veränderung, auch die zum Besseren,
schadet dem Köiper durch das Ungewohnte. Denn das Unge-
wohnte wird schlecht ertragen und als Unbequemlichkeit em-
pfunden. Was wir bei der ersten Menstruation vorschreiben,
dasselbe müssen wir auch für die Zeit der Menopause anrathen.
Denn so kann man auch die fehlende Menstruation noch hervor-
rufen und noch viel leichter die noch vorhandenen Menses er-
halten. Auch jetzt sind anzuempfehlen die lindernd wirkenden
Mutterzäpfchen und die gleichermassen wirkenden Einspritzungen
mit erweichenden Mitteln. In Fällen, wo die Reinigung die
Kräfte zu untergraben droht oder wo sie widernatürlich innehält,
muss man therapeutisch vorgehen , doch darüber wird in dem
Abschnitt über die Pathologie die Rede sein.
15
Kapitel VI.
Der Nutzen der monatlichen Reinigung1).
§27 Da man allen nützlichen Vorgängen Vorschub, allen
nicht heilsamen Widerstand leisten muss, müssen wir auch hier-
über Betrachtungen anstellen. Bei der vorliegenden Frage er-
heischen zwei Punkte eine Beantwortung: einmal ist die Reinigung
der Gesundheit heilsam? und dann, ist sie förderlich für die Kmder-
zeuo-ung? Einige unter den früheren Forschern, welche Hero-
p hfl os in seiner Schrift über volkstümliche Vorurteile erwähnt
(medicin. Volksaberglauben), behaupten, die Reinigung sei sowohl
für die Gesundheit als auch für die Kindererzeugung heilsam,
Themis on und die Mehrzahl unserer Schule (methodische): sie
diene nur zur Kindererzeugung, andere mit berühmteren Namen:
sie sei weder für die Gesundheit noch für die Kindererzeugung
von Nutzen. Herophilos und Mnaseas stellen auf Grund ab-
weichender Beobachtungen die Ansicht auf, manchen Weibern
sei die Menstruation gesund, manchen wieder schädlich. Erstere
schliessen nun folgendermassen : als die Natur in ihrer weisen
Fürsorge für die Menschen gesehen habe, dass die Männer durch
anstrengende Arbeiten sich des überflüssigen Stoffes entledigen,
die Frauen jedoch wegen ihrer häuslichen und sitzenden Lebens-
weise eine Menge Stoff ansammeln, habe sie, um Gefahr abzu-
wenden, die Vorkehrung getroffen, dass sie durch die Reinigung
den überflüssigen Stoff ausscheiden können; wenn daher die
Reinigung zu schwierig fliesse, erfolgen Kopfweh, Verdunklung
der Augen, Schmerz in den Gliedern und in der Augenhöhle,
und das gleiche Gefühl auch in der Hüfte und dem Unterleibe,
Aufregung, Angst, Aufstossen, Wechsel von Frost und Hitze;
alles dieses verschwinde wieder, wenn die Menstruation eintritt.
§ 28. Diesen nun ist zu entgegnen, dass man über die Zweck-
mässigkeit der Natur verschiedener Ansicht und die Beantwortung
l) Das Buch des Herophilus ,,-po? ra? */otva? 00 62s“ wird nur von Soranus
citirt.
tpuoi; Ttpovo7]tt/.Tj' — hier zeigt sich der atomistische Standpunkt des Verfassers,
gegenüber den teleologischen Ansichten der Stoa und des Aristoteles.
Die Ausdrücke „TCB'püuris“, floulSip = adstrictio, laxitas sind die Kommunitäten
der Methodiker.
Mnaseas, berühmter Methodiker, nahm eine physiologische Zusammenziehung
und Erschlaffung an, womit Dionysius, ein auch bei Galen (Isagoge cap. IV) ge-
nannter Arzt derselben Schule übereinstimmte, während Soranus beide Kommunitäten
als pathologisch auffasste.
Die Ansichten der Alten über die Bedeutung der Menstruation sind am be-
quemsten bei Albr. v. Haller, Elementa physiologia. VII. b. p. 175 nachzulesen.
16
jener Frage schwerer ist als die dieser, ob nämlich die Natur
durch ihre Fürsorge den Appetit der Menschen derartig zu regeln
vermag, dass sie nicht mehr Nahrung als noth wendig zu sich
nehmen, oder verhindern kann, dass Üeberschuss entstehe. Denn
wenn sie dafür sorgen kann, dass man das Ueberflüssige aus-
sondert, so ist es auch ihre Pflicht zu verhindern, dass zu viel
Stoff sich bildet. Wenn sie nun doch einmal in ihrer Fürsorge
die Reinigung geschaffen hat, so that sie dies nicht zum Zweck
der Erhaltung der Gesundheit, sondern zum Zweck der Kinder-
erzeugung. Daher gab sie die Reinigung weder denen, welche
noch nicht empfangen können, wie den kleinen Kindern, noch
denen, welche nicht mehr zu empfangen fähig sind, wie z. B. den
alten Frauen, sondern hob ausserhalb der Grenzen des Bedürf-
nisses ihr Werk auf. Cessirt die Menstruation, so leidet der
Körper wegen der Aufhäufung der Stoffe, durch welche der
Monatsfluss gehindert ist. Deswegen scheint auch der Eintritt
der Reinigung nicht zweckmässig, da er weder die Anhäufung
noch eines ihrer Symptome wegnimmt, sondern erst, wenn die
Anhäufung sich löst, auftritt, ganz wie die Aussonderung des
Darmkothes und des Schweisses. Die Krankheit hat nichts mit
der Gesundheit gemein; das was die Aufhebung eines Leidens
herbeiführt, ist noch nicht zugleich auch für die Erhaltung der
Gesundheit förderlich. Der Aderlass z. B. löst die Verstopfung
des Blutes, dient aber nicht zugleich zur Erhaltung der Gesundheit.
Die Forscher, welche behaupten auch nicht einmal für die
Kindererzeugung wirke die Reinigung nützlich, sagen so:
die Reinigung entsteht, wenn die Gebärmutter eitert, jedes
Geschwür aber ist pathologisch, kein pathologischer Zustand
erzeuge Normales, könne also auch nicht die Empfängniss fördern;
allerdings empfangen manche, die noch gar nicht menstruirt haben,
und wieder andere, die vor der Reinigung empfangen, menstruiren
nach der Conception. Auch die Ansicht dieser Leute ist zu
verwerfen. Denn nicht dadurch, dass die Gebärmutter schwärt,
entsteht die Reinigung, sondern in Folge von Durchsickern von
Blut aus den Blutgefässen und von Durchschwitzen, wie ja auch
das Zahnfleisch, wenn daran gerieben wird, ohne Geschwürs-
bildung blutet und wie wir ja auch bei den nicht komplizirten
Frakturen die Binden beim Abnehmen derselben blutgetränkt
finden. Dass aber die Empfängniss auch ohne jede vorhergehende
Reinigung stattfinden kann, ist einfach nicht wahr. Denn ge-
schieht die Reinigung auch nicht durch Blut, so doch sicherlich
durch irgend einen andern flüssigen Stoff, wie bei manchen Thieren.
Nach der Empfängniss menstruiren aber manche aus anderen
Körpertheilen, wie wir oben bewiesen haben, als aus denen,
an welchen der Samen haftet.
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§ 2g. H er o philos ist der Ansicht, dass die Reinigung für
manche Frauen schädlich wirke, denn manche erfreuen sich bei
Amenorrhoe ungestörter Gesundheit und werden oft im Gegen-
theil durch die Reinigung blass und mager und beginnen zu
leiden, dass sie andrerseits für manche auch nutzbringend sei,
sodass bei ihnen an Stelle der früheren Blässe und Magerkeit
nach der Menstruation ein blühendes und wohlgenährtes Aus-
sehen tritt. Mnaseas meint, manche hätten eine starke, manche
eine schwache Natur und letztere besitzen bald eine straffe bald
eine laxe Konstitution; für diejenigen nun, die eine straffe Faser
besitzen, sei die Reinigung gesund, für diejenigen, welche eine
schlaffe (laxe) Faser besitzen, dagegen ungesund, ganz wie auch der
Aderlass nur den an Straffheit Leidenden Eröffnung verschafft,
dagegen den an Ausflüssen (durch Laxität) Leidenden die Ab-
führung noch verstärkt. Dies hat er dem Dionysios entlehnt,
dass er von einem naturgemässen Straffen und Laxen spricht,
was eben nicht gesund ist, wie in dem zweiten Buche über die
Kommunitäten erwähnt ist. Die normale Straffheit ist sicherlich
harmloser als die kleinste pathologische Straffheit. Wie nun
der Aderlass nicht nur den an Ausflüssen Leidenden, sondern
auch den an geringer Straffheit Leidenden nachtheilig ist, weil
mehr Schaden dadurch entsteht, dass Kräfte zum Ersatz ver-
wendet werden, so dürfte auch die Reinigung nicht nur denen,
welche physiologisch eine laxe Faser besitzen, sondern auch denen,
■welche von Natur eine straffe Konstitution haben, schaden. Ihm
wie auch zugleich dem Herophilos ist zu erwidern, dass die
Reinigung in jedem Falle gesundheitlich schadet, nur tritt dies
mehr bei denen, welche für Krankheiten empfindlicher sind, als
bei denen hervor, deren Körper Krankheiten grossen Widerstand
zu leisten vermag. Man kann beobachten, dass gerade die Mehr-
zahl derjenigen, die nicht menstruiren, recht kräftig ist, wie z. B.
die Viragines und die unfruchtbaren Frauen. Wenn im höheren
Alter die Reinigung aufhört, so schadet dies der Gesundheit
durchaus nicht, überhaupt macht die Entziehung des Blutes die
meisten noch weichlicher. Auch sind die Jungfrauen, welche noch
nicht menstruirt haben, keineswegs in ihrer Gesundheit dadurch
benachtheiligt. Wenn diese aber sich andauernder Gesundheit
erfreuen, so kann^die Reinigung nicht zur Gesundheit beitragen,
sondern nur zur Kindererzeugung. Denn ohne Menstruation giebt
es keine Conception.
Soranus, Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes.
IS
Kapitel VII.
Ist dauernde Jungfrauschaft der Gesundheit
zuträglich1)?
§ 30. Die Frage, ob dauernde Jungfrauschaft der Gesund-
heit zuträglich ist, bejahen manche, andere verneinen sie. Die
ersteren sagen, der Körper leidet unter den sinnlichen Trieben.
So sehen vielfach die Liebenden blass, schwach und mager aus;
die Jungfrauschaft kennt aber die Liebe nicht und hat daher auch
kein Verlangen danach. Ferner schadet jeder Samenerguss den
Frauen in demselben Grade wie den Männern; somit ist die
Jungfrauschaft gesundheitlich heilsam, da sie den Samenerguss
hindert. Als Beweis dienen auch die unvernünftigen Thiere.
Stuten, welche nicht belegt sind, laufen besser; Säue, denen die
Gebärmutter ausgeschnitten ist, werden grösser, fetter und stärker,
ihr Fleisch so fest wie bei den männlichen Schweinen. So ist es
offenbar auch bei dem Menschen. Denn da unter den Männern
gerade die, welche unschuldig bleiben, stärker und grösser sind
als andere und sich einer besseren Gesundheit in ihrem ganzen
Leben erfreuen, ist folglich auch in gleicher Weise dem weib-
lichen Geschlechte die Erhaltung der Jungfrauschaft^ gesünder.
Denn die Conceptionen und Geburten nehmen den Körper der
Weiber arg mit und lassen ihn schnell hin welken, daher muss
man mit Recht den Zustand der Jungfrauschaft, der das weib-
liche Geschlecht vor jenen Schädlichkeiten bewahrt, als gesund
bezeichnen.
§ 31. Die Forscher, welche entgegengesetzter Ansicht sind,
behaupten dagegen, das Verlangen nach Liebe sei nicht nur den
Frauen, sondern' auch den Jungfrauen eigentümlich. Bei einigen
Jungfrauen mache sich das Verlangen lästiger bemerkbar als bei
Frauen, da ja das Verlangen nur in dem Beischlaf,, nicht in der
Entsagung seine Befriedigung finde. Das Verbleiben in dem
Stande der Jungfrauschaft hebt jedenfalls den sinnlichen Ineb
nicht auf. Man sagt auch, der Samenerguss sei an und tur sich
weder beim männlichen noch beim weiblichen Geschlechte schäd-
lich, sondern erst, wenn er ohne Maass stattfindet.. Bei andauern-
dem Samenerguss leidet der Körper, dagegen ist die Samen-
1) onsouaTO? ev.xpwi; Aussonderung des Samens. Die Alten nahmen ein Semen
muliebre an" Die Frage wird noch durch A. v. Haller in einem eigenen Kapitel
ventilirt (Elementa physiolog. VIII, pag. 24 § XIII Nun, lemmae suum semens.)
Hippocrales («01 vovn;, apocryph) nahm weiblichen Samen an , ebenso Democrii,
Anaxagoras bis' aJf (de Semine Lib. 1) , welcher die Beobachtung an einer
Wittwe machte. Auch de usu partus Lib. XIII cap. XI ivird die Lehre '°
muliebre breit abgehandelt, wobei jedoch kein Eipfiuss dieses Fluidums auf die
Zeugung angenommen wird. (Excret der Glandula Bartholim.
19
aussonderung heilsam, wenn sie nach Pausen geschieht, insofern
als dadurch das Gefühl von Schwere in der Bewegung und die
Verstimmung (des Kehlkopfs) aufgehoben wird. Viele bewegen
sich wenigstens nach dem Coitus leichter und gehen stolzer.
Manche sagen, die Verschwendung des Samens sei schädlich, denn
sie bewirke Schwäche und schade schon so; wenn der Coitus aber
nur wenig und zur rechten Zeit stattfinde, so nütze er sogar zu
etwas, nämlich zu einer leichten Menstruation. Wie nämlich die
Bewegung des ganzen Körpers Schwitzen zu verursachen, Ruhe
jedoch es zu dämmen und zurückzuhalten pflegt und wie eine
rednerische Kraftanstrengung in höherem Grade Aussonderung
des Speichels verursacht, der gewissermassen dem Hauche auf
dem Fusse folgt, so bewirkt auch die häufige Anstrengung der
weiblichen Geschlechtstheile bei den Liebeswerlcen eine gleich-
zeitige Erschlaffung des ganzen Körpers. So wird auch die
Gebärmutter locker und die Menstruation kann ungehindert vor
sich gehen. So haben viele während einer langen Wittwenzeit
nur tropfenweise und unter Mühen, nach einer Wiederverheiratung
jedoch wieder ohne Schwierigkeit menstruirt. Die castrirten
Säue werden allerdings fetter, doch dies kommt daher, weil sie
kein inneres Organ haben, welches die Funktion der Menses
ausübt. Wenn einer, der überhaupt keine Füsse hat, auch nicht
an Podagra leiden und ein Blinder nicht schielen kann, da das
Organ als Sitz der Krankheit fehlt, ebenso können natürlich auch
die, welche überhaupt keinen Uterus haben, nichts von den Be-
schwerden spüren, die durch ihn veranlasst werden. Die Jung-
frauen haben nun aber eine Gebärmutter. Wenn sie sich also
ganz der Umarmung enthalten, so ist zu befürchten, dass die
Thätigkeit der Gebärmutter bei ihnen ganz aufhört. Wenn
andrerseits behauptet wird, dass mit der Enthaltung vom Coitus
auch die Nachtheile des Gebäraktes wegfallen, so sagen sie da-
gegen, dass der Nachtheil der Enthaltsamkeit doch insofern viel
grösser ist, als die Menstruation erschwert ist. Solche werden
sicherlich fett und körperlich umfangreich, da der Stoff sich all-
mählich aufhäuft, der eigentlich durch die Reinigung aufgebraucht
werden sollte. Demnach ist also die Jungfrauschaft im Allge-
meinen schädlich.
§ 32. In dieser Weise suchen beide Ansichten ihre Be-
rechtigung zu beweisen. Wir meinen jedoch, dass dauernde
Jungfrauschaft der Gesundheit förderlich ist, weil der Coitus
überhaupt schädlich ist, wie ich bereits in meinem AVerke über
die Gesundheit ausführlich erörtert habe. Wir sehen ja auch,
dass unter den weiblichen Thieren die am Coitus gehinderten die
stärkeren sind, und dass diejenigen Weiber den Krankheiten
grösseren AViderstand leisten, welche durch gesetzliche oder
religiöse Rücksichten dem Coitus ferngehalten und zur Bewahrung
2*
20
der Jungfrauschaft gezwungen werden. Dass aber bei diesen die
Menstruation nur schwierig vor sich geht und dadurch vielfach
ein fetter und dicker Körper erzeugt wird, das hat seinen Grund
in der Trägheit und Ruhe des Körpers. Denn da die Mehrzahl
dieser in ihren vier Wänden unter Obhut gehalten werden, ent-
behren sie auch der körperlichen Uebungen und demnach auch
des hieraus entspringenden Wohlbefindens, dagegen befallen sie
die oben erwähnten Beschwerden.
Es ist somit zwar die beständige Bewahrung der Jungfrau-
schaft für beide Geschlechter gesund, aber das allgemeine Natur-
gesetz, nach welchem beide Geschlechter bei der Erzeugung der
Nachkommenschaft mitwirken sollen, setzt die sexuelle Ver-
mischung voraus. Doch darüber wird demnächst die Rede sein.
Kapitel VIII.
Wie lange muss das Weib die Jungfrauschaft
bewahren1)?
§ 33. Da der Mann nur Samen entleert, so erwächst ihm
keine Gefahr aus dem ersten Coitus; da düs Weib aber ausser-
dem noch den Samen aufnehmen und als’ Grundstoff zu einem
neuen Geschöpfe empfangen muss, ist Gefahr vorhanden, dass sie
zu früh oder zu spät als für diesen Zweck zuträglich ist, deflorirt
wird. Daher müssen wir auch diese Frage in Erwägung ziehen.
Manche sind der Ansicht, das Weib solle zweckmässig so
lange Jungfrau bleiben, bis sich der Drang zur Vermischung
geltend mache. Denn die Natur selbst hat Thieren und Menschen
Anreize und Triebe eingepflanzt und in Bewegung gesetzt, die
sich bemerkbar machen, wann die Begattung naturgemäss ein-
treten soll, indem der Körper dann heftig nach dem Genuss der
Liebe verlangt. Diese übersehen aber dabei, dass nur die Thiere
sich allein durch die Natur und Zufall bestimmen lassen, von
sich selbst aus aber nicht zur Erweckung der Begierden bei-
tragen. Daher ist auch ihnen grösstentheils der Termin zur
l) Das von einem unbekannten Sophisten verfasste Buch: de virginum
m orbis (Littrb, Hippocrate VIII, 467), schildert maniakalisclie ekstatische Zustände
bei Mädchen, gegen welche die Vermählung empfohlen wird.
Die Gefahren der Geburten älterer Primiparen hat die Neuzeit vollauf
bestätigt (Rumpe, Archiv d Gynäk. NX, 117. — Ahlfeld, ebenda IV, 510 —
Cohnstein, ebenda 499. — Win ekel, Berichte 1876, 2. Bd. pag. 229 — 237.
Das Wort pppa gebe ich mit „Bärmutter“. Man sehe hierüber Hyrtl,
die alten deutschen Kunstworte der Anatomie 1884 pag. 17. — Grimm, Deutsche
Mythologie int (neue Ausgabe 969).
Stazopiuaic = Defloration, wird edler mit Vermählung übersetzt als mit Ent-
jungferung.
21
Brunst vorher fest bestimmt, bei den Menschen steht er aber
keineswegs sicher fest, indem die Phantasie oft durch ungewohnte
üppige Vorstellungen erregt wird. Da ja Jungfrauen, welche
nicht züchtig erzogen sind, eben wegen der mangelhaften Er-
ziehung zu früh Begierden hegen, kann man sich auf jene Triebe
nicht verlassen. Vielmehr ist es förderlich, so lange in dem Zu-
stande der Jungfrau zu beharren, bis die Menstruation von selbst
eintritt. Denn dies beweist, dass der Uterus bereits fähig ist,
die ihm zukommende Thätigkeit auszuüben, wozu auch die Con-
ception gehört, wie ich oben erläuterte. Es besteht Gefahr, dass
Empfängniss stattfindet, solange die Gebärmutter noch nicht ganz
entwickelt ist; dann wird der Fötus bei dem Wachsthum des
Fruchthalters gedrückt (indem die Gebärmutter mit dem Embryo
im Wachsen nicht Schritt halten kann) und geht so entweder
ganz zu Grunde oder verliert seine eigentümliche Gestalt oder
versetzt auch zur Zeit der Geburt die Gebärende in die höchste
Gefahr, indem er durch die engen und noch nicht reifen Ge-
schlechtsteile um den Muttermund hindurchtritt. So kommt es
auch vor, dass manche Früchte Mangel an Nahrung leiden, indem
die Gebärmutter noch nicht mit genügend grossen Blutgefässen
durchzogen ist, sondern nur solche hat, welche ganz dünn sind
und nicht das zur Ernährung der Frucht nötige Blut verschaffen
können. Die Menstruation tritt nun zum ersten Male in der
Regel um das vierzehnte Jahr herum ein. Dies ist eine natur-
gemässe Erscheinung, die auch den richtigen Zeitpunkt der Ver-
heiratung anzeigt. Nicht ganz ohne Gefahr ist andrerseits die
Verheiratung, wenn sie erst in späten Jahren stattfindet. Denn
auch der Gebärmutterhals bleibt ganz ebenso wie die männlichen
Geschlechtsteile in unentwickeltem Zustande, wenn er die sexuellen
Funktionen nicht ausübt. Wenn sich nun der Samen in dem
Raume der Uterushöhle geformt hat und zum lebenden Wesen
gebildet ist, so können grosse Beschwerden, ja Lebensgefahr
dadurch entstehen, dass bei der Geburt die Frucht durch den
engen Hals nicht durchkommen kann. Nach diesen Erwägungen
ist demnach die Zeit, in welcher das zur Zeugung bestimmte
Organ die Fähigkeit gewinnt eine Empfängniss zu ertragen, auch
am geeignetsten zu der Vermählung.
Kapitel IX..
Die Zeichen der muthmasslichen Fruchtbarkeit1).
§ 34. Da die grosse Mehrzahl der Ehen nicht um der Wollust
willen, sondern der Erzielung von Nachkommenschaft wegen ge-
schlossen jwird, ist es ganz sonderbar, dass man dabei mehr aut
b Hierzu vergleiche man das Buch de sterilibus (Littre, Hippocrates Vlir, 408).
22
ahnenreiche Abstammung und Vermögen Gewicht legt, statt zu
berücksichtigen, ob die Frau zur Conception fähig und zum Ge-
bären gut gebaut ist. Hierüber müssen wir noch Einiges sagen.
Die wahrscheinliche Fruchtbarkeit setzt ein Alter von 15 bis
höchstens 40 Jahren voraus; die Frauen dürfen nicht viragines
(= Mannweiber), dick und derbknochig, aber auch nicht schlaff
und lymphatisch sein, denn der Uterus, der mit dem ganzen
Leibe in Sympathie steht, könnte bei zu grosser Härte leicht die
Aufnahme des Samens verhindern oder bei zu grosser Erschlaffung
und Schwäche ihn wieder ausfliessen lassen; der Uterus darf
weder zu feucht noch zu trocken, weder zu weit noch zu eng
sein; die Reinigung muss normal mit Blut geschehen, nicht mit
irgend einem abnormen leukorrhöischen Ausfluss, auch darf dabei
das Blut weder in zu grossen noch in zu kleinen Mengen fliessen ;
der Muttermund muss weit vorne und in gerader Richtung liegen;
denn wenn er schief und zu nahe am Schosse liegt, ist er weniger
zum Ansaugen und zur Aufnahme des Samens befähigt. Auch
müssen die Weiber leicht verdauen und dürfen nicht habituellen
Durchfall haben, müssen ruhigen Gemüthes und immer heiter sein.
Denn andauernde Dyspepsie erschwert die Empfängniss und der
Durchfall lässt den aufgenommenen Nährstoff nutzlos wieder ab-
gehen. Trauer und Leidenschaft aber stossen durch die Störung
der Respiration das Produkt der Empfängniss wieder aus.
§ 35. Die fruchtbaren Weiber zeigen nach der Ansicht einiger
Forscher weder Trauer noch Freude im Angesicht. Sie halten
diejenigen, welche die Farbe schnell — zumal ins Dunkelrothe —
wechseln , für weniger entsprechend. Denn solche besässen zu
grosse Hitze, welche sie einerseits von sinnlicher Lust ferne halte
und dunkelroth färbe, andrerseits auch gewissermassen den Samen
vertrocknet und vernichtet. Diokles giebt als ein ziemlich
sicheres und als erstes Zeichen der Fruchtbarkeit an, wenn die
AVeiber an der Hüfte und in den AVeichen recht fleischig und
breit, sommersprossig, dunkelblond (rothblond) sind und ein männ-
liches Aussehen haben, unfruchtbar dagegen seien die, bei denen
dies nicht zuträfe, welche zu mager, zu dürr oder zu fett, zu alt
oder viel zu jung seien. Das sicherste Zeichen gewänne man
aus der Anwendung von Suppositorien wie z. B. Harz, Raute,
Knoblauch, Koriander. Wenn der Geruch dieser Stoffe zum
Munde heraus käme, so könne man Fruchtbarkeit konstatiren,
im entgegengesetzten Falle sie leugnen. Euenor und Euryphon
liessen die Frauen auf dem Geburtsstuhl Platz nehmen und
räucherten mit denselben Mitteln. Alles dieses ist Schwindel.
Man kann fruchtbar sein, ohne dass man an der Plüfte sehr
fleischig ist, auch die Suppositorien sind trügerisch, da deren
Eigenschaften auch durch die hypothetischen Poren hinaufdringen
können und so keinesfalls die Fähigkeit zu empfangen voraus-
23
setzen. Auch Asklepiades behauptet, wenn man jemand, der
ein Geschwür am Schenkel habe, die Rautensalbe auflegc, so
werden deren Eigenschaften von dem kranken Körper angezogen
und vertheilen sich. Vor allem muss man zu erforschen suchen,
ob die Frau am ganzen Körper und an der Gebärmutter gesund
ist. Denn wie der dürftige Boden die Saat nicht reifen und
Früchte nicht hervorzubringen vermag, sondern vermöge seiner
schlechten Qualität die guten Eigenschaften der Pflanzen und
Samen verdirbt, so vermögen auch beim Weibe abnorme Organe
den in sie gedrungenen Samen nicht zu behalten, sondern ihre
eigene Krankheit zieht auch die Frucht mit in Krankheit und
Verderben. •
Kapitel X.
Ueber die zur Conception passendste Zeit
der Begattung l).
§ 36. Wie der Boden nur zu einer bestimmten Zeit die
Saat empfängt und Früchte trägt, so ist auch bei den Menschen
nicht zu jeder Zeit ist der Beischlaf zur Aufnahme des im Akte er-
gossenen Sperma geeignet. Damit die Begattung Erfolg habe,
muss sie zur günstigen Zeit geschehen, und so ist es nöthig, diese
Zeit näher zu bestimmen. Der Beischlaf, welcher zur Conception
führen soll, findet am besten zur Zeit der abnehmenden und auf-
hörenden Menstruation statt, wo Verlangen nach der Umarmung
vorhanden ist, wann der Körper weder ganz nüchtern noch voll
von Getränken und unverdautem Inhalt ist, sodann auch zur Zeit
der erfolgten Unction des Körpers, wenn nur ein geringer Im-
biss genommen ist und bei allgemeinem Wohlbefinden.
Wir sagten zunächst: zur Zeit der abnehmenden und auf-
hörenden Menstruation. Denn die Zeit vor der Menstruation ist
ungeeignet, da dann der Uterus arg durch den Andrang des
i) Die Hygiene der Suvoutna wurde von den Alten sorgfältig erörtert. Zur
weiteren Orientirung dienen:
Galen, Ars medica. Kap. XXIV.
Rufus, ed. Ruelle. pag. 318.
Oribasius ed. Daremberg et Bussemaker I, 540 (nach Rufus) und 668 mit
werthvollen Excerpten.
Hippocrat. de Superfötatipne (Littrö VIII 495) de Sterilibus Littre VIII, 408.
Aristoteles, Problem III, 33. Es wird ein starkes Frühstück, dagegen eine
kleine Coena empfohlen.
Palladius, Comment. ad. Epidem. VI, 5 (ed. Dietz).
Unction ('ArtollspaTuo) , Galen, de sanitate tuenda III wurde als eine Art
Massage zur Förderung der Digestion vielfach angewendet. Oribasius I 482 (nsoc
Tpt'iiuj; dnollipaTt£v-t-/.fj;). ‘
Herrschervon Kypros, Galen, de Cheriaca ad Pisonem (K ü h n XIV, 253).
Pneuma. Die Methodiker betrachteten den Pneumatiker Athenaeus als einen
der Ihrigen.
24
Stoffes beschwert ist und zwei entgegengesetzte Thätigkeiten
entfalten müsste, nämlich den einen Stoff ausscheiden und den
anderen in sich aufnehmen, was unmöglich ist. Wie nämlich der
mit irgend einem Stoffe beschwerte Magen bei Unwohlsein wohl
die Last durch Erbrechen von sich wirft, aber gegen Aufnahme
neuer Speise sich sträubt, ganz ebenso entleert auch die volle
Gebärmutter zur Zeit der Menstruation gerne das in ihr zusammen-
geflossene Blut, nimmt aber nicht zugleich den Samen auf und
behält ihn. Aber auch die Anfangszeit der Menstruation ist
wegen der allgemeinen Anstrengung ungeeignet, ebenso die
folgende Zeit der Zunahme und des Höhepunktes, weil dann der
Samen durchnässt und mit dem ausgesonderten Blute weg-
geschwemmt wird. Wie nämlich jede Wunde bei erfolgendem
Bluterguss sich nicht schliesst, sondern, abgesehen von einer
momentanen Verklebung, nach Eintritt der Blutung wieder aus-
einander klafft, so kann auch der Samen nicht in der Uterushöhle
ankleben, sondern wird von dem herausströmenden Blutstoffe aus-
gestossen. Die einzig geeignete Zeit zur Befruchtung ist die der
nachlassenden Menstruation, dann ist die Gebärmutter entlastet
und Wärme und Feuchtigkeit stehen in harmonischem Verhält-
nisse. Doch ist wiederum die Anklebung des Samens unmöglich,
wenn nicht die Gebärmutter vorher wieder rauh geworden und
gewissermassen in der Höhle ausgereinigt ist. Wie bei Kranken
die Speise, welche zur Zeit des Nachlassens der Krankheit ge-
nommen ist, vor dem Anfalle behalfen, aber bei einem Anfalle
wieder erbrochen wird, so wird auch nur der Samen ganz sicher
festgehalten, welcher zur Zeit der abnehmenden Menstruation
eingedrungen ist. Wenn nun auch manche schon zu einer anderen
Zeit und zumal, wann die Reinigung nur gering floss, concipirten,
so kann man doch von diesen Ausnahmen abstrahiren und den
aus der Theorie der Kunst genommenen Termin annehmen.
§ 37. Wir behaupteten ferner, es müsse Trieb und Verlangen
nach einem Coitus vorhanden sein. Wie der Mann nicht ohne
den Trieb zum Samenerguss kommen kann, so kann auch das
Weib nicht ohne ihn concipiren. Wie die Speise, welche ohne
Appetit oder gar mit Widerwillen genossen wird, nicht in ge-
höriger Weise oder auch gar nicht verdaut wird, so kann auch
der Samen nicht aufgenommen werden und die Schwangerschaft
herbeiführen, wenn Lust und Neigung zum Coitus fehlt. Wenn
trotzdem manche nach einer Vergewaltigung schwanger wurden,
so kann man dennoch dreist behaupten, dass auch bei diesen
das Verlangen vorhanden und nur momentan durch psychische
Aufregung übertäubt war, wie ja auch bei Leidtragenden viel-
fach Appetit vorhanden ist, diesen aber die Trauer wegen des
Unglücks nicht aufkommen lässt; später wenn das Gemüth sich
beruhigt hat, werden sie vom Hunger zur Nahrung gezwungen.
25
§ 38. Die richtige Zeit zur Liebeslust (Brunst), um Befruchtung
herbeizuführen, ist, wenn der Leib weder nüchtern noch voll ist.
Die Lust zum Coitus genügt nicht, es muss sich der Körper in
passender Verfassung befinden. Wie wir nämlich häufig auch
dann, wenn die genossenen Speisen unverdaut und verdorben im
Magen liegen, noch zu neuer Nahrung Appetit haben und, falls
wir diesem Verlangen nachgeben, diese Nahrung auch noch ver-
derben, so beweist das Verlangen nach dem Coitus noch nicht,
dass die rechte Zeit dazu vorhanden ist, sondern es muss auch
das Uebrige berücksichtigt werden. Denn diegeilen und liederlichen
Dirnen haben immer Lust zur Begattung. Der Körper darf nicht
schwach und matt sein, denn naturgemäss zieht der ganze Körper
auch seine Theile in Mitleidenschaft. So ist es wahrscheinlich,
dass eine schlaffe Gebärmutter auch ihre Funktionen nur in
dürftiger Weise ausübt, und die Conception ist eine Funktion der
Gebärmutter. Somit soll man den Beischlaf nicht ausüben, wenn
der Körper sich schwach fühlt oder wenn er (schwer) voll ist,
wie z. B. bei Anfüllung mit unverdauten Speisen und in der
Trunkenheit, und zwar erstens weil der Körper nur in normaler
Verfassung seine Funktionen zu verrichten vermag; in normaler
Verfassung ist er aber nicht zur Zeit der Anfüllung oder Trunken-
heit. Wie jede andere natürliche Funktion, so kann auch die des
Concipirens in solchem Zustande nicht stattfinden. Zweitens darf
der Körper nicht schwach oder beladen sein , weil er den auf-
genommenen Samen auch ernähren muss. Die Nahrung zieht er
aber aus dem zuströmenden Blute und dem Pneuma; in der
Trunkenheit und bei Unverdaulichkeit wird auch jeder Athemzug
mit verunreinigt und verdorben. Es ist also Gefahr vorhanden,
dass bei Verabreichung schlechter Nahrung auch der Samen
schlecht wird. Ferner kann durch die Trunkenheit ein Ueber-
mass von Stoff entstehen und dieses das Festwachsen des Samens
im Uterus hindern. Denn wie bei den Trunkenen der Wein
durch das häufige Aufsteigen der Gase das Zuwachsen von
Wunden erschwert, ganz ebenso wird aus gleichem Grunde das
Ankleben des Samens gestört.
§ 39- Wunderbarer weise hat auch der Zustand der Seele
Einfluss auf die Gestaltung des Empfangenen. So wurden solche,
die im Augenblicke des Coitus Affen sahen, mit affenähnlichen
V esen schwanger. Ein missgestalteter Herrscher von Kypros
zwang seine Gattin während des Coitus auf sehr schöne Statuen
zu blicken und erzeugte so schön gestaltete Kinder. Die Pferde-
züchter stellen beim ßespringen vor die Stuten edle Thiere. Auf
dass nun nicht eine Missgeburt dadurch geschehe, indem die
frunkenheit der Seele hässliche Bilder vorspiegelt, sollen die
krauen nüchtern sein, und dieses auch aus dem Grunde, weil die
inder der Mutter sowohl körperlich wie geistig ähnlich werden.
26
So wird einer Frau von stetigem Gemüthe, die nicht aus Trunken-
heit wahnsinnig ist, auch ein gleiches Kind geboren. Es ist ganz
unsinnig bei den Menschen anzunehmen, dass die Natur schon
für sich die Erzeugung schön gestalte, wenn auch der Samen
sich in Körper ergiesst, welche übermässig feucht und über-
schwemmt sind, während man doch sieht, dass der Landmann
seine Saat nicht auf feuchtem und sumpfigem Boden ausstreut.
§ 40. Nächst diesen wird als günstig die Zeit nach der
Salbung mit Oel angegeben, wenn nur ein geringer Imbiss ge-
nommen ist. Dieser wird dann heftigen Drang zum Coitus her-
vorrufen, indem die Lust zur Umarmung nicht durch Verlangen
nach Speise gehemmt ist, während die Salbung mit Oel das Fest-
halten des geflossenen Samens vorbereitet. Wie die Salbung die
vollständige Verdauung der Speise fördert, so unterstützt sie auch
das Aufnehmen und Festhalten des Samens. Sie bewirkt, dass
sich der Körper von den Ueberbleibseln der gestrigen Speise
entlastet und durch Reinigung sich in normales Wohlbefinden
versetzt. Wie auch der Landmann erst säet, wenn er den Boden
durch Reinigung und Ausrodung fremder Gewächse gehörig
präparirt hat, so rathen auch wir, erst nach vollzogener Salbung
die Besamung zum Zwecke der Zeugung vorzunehmen.
Wenn wir nun in dem Buche über die Hygiene behaupteten,
die beste Zeit zum Coitus sei die vor der Salbung, so widerspricht
das dem oben Gesagten nicht. Denn dort war im Allgemeinen
von jeder Art Coitus und von Männern die Rede, hier aber im
Besonderen davon, wie das Geschäft der Kindererzeugung am
besten zu betreiben sei. Denn wie das Salben an sich nach der
Aufregung des Coitus gesund ist, so ist es auch angemessen zum
Zwecke der Festhaltung des Samens der Ruhe zu pflegen.
§ 41. Einige alte Aerzte bestimmten auch den Termin nach
äusseren Zufälligkeiten. So hielten sie die Zeit des \ ollmondes
für besonders günstig. Denn die irdischen Dinge ständen im
Connex mit den kosmischen; wie die meisten Meeresgeschöpfe
zur Zeit des Vollmondes fett, zur Zeit des abnehmenden Mondes
schlecht genährt seien und wie die Leberlappen der Hausmäuse
zur Zeit des Vollmondes grösser, kleiner zur Zeit des abnehmenden
Mondes seien, so sei bei uns und auch bei den Thieren die dem
Samen innewohnende Kraft zur Zeit des Vollmondes bedeutender
als zur Zeit des abnehmenden Mondes. Ferner sei zur Erzielung
der Conception ganz besonders die Frühlingszeit geeignet. Denn
im Winter würde der Körper hart und fest und der Samen zur
Empfängniss wenig brauchbar; träte sie doch ein, so bliebe der
Samen ohne Nahrung, ganz ebenso wie es der Saat in der Erde
erginge, die ebenfalls im Winter nicht hervorschiessen könne.
Unter den Thieren gedeihen wenig die im Winter geborenen.
27
Der Sommer dagegen lasse durch grosse Verdunstung alles welken,
den Samen, die Geschlechtstheile und überhaupt den ganzen Körper.
Doch dies wird durch die Thatsachen selbst ohne weiteres
widerlegt. Denn zu jeder Zeit konstatiren wir den Eintritt von
Conception und Geburt. Wenn einige, sich im Sommer, andere
im Winter weniger wohl befinden, so ist daran nicht ehe Jahre
zeit, sondern die Körperkonstitution schuld. Im Allgemeinen
empfehlen wir die Zeit, wo sich der Körper weder zu leer noci
zu voll, sondern in jeder Beziehung wohl fühlt. Wenn aber
unser körperliches Befinden von dem Mondwechsel abhängig
wäre, so hätten wir dies jedenfalls auch schon bemerkt wie bei
den Mäusen und Austern. Da nun eine derartige Beobachtung
bis jetzt nicht hat gemacht werden können, ist diese Lehre trotz
ihres glaubwürdigen Scheines als falsch zu verwerfen.
K apitel XI.
Ist die Conception der Gesundheit zuträglich?
§ 42. Manche sind der Ueberzeugung, die Conception sei
gesund, weil jede natürliche Thätigkeit heilsam sei, und die
Conception sei eine natürliche Thätigkeit. Ferner würden manche,
die nur schwierig menstruirten und von Druck im Uterus gequält
würden, nach der Empfängniss von diesen Leiden befreit.
Dagegen ist zu erwidern, dass auch die Menstruation eine
physiologische Funktion und trotzdem nicht gesund ist, wie
wir bereits erörterten. Das, was nützlich ist, ist darum noch nicht
immer gesund. Freilich sind Menstruation und Conception für
die Entstehung der Menschen förderlich, trotzdem sind sie der Ge-
sundheit der Schwangeren nicht zuträglich. Die, welche schnell
empfangen, werden von früheren Gebärmutterbeschwerden nicht
befreit; wenn sie aber davon befreit sind, dann empfangen sie.
Und selbst zugegeben, die Conception beseitige jene Beschwerden,
so wäre sie doch nur ein Heilmittel gegen Krankheiten, nicht
schon ein Mittel zur Erhaltung der Gesundheit, wie man ja auch
vom Aderlass noch nicht behaupten wird, dass er gesundheitlich
zuträglich ist, weil er Krankheiten beseitigt. Nach dem was
vorausging, muss man erwähnen, dass die Schwangerschaft zu-
nächst viele Beschwerniss und Unannehmlichkeit mit sich führt
l) Hier ist zu vergleichen: Hippocrates, de morbis virginum icepl TOxp&svtu>v
(Litti fe VIII, 467). Hier wird den mannbaren Mädchen bei auftretenden nervösen
und psychischen Störungen empfohlen , sich möglichst bald zu vermählen , da sie
durch die Gravidität gesundin werden (xsXsucu ö’Eycuys tä; itapihvouc, öxoxtxv xo
xotoOxov Ttdsyajaiv, ö; xäywxa £uvowrj<roct avSpebi«, 1 jv yap xunoiuatv, üyüsc ylvovxa').
28
und krankhafte Gelüste erzeugt. Bald muss man erfahren, dass
die Nahrung, welche für e i n lebendes Wesen vollkommen hin-
reicht, zur Ernährung und Entwickelung zweier Wesen dienen
muss, so dass der Schwangeren nicht mehr genügende Nahrung
bleibt. Denn die Speise, welche dem Foetus zugeführt wird, wird
nothwendigerweise der Schwangeren entzogen. Auch kann sie
nicht im Aerhältniss zum A erbrauch mehr Nahrung zu sich neh-
men, da die Verdauungsfunktion nicht eine Ueberlastung erträgt.
W enn die Schwangere also nur so viel zu sich nimmt, als sie ver-
dauen kann, so wird dasjenige, was von der verdauten Speise dem
Foetus zu Gute kommt, ihr entzogen. Was aber eine Entziehung
bewirkt, ist nicht gesund, somit ist also auch die Conception nicht
gesund. Dass die Schwangerschaft Abmagerung, Schwäche und
frühes Altern verursacht, lehrt schon der Augenschein der That-
sachen, dafür spricht aber auch noch die Aehnlichkeit mit dem
Acker, der durch das rasch aufeinander folgende Zeitigen von
Früchten derartig mitgenommen wird, dass er nicht mehr jedes
Jahr Früchte zu reifen vermag.
Kapitel XII.
Die Zeichen der Conception.
§ 43. Der Name „Empfängniss“ (avXh^is, conceptio) be-
zeichnet das Festhalten des Samens, der Name „Schwangerschaft“
(xv?]Ois) dagegen das Verborgensein ( yevfh]<ns ) desselben. Denn
bergen ( y.evöetv ) ist so viel wie „verhüllen, verstecken“ (y.Qvjixeiv).
Wir definiren also die Empfängniss als das dauernde Festhalten
(sich bemächtigen) von Samen, oder eines oder mehrerer Em-
bryonen in der Gebärmutter durch natürliche Ursache.
Ich sage „sich bemächtigen“ (y.Qccx^ois), denn die Conception
ist ein Festhalten ( y.axoyj ]).
„Auf die Dauer“: denn bisweilen wird der Samen nur
flüchtig festgehalten und bald wieder ausgestossen (ausgehustet!),
das ist aber keine Empfängniss.
„Des Samens oder des Embryo“: denn in den ersten
Zeiten, wo der Zeugungssaft (yovog) noch formlos ist, ist nur von
Conception des Samens die Rede. Wenn sich hierauf der In-
l) oüat? Geschöpf, so gebraucht es Sophokles, Electra 325 ^T/jv srjv ouatuov, sx
TiaTpO? TCIUTOÜ tp'-ITtv“.
Hippocrates, de sterilibus Lib. III, 215 (Littrö VIII, 417) gibt als Signa gra-
viditatis: Die Augen sind tief und eingesunken, die Sklera ist bläulich. Im Ge-
sichte findet sich „stpnpic“ ; anfangs besteht Widerwillen gegen den Wein, der Appetit
weicht, es zeigt sich Herzklopfen und Salivation.
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halt der Gebärmutter (ro y.axä yaoTQug) geformt hat und kein Same
mehr ist, besteht doch die Conception fort, aber als die des
Foetus, nicht mehr des Samens. Denn der Same verwandelt sich
in ein Geschöpf ((fvaig)- endlich auch Seele und hört als Samen
ganz auf.
Deswegen unterscheiden auch manche bei der Conception die
Anfangszeit als die Zeit der Unreife von der nächsten als der
Zeit der Reife. Um gleich beide Arten der Conception zu be-
zeichnen, sagten wir vorher: des Samens oder der Embryo und
fügten auch noch „Embryonen“ hinzu, weil bisweilen eine Con-
ception von Zwillingen und Drillingen stattfindet.
„Inder Gebärmutter“: denn nicht in jedem Organ kann
das dauernde Festhalten des Samens stattfinden, sondern nur in
dem Fruchthalten (vozeQq.) Es wird der Samen auch wohl mal in
den Samengängen festgehalten, er bleibt auch, aber es tritt nicht
Conception ein.
Endlich muss der Vorgang, naturgemäss, normal sein. In den
Fällen, wo der Samen für eine Dauer im Uterus dadurch zurück-
gehalten wird, dass der Gebärmuttermund sich aus Kälte geschlossen
hat, oder dieses mit dem Embryo bei Schwergeburten geschieht,
kann nicht von Conception die Rede sein. Dies ist kein nor-
maler, sondern ein pathologischer Zustand.
Das „Aufnehmen“ (analepsis) ist auch wieder was anderes
als das „Empfangen“ (conceptio). Unter Aufnehmen versteht man
das Eindringen des Samens bis in die Uterushöhle, unter Em-
pfangen den auf dieses Eindringen folgenden Akt des Festhaltens
und Anklebens. Die Aufnahme hat es nur mit dem Samen, das
Empfangen auch mit dem Embryo zu thun.
§ 44. Nach dieser Feststellung kommen wir zu der Behaup-
tung Mancher, dass die Conception ohne subjektive Erscheinungen
vor sich gehe. Nach unserer Meinung muss man aus mehreren
Anzeichen, die zu gleicher Zeit auftreten , mit Bestimmtheit den
Eintritt der Conception merken, so z. B. daraus, dass das Weib
gegen das Ende des Coitus ein Schaudergefühl befällt und der Ge-
bärmuttermund weich geschlossen erscheint. Bei Erkältungen und
Entzündungen schliesst er sich zwar auch, aber hart und derb.
Ferner verräth sich die Conception dadurch, dass die weibliche
Scham gar nicht oder nur sehr wenig mit dem Samen befeuchtet
ist, indem die übrige Flüssigkeit nach oben steigt. Nach einiger
Zeit erfolgt dann das Ausbleiben der monatlichen Reinig-ung oder
sie beginnt nur kurze Zeit zu fliessen, Gefühl von Schwere im
Becken, ganz unmerklich nehmen die Brüste zu unter einem Ge-
fühl gelinden Schmerzes, es tritt Brechneigung auf, die Venen
der Brust erscheinen gefüllt und bläulich, es zeigen sich gelbe
Ränder um die Augen, bisweilen treten auch schwarze Flecken
aut der Haut des Gesichtes auf und auch die sogenannte Ephelis.
30
Danach kommt die „Kissa“ und fortschreitende Ausdehnung des
Unterleibes, bis schliesslich die Schwangere die Bewegung der
Frucht spürt.
Kapitel XIII.
Die Merkmale, aus denen die alten Aerzte das muth-
massliche Geschlecht der Frucht bestimmten.
§ 45. Hippokrates behauptet, männlich werde das Kind,
wenn die Schwangere von guter Farbe und leichter Bewegung,
wenn die rechte Brust grösser, mehr angeschwollen und voller
sei und die Warze mehr hervortrete, weiblich würde dagegen
das Kind, wenn bei gleichzeitiger Blässe im Gesicht die linke
Brust und wieder besonders deren Warze in höherem Grade
angeschwollen sei. Eine falsche Voraussetzung hat Hippokrates
zu dieser Behauptung verleitet. Er glaubte nämlich, der auf der
rechten Seite des Uterus concipirte Samen erzeuge ein männ-
liches Kind, der auf der linken Seite concipirte dagegen ein weib-
liches. Diese Ansicht haben wir bereits in dem physischen Ab-
schnitt unserer Schrift über die Erzeugung der Thiere widerlegt.
Andere wieder behaupten, wenn die Frucht männlich sei, so
fühle die Schwangere heftigere und stärkere Bewegungen, bei
einer weiblichen Frucht dagegen spüre sie nur langsame und
matte Bewegungen, während sie selbst sich nur schwerfällig be-
wegt und mehr Ekel (vor Speisen) empfindet. Das Schwanger-
sein mit männlichen Kindern erzeuge durch fleissige Bewegung
der Frucht ein gesundes Aussehen, das Schwangersein mit weib-
lichen Kindern dagegen durch die Unthätigkeit der Frucht schlech-
ten Teint. Alles dieses ist recht schön erdacht, aber nicht wahr,
denn in Wirklichkeit sehen wir bald das eine, bald das andere
eintreten.
1) Die Stelle der Hippokratischen Sammlung findet sich in dem Buche „de
sterilibus“ (Littre VIII, 417). „Die Schwangeren, welche Flecken im Gesichte
haben, tragen Mädchen, die aber, die einen guten leint behalten, tragen meistens
Knaben. Wenn die Brustwarzen nach oben stehen, ist das Geschlecht männlich,
wenn nach unten weiblich. Man nimmt Milch von der trau, macht mit Mehl ein
Brot daraus und backt es bei gelindem Feuer, wenn es anbrennt, wird es ein Knabe;
wenn es aufgeht, ein Mädchen.“ Nach Ermerins dürfte der "\ erfasser des Buches
ein nachhippokratischer Jatrosophist gewesen sein. (Ermerins Hippocratis Reliquiae
II p. LXXXVII, Prolegomena.)
31
Kapitel XIV.
Die Pflege der Frauen, welche concipirt haben.
§ 46. Bei der Pflege der Schwangeren sind drei Zeitab-
schnitte zu berücksichtigen. Die Behandlung der ersten Zeit hat
sich auf die Bewahrung des eingedrungenen Samens, die des
zweiten Zeitabschnittes auf die Milderung eintretender Zufälle, wie
z. B. der Gelüste zu richten und die des letzten Zeitabschnittes,
der fast mit dem Geburtsakt zusammenfällt, hat die Ausbildung
des Embryo und die Erleichterung des Gebäraktes zu fördern.
Was zunächst die erste betrifft, so muss man jede übermässige
Erregung und Bewegung des Körpers und der Seele vermeiden.
Den Abgang des Samens befördern: Furcht, Trauer, plötzliche
Freude und überhaupt jede starke Gemüthserregung, anstrengende
Turnübungen, gewaltsames Anhalten des Athems, Husten, Niesen,
Schläge, Fallen, zumal auf die Hüften, das Heben von Lasten,
Springen, harte Sitze, der Gebrauch von Arzneien, zumal scharfer
und niesen verursachender Mittel, mangelhafte Ernährung, Ver-
dauungsstörung und Trunkenheit, Erbrechen, Durchfall, Bluten
aus der Nase oder sonstwo, Blutflüsse, Erschlaffung durch er-
hitzende Agentien, durch heftiges Fieber, Frost und Krampf, kurz
alles, was eine so heftige Bewegung verursacht, dass dadurch
eine Fehlgeburt entsteht. Alles dieses müssen wir, soweit es m
unseren Kräften steht, verhüten. Die Frau mag nach der Con-
ception ruhig für einen oder zwei Tage im Bette bleiben unter
geringem Gebrauch von Salbe, auf dass sich der Appetit wieder
hebt und die genossene Nahrung im Körper bleibt; die Ober-
bauchgegend darf dabei nicht gerieben werden, damit nicht durch
die lokale Erschütterung der bereits angeklebte Samen wieder
abgetrieben wird; salben soll man sie mit Oel, das soeben aus
grünen, noch unreifen Oliven gepresst ist, ihre Nahrung muss
aus Mehlspeisen bestehen und darf nur gering sein. In’s Bad
soll man sie in den ersten sieben Tagen nicht schicken. Denn
indem es dem schwächer gewordenen Körper gegeben wird, wird
das Bad auch den noch lockeren Samen auflösen , man müsste
denn schon der Ansicht sein, dass das Bad, obwohl es noch nicht
festgeschlossene Wunden aufklaffen macht und die festesten Ath-
lethenkörper lockert, doch nicht im Stande sei, den Samen aus-
1) Hier ist zu vergleichen Paulus Aegineta Lib. I, Kap 1
fach mit Oribasius III, 98 stimmt. Es dürfte von beiden Galen
worden sein.
welche Stelle viel-
und Rufus kopirt
rP(J . Knoblauch, Zwiebel, Lauch = cxopoS«, xpApa. itpcba werden bei den Alten
CelsuTlTgCanUSa?-men ,besProc>T- so z' B- Oribas. I, 249 als erhitzende Mittel:
med! V ,29P' 7' ~~ S‘m0n S h Pag‘ I0° (6d' Langkavel) pseüus, Carm. de re
32
zuwaschen, der von weicher Konsistenz ist und eine neugebildete
Substanz darstellt. In Uebereinstimmung hiermit ist auch der
Genuss des Weines für eine gleiche Anzahl von Tagen zu ver-
bieten , damit die Verdauung nicht gewaltsam und stürmisch vor
sich gehe. Wie die Knochenbrüche nur bei absoluter Ruhe
wieder mit den Körpertheilen verwachsen, so wächst auch der
Samen im Uterus nur dann sicher und fest an, wenn jede mög-
liche Erschütterung vermieden wird. Andererseits darf man bei
diesem Verfahren nicht zu lange beharren, es könnte sonst mit
dem Körper, der unter der andauernden Enthaltung von Wein
und Speise leidet, auch die Gebärmutter geschwächt werden. All-
m äh lieh muss das Verfahren geändert werden. Schon am
zweiten Tage kann man sie auf einem Stuhl oder Sessel sitzen
lassen; nicht zu empfehlen ist das Fahren auf Wagen, da dies
den Körper zu stark erschüttert. Dann erlaubt man langsames
und gemächliches Spaziergehen, das sich allmählich von Tag zu
Tag etwas weiter ausdehnen kann, und Speisen mittlerer Qualität,
wie nicht zu fette Fische, mageres Fleisch und mildes Gemüse.
Alles Bittere und Scharfe ist zu verbieten, so Knoblauch, Zwiebel,
Fauch, Pökelfleisch, kurz alle scharfen Speisen. Jene faulen
zwar leicht, aber die scharfen Speisen erregen Blähungen, sind
reizend und bewirken dünnen Stuhlgang, weswegen wir sie auch
bei chronischen Krankheiten, z. B. bei Verhärtungen, verordnen.
Es ist unbegreiflich, wie man nicht einsehen will, dass Speisen,
welche ausspülen, mager machen, schwächen, die ganze Konsti-
tution vertrocknen und die grössten Verhärtungen zertheilen, dann,
wenn sie durch die Verdauung der Uterusgegend zugeführt werden,
den Samen, der noch ganz schleimig und noch nicht fest geronnen
ist, noch viel eher zum Schmelzen bringen. Auch des Beischlafs
soll man sich enthalten, denn dieser erregt den ganzen Körper
und zumal die der Ruhe bedürftige Gebärmuttergegend. Wie näm-
lich der Magen im Zustande der Ruhe die Speise in sich behält,
jedoch wenn er erschüttert wird, oft durch Erbrechen von sich
giebt, so behält auch die Gebärmutter den Samen nur dann, wenn
sie nicht erschüttert wird, lässt ihn jedoch wieder heraus, wenn
sie in unruhige Bewegung versetzt wird. Das Bad kann wärmer
genommen werden, sowohl bezüglich der Luft als auch des Wassers,
doch ist längeres Verweilen darin und vieles Schwitzen zu ver-
meiden, damit der Körper nicht entkräftet und matt wird. Auch
darf es unter Umständen kalt sein, doch so, dass nicht das Ge-
fühl des Schauders hervorgerufen wird. Nach der Salbung darf
man nicht eher wieder essen, bis sich der Körper wieder beruhigt,
die Athemstörung und die Erregung der Körpersäfte (des Ge-
fässsystems) sich wieder gelegt haben. Später soll man für längere
Zeit zuvor Wasser oder auch, aber nur wenn man es gewohnt
ist, ein kleines Maass leichten Weines trinken.
33
§ 47- Glaube nur ja keiner, dass wenn trotz der Ueberschrei-
tung einer oder aller dieser Vorschriften ein Abortus nicht statt-
findet, die Frucht überhaupt gar nicht gelitten hat. Vielmehr
bleibt die Frucht dann leicht ungeboren oder klein und schlecht
genährt, im Allgemeinen schädlichen Einflüssen leichter zugäng-
lich, eine Missgeburt an Leib und Seele. Wir sehen, dass die
Häuser, welche auf festem Fundament errichtet sind, lange Zeit
unerschüttert stehen, dagegen die auf schadhafter und loser
Grundlage erbauten bei dem geringsten Ansturm leicht Zusammen-
stürzen. So gestaltet sich auch die Schöpfung der lebenden Wesen
je nach den Elementen und Grundlagen verschieden, durch die
sie gestützt werden.
Dass eine Ausstossung des Samens stattgefunden hat, merkt
man an der Nässe der Mutterscheide. Nun wird man nach einer
Abhilfe verlangen , damit nicht zum zweiten Male die Conception
missglückt. Zu diesem Zwecke ist die körperliche Bewegung,
wenn sie schuld war, zu beseitigen, das Gemüth zu beruhigen,
falls Lebenssorgen dasselbe aufgeregt haben, und sind zugleich
mit dem ganzen Körper die Geschlechtstheile zu stärken, wenn
die Schwäche von der Gebärmutter ausging.
So muss das Verhalten in der ersten Zeit der Conception sein.
Im Verfolg der Schwangerschaft tritt dann die sogenannte „Kissa“
auf, über die das folgende Kapitel handeln wird.
Kapitel XV.
Gelüste der Schwangeren (xiooa).1)
(Pica, Malacia, Pseudorexia.)
§ 48. Den Namen der Krankheit leiten einige von dem
gleichnamigen Vogel (xiooa, pica, Eichelhäher [Garrulus glan-
danusj ab. "Wie der Häher in buntem Gefieder schillert und die
mannichfaltigsten Laute ausstösst, so zeitige auch das in Rede
Eichelhäher (Garrulus glandarius). Aristoteles, Thierkunde (ed Aubert
an ieIimTer) 9\ ”Der Eichelhäher ^sst sehr verschiedene Stimmen hören
an jedem Tage, konnte man sagen, eine andere.
Oliven, cfr. Alexander von Tralles II, 464 ed Puschmann
auch L »■ »’ «* *»»*• — . vielleicht
xiooa = Pica, malacia, pseudorexia wird von den Alten mit besonderer Ge-
nauigkeit erörtert ; so Hippocrates, de morbis mulierum (Littre VIII, 79) Aristoteles
Aet üs TTT3^ VI1, Cap‘ 4’ § 29- Galen, de Symptom, causis Lib. I (Kühn VII 133)’
Aetius III. Sermo 1, cap. 23. Paul. Aeginet. Lib. I, cap. 1. V ’ 33j‘
Aristoteles nennt den Zustand xtoträv und behauptet dass die n-elücte k«;
her,iser —■ ^
Soranus: Uebcr die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes.
34
stehende Symptom die verschiedensten Gelüste. Andere wieder
leiten den Namen von „xlooos“ (Epheu) ab, der ebenfalls in seinen
Umschlingungen mannigfaltig sei.
In der Regel beginnt die Pica bei den Schwangeren unge-
fähr am 40. Tage und dauert dann höchstens vier Monate lang;
doch ist auch Anfang und Ende bei den Einzelnen verschieden,
bald früher, bald später, selten dauert sie bis zum Moment der
Geburt. Bei Manchen tritt sie überhaupt gar nicht auf. Das
Leiden äussert sich durch Aufstossen von Flüssigkeiten und über-
flüssige Nässe im Magen, Ueblichkeit und Appetitlosigkeit bald
für alle, bald nur für die eine und andere Speise, Verlangen nach
ungewöhnlicher Nahrung, wie z. B. nach Erde, Kohlen, sauren
Weintrauben, unreifem und saurem Obste. Bei Manchen zeigt
sich ferner noch ein periodisches Erbrechen von allem Genossenen,
Druckgefühl, Schwindel, Kopfschmerzen, Abfluss einer Menge
roher Säfte (Lienterie), Blässe, Abmagerung, harter Stuhlgang,
bei einigen verbunden mit Spannung des Magens, Brustschmerzen.
Bisweilen erfolgt auch leichtes Fieber und Anschwellen der Brüste.
Die angespannten Gefässe zeigen bald eine grünliche, lauchartige,
bald eine schwarzblaue Farbe. Einige bekommen auch die Gelb-
sucht.
§ 49. Sobald sich die ersten Anzeichen des Leidens zeigen,
soll man Enthaltsamkeit von Speisen für einen Tag anempfehlen,
damit der Magen dadurch, dass er nicht zu seinen natürlichen
Verrichtungen veranlasst wird, ungestört in Ruhe gehalten werde.
Man soll dabei nicht die allgemeine Anschauung beachten, dass
man möglichst viel Nahrung darreichen müsse, da zwei Wesen
zu ernähren seien. Denn jede nicht zu gehöriger Zeit verabreichte
Speise verdirbt, sie ernährt nicht nur nicht, sondern schadet oben-
drein noch dem Körper der Erwachsenen, wie auch dem Samen,
der eben erst Konsistenz gewonnen hat. Deswegen ist Enthal-
tung am Platze. So bekommen Schiffer, welche einen Tag
vorher fasten, die Seekrankheit überhaupt nicht oder doch nicht
in heftigem Grade.
An den nächsten Tagen kann die Behandlung mit Salben Vor-
gehen, man darf leicht verdauliche Speisen in geringen Quanti-
täten gestatten, z. B. ein weiches Ei, Brei, kleines Stück von
magerem Geflügel und zum Irinken Wasser, nur wenig', aber
kaltes, wenn man daran gewöhnt ist, damit der Magen nicht über-
schwemmt werde. An den folgenden Tagen muss man vor dem
Gebrauch der Salbe den Körper mit weichem Linnen solange
zart reiben, bis er sich rnässig röthet. Nach Verlauf einiger Tage
kann man dann schon ein wärmeres Bad verordnen, ferner mass-
vollen Genuss leichten Weines, Umhertragen, das zuerst in der
Sänfte und im Sessel, dann im Wagen stattzufinden hätte, Spa-
35
zierengehen, lautes und deklamatorisches Lesen, gymnastische
Spiele, wie z. B. Tanzen, Werfen mit dem Ledersack und dem
Balle, Frottiren. Zur Stärkung des Magens ist es gut, trockenes
Waizenbrod zu essen. So wird der Körper leicht von den Be-
schwerden der „Kissa“ befreit. Ist die Vornahme eines täglichen
Bades nicht möglich, so rathen wir doch, jeden zweiten oder
dritten Tag zu baden.
§ 50. Ist der Brechreiz heftig und der Magen mit Flüssig-
keit gefüllt, so wende man feuchte, zusammenziehende Umschläge
um Magen und Unterleib mittelst frischen aus unreifen Oliven
gepressten Oeles an und schlage obendrein noch wollene Decken
herum. Oel aus Rosen, Quitten, Myrten, Mastix oder Nardus
bereitet, stärkt wieder den erschlafften Magen, oder Applikation
einer Cerat-Salbe mit solchen Stoffen gemischt. Bedarf es aber
wegen eingetretenen Erbrechens einer stärkeren Zusammenziehung,
so müssen Umschläge gemacht werden, wie trockene Datteln,
welche vorher ein geweicht oder in herbem Wein oder Essig ge-
kocht sind, und auf dieselbe Weise gekochte Quittenäpfel, welche
entweder allein oder in Verbindung mit den Datteln oder einer
der vorher erwähnten Ceratsalben in Anwendung kommen. Wir
können die Wirkung dieser Mittel noch erhöhen, indem wir hin-
zufügen: feuchten oder trockenen Alaun, Aloe, Mastix, Rosen,
Saffran, Weinbliithe, Schale des Granatapfels, unreife Oliven,
Galläpfel, Hypocistis, Akazien-Gummi, feines Gerstenmehl. Wenn
das Erbrechen und Auswerfen der Speisen andauert, thut man
gut, die Extremitäten zu binden, denn zugleich mit der Ein-
schnürung dieser zieht sich auch der Mag-en zusammen, oder
dieselben in siedend heisses Wasser zu tauchen, was ebenfalls
adstringirend wirkt. Auf den Magenmund setze man einen breiten
Schröptkopf, den man stark erwärmt applizirt; nützt dies nicht,
lege man noch einen zweiten auf den Rücken. Denn diese
hemmen in ähnlicher Weise den Magenfluss. Wenn der Fluss
Schmerz verursacht, soll man ein zusammenziehendes, warmes
Kataplasma machen, so z. B. geschrotenes Mehl mit Essig zumal
aus Gerste und ungesiebtem Waizen.
§ 51- Vor allem aber soll man Speisen verordnen, die dem
Magen genehm sind, leicht von ihm verdaut werden und nicht
leicht gähren, wie weiche Eier und Waizengraupen, die mit kaltem
Wasser oder Essig oder mit dem Samen der Granatäpfel zu ge-
messen sind, ferner ganz weiches, feines Gerstenmehl, besonders
in der Gestalt von Reis; mageres Geflügel mit mürbem Fleische,
wie z. B. ein Haselhuhn1), eine wilde Taube, ein Steinhuhn, wilde
Enten, Krammetsvögel, Amseln, Tauben, Flühner und von diesen
l) Aristoteles, ed. Aubert und Wimmer I, 88.
3*
36
hauptsächlich das Bruststück; von Wild Hasen- und Rehfleisch,
ausserdem noch junges Ziegenfleisch und von zartem Schweine-
fleisch den Rüssel, Füsse, Ohr, Gebärmutter; von Seethieren
gleichfalls nur solche mit festem Fleisch, wie z. B. Seebarben,
Langusten, Garnelen, Schnecken, Austern, Riesenmuscheln, Pur-
purschnecken; von Gemüsearten die Cichorie roh und gekocht, Ra-
punzel, Portulak, Wegerich, wilden Spargel ; von Konserven end-
lich die mit Salz eingemachten Oliven und Quittenäpfel, beson-
ders in gebratenem Zustande. Denn alles Rohe ist schwer zu
verdauen; sobald es aber im Wasser gekocht ist, verliert es zum
Theil das zusammenziehende Prinzip, wird es dagegen zerquetscht
und geröstet, so behält es seine Kraft und ist obendrein noch
leicht zu verdauen. Will man nun Gekochtes essen, so soll man
es so kochen, dass man es auf Rohrhalme legt oder irgendwie
authängt, dass es das Wasser nicht berührt, sondern durch die
aufsteigenden Dämpfe allmählich gekocht wird. Man kann auch
Birnen, Mispel, Arlesbeeren (Sorbus domestica), Weintrauben
empfehlen und zwar entweder aus dem Topfe, oder vorher aufge-
hängt (getrocknet, Rosinen). Denn die frische Traube blähtauf.
Ferner sind auch Mandeln zu gestatten. Nur darf nichts von
allem diesem leckerhaft zubereitet sein. Denn das Komplizirte
und Gekünstelte in der Zubereitung verlangsamt die Verdauung
und verdirbt die Speisen leicht.
§ 5 2. Sollte sich im Magen vor dem Essen eine Flüssigkeit
angeschoppt haben, so soll man nicht verhindern, dass der Magen
diese ohne jede Mithilfe aufstossen lässt und durch Erbrechen
herauswirft. Denn wenn der Magen nicht vorher ganz ausgeleert
ist, so kann die Speise leicht verderben. Einige von denen, welche
anderer Ansicht sind, schrieben vor, zunächst lauwarmes Wasser
zu trinken und dann die Finger in den Hals zu stecken und so
das Erbrechen zu erzwingen. Auch sagen sie, wenn die über-
flüssige Feuchtigkeit scharf und brennend sei und den Magen
anätze und brenne, so solle man den Aufguss oder Dekokt von
Portulak trinken oder Portulak essen, ferner empfehlen sie Me-
lonen und Gurkensamen mit Wasser vermischt, süssen Kreter-
wein oder Stabwurz oder Wermuth oder den Abguss von dem
syrischen Nardus oder den kretischen Bocksoriganon. Ist die
Feuchtigkeit aber dicker und zäh , so verordnen sie R.ettig zu-
sammen mit Essigmeth und mit Pökelfleisch und ein Senfmittel
und Isop, welches in Meth abgekocht ist. Dies ist jedoch alles
planlos. Denn nicht die verschiedenen Zustände der Säfte, sondern
die verschiedene Konstitution des Körpers muss man berück-
sichtigen. Ausserdem sind Rettige schwer zu verdauen, bläht
1) cfr. Alexander Trall II, 464.
37
der süsse Wein auf und befördert der Wermuth den Abortus.
Es ist also vor dessen Verabreichung zu warnen.
§ 53. Die Begierden der Schwangeren nach schädlichen
Sachen muss man zunächst durch mündliche Vorstellungen einzu-
dämmen suchen, indem man sie belehrt, dass jene Dinge ihrem
Magen und damit auch dem Foetus schaden, weil ihm damit nicht
eine reine und angemessene Nahrung zugeführt werde, sondern eine
solche, welche nur einen ungesunden Körper schaffen könne. Denn
auch das aus der Erde fliessende W^asser sei nur klar, Ayenn die
Erde rein sei, dagegen trübe, wenn sie schmutzig sei. Ver-
schliessen sie diesen Ermahnungen ihr Ohr, so soll man ihnen an
den ersten Tagen nichts verabreichen, sondern erst nach einigen
Tagen, wenn sie aus Gram darüber, dass ihr Verlangen nicht
erfüllt wird, abmagern. Um den Schaden möglichst zu mindern,
muss man zunächst darauf sehen, dass sie das Begehrte nicht vor
der beendeten Einreibung des Körpers erhalten, wo ja auch das
an sich Nützliche schadet, und dann, dass sie es nicht allein,
sondern stets unter einer zuträglichen Speise bekommen, damit
deren gute Qualität die schädliche vernichte oder doch wenig-
stens einhülle. Ferner soll man nur eine geringe Quantität geben,
denn das Zuviel schadet stets in höherem Masse. Auch muss
es zwischen einer anderen Speise genossen werden, nicht früher,
denn es schadet dem leeren Magen, noch später, denn das Un-
verdauliche verdirbt auch die übrige Nahrung.
So hat die Behandlung der Schwangeren während der Zeit
der „Kissa“ zu sein; die Behandlung derselben in der nächsten
Zeit wird im folgenden Kapitel besprochen Averden.
Kapitel XVI.
Die Pflege der Schwangeren in der Zeit seit der
Kissa bis zum Geburtsakt1).
§ 54. Nachdem Avir im vorhergehenden Kapitel uns genügend
über das Verhalten der Schwangeren zur Zeit der Kissa ausge-
*) Hier ist zu vergleichen Oribasius (ed. Bussemaker et Daremberg) I, 98;
2rj|ieTa _ouXX7)'t})i<jus y.a\ nepi Staürjc. 'E/. xüv PaXfjvou (Poütpou?). Bezüglich des Coitus
wird hier die Ansicht verfochten, dass sich die Schwangeren weder gänzlich ent-
halten, noch zu häufig sich demselben hingeben sollen; denn bei Enthaltung werde
die Geburt schwieriger, bei zü vieler Uebung des Coitus aber werde das Kind schwach.
, . Pas Niesen gilt als besonders gefährlich: „‘0 bk ypfj oGScvos yjoaov Ssootxevai
sv a-rcaorj rfi -/.uvjaet, 01 icTappof euriv.
Bockshorn, Foenum graecum, -i)Xic, cfr. Dioscorides, Mat. med. II, cap. 124.
Das Mehl der Samen hat erweichende und zertheilende Kraft und wird als
Kataplasma gebraucht, besonders auch bei Uterinleiden.
— 38 -
lassen haben, bleibt noch übrig, auch über das Verhalten in der
nächsten Zeit einiges zu sagen.
Der Schwangeren sind im Verhältniss zu ihren Kräften an-
zuempfehlen: allerlei Schaukelübungen, Spazierengehen, Rede-
übungen, Lesen, Salben, Einreiben, reichliche Nahrung doch ohne
Uebersättigung, Weintrinken, die gewohnten Bäder, Zerstreuung
des Gemüths in jeglicher Art und hinreichender Schlaf. Hier-
durch wird die Schwangere unempfindlicher gegen Krankheiten,
befindet sich wohl und ist besser im Stande die Wehen zu er-
tragen, wie andererseits auch der Foetus gesund und kräftig wird
und hinreichende Nahrung geniesst.
§ 55. Im siebenten Monate soll man dann von den stärkeren
Bewegungen, namentlich vom Fahren, Abstand nehmen und in
sonstigen Bewegungen behutsamer sein. Denn während im Be-
ginn der Gravidität ein Krampf gefährlich werden kann, so lange
der Samen noch nicht fest geworden und Konsistenz gewonnen
hat und so leicht aus dem Uterus sich ablösst, muss man in der
späteren Zeit, wo der ausgebildete Foetus einen Druck ausübt,
befürchten, dass bei grösserer Unruhe das Chorion reisst und
dann das angesammelte Fruchtwasser abfliesst, im Falle einer
trockenen Gravidität der in die Geburtswege eingetretene Foetus
mit der Schwangeren in Gefahr komme. In der mittleren Zeit
ist aber die Bewegung nicht gefährlich, da der Foetus noch klein,
aber sicher gebettet ist, das Chorion weder zu schlaff noch zu
angespannt ist und den Embryo besser umschliesst. Auch soll
man billiger Weise auf die Anschwellung des Bauches Acht
geben , ob sich nicht daraus die Anzeichen der nahen Geburt
zeigen. Diese Anzeichen besprechen wir später. Wenn sich der-
artige Vorboten zeigen, soll man alles zur Geburt bereitlegen.
Denn der Augenschein lehrt, dass auch im siebenten Monat be-
reits reife Früchte geboren werden. Zeigen sich derartige Vor-
zeichen noch nicht, so handle man nach den vorher angegebenen
Vorschriften. Beim Frottiren muss man sich vorsehen, dass man
nicht die Warzen der mehr und mehr anschwellenden Brüste
verletzt, denn sie sind sehr empfindlich, und leicht bildet sich in
ihnen ein Abscess. Deswegen soll man auch die gewohnten
Brustbinden lockern, um die gleichmässige Anschwellung zu er-
möglichen.
§ 56. Im achten Monate, den man euphemistisch als den
leichten bezeichnet, der aber in Wirklichkeit alle Beschwerden
in erhöhtem Masse auftreten lässt, soll man die Quantität der
Speise beschränken, von Bewegungen nur die in der Sänfte oder
auf einem langen Sessel zulassen, es sei denn, dass eine nicht bis
zu Ende das Verlangen trüge, spazieren zu gehen. Wenn aber
die Beschwerden zunehmen, wird es gut sein, einen Tag zu pau-
39
siren, auf dass durch Ruhe diese gehoben werden. Das Baden
im kalten Wasser, wie es die Menge liebt, soll man nicht ge-
statten, weil die Schwangeren Zusammenziehungen nicht ertragen,
unter denen sie, wenn sie zu ungelegener Zeit gegessen haben,
sehr viel leiden. Denn zersetzte Nahrung nährt nicht nur nicht,
sondern schafft auch Beschwerde. Auch das Bad ist bis zu einem
gewissen Grade zu verwerfen.
Der Beischlaf schadet den Schwangeren zu jeder Zeit ein-
mal wegen der dadurch verursachten Erschütterung und dann,
weil die Gebärmutter dadurch gezwungen wird, eine Bewegung
zu erdulden, die dem Werke der Empfängniss feindlich ist. In
den letzten Monaten ist noch ganz besonders zu befürchten, dass
durch den Coitus das Chorion zerrissen wird und das für den
Gebärakt nöthige Fruchtwasser früher, als gut ist, abgehe. Bildet
sich ein Hängebauch, so soll man ihn durch eine Binde stützen und
zwar so, dass man die Mitte der Binde unmittelbar über die Wöl-
bung des Unterleibs legt, die beiden Enden nach hinten kreuz-
weise herumschlägt, sie dann über den Rücken und die Schul-
tern wickelt, um sie schliesslich vorne mit der rings den Körper
umhüllenden Binde zu verknüpfen. Man darf den schwangeren
Leib auch salben mit einer Ceratsalbe, welche mit Oel aus un-
reifen Oliven und mit Myrte bereitet ist. Auf solche Weise
stärkt sich die Haut, bekommt keine Schwangerschaftsnarben
striae gravidarum) und bleibt frei von Runzeln.
Nach dem achten Monate soll man die Binde wieder lösen,
wann der Augenblick der Geburt naht. Denn das Gewicht wird
den Geburtsakt beschleunigen. Oefter soll man jetzt baden, um
die Geschlechtstheile zu erschlaffen, und in süssem und warmem
Wasser schwimmen. Denn die natürlichen Mittel zeigen dieselben
kräftigen Wirkungen wie die Mittel, welche zur Abtreibung der
Leibesfrucht angewendet werden. Auch ist es zweckmässig die
Geschlechtstheile erschlaffen zu machen durch Schwitzbäder oder
Sitzbäder, welche aus dem Dekokt von Leinsamen oder Bocks-
horn oder Malve bereitet sind, durch Einspritzungen mit süssem
Oele, endlich durch Pessarien aus Gänsefett und Mark. Auch
die Hebamme selbst soll fortwährend mit dem Finger den Mutter-
mund öffnen und ringsherum salben. (Ausgabe von Ermerins
fügt noch hinzu: zumal bei solchen, welche zum ersten Male ge-
bären, bei kränklichen, und bei denen, welche ein männliches
Wesen, hartes Fleisch und einen muskulösen Uterushals haben.)
Nachdem hiermit die Erörterung oder die Behandlung bis zur
Geburt erschöpft ist, müssen wir noch von den Mitteln zur Ab-
treibung der Leibesfrucht sprechen.)
40
Kapitel XVII.
Ueber die Entwickelung des Eies in der Gebär-
mutter1).
§ 57 • Wie bei den Vogeleiern sich im Innern unter der
Schale eine Membran befindet, welche das Ei von der Kalkschale
tiennt, ebenso bildet sich bei den schwangeren Frauen innerhalb
aus dem Samen eine Membran, die mit dem Uterus zusammen-
hdngt und keine Oeffnung hat. Sie ist am Fundus uteri ange-
wachsen und besteht aus Nerven, Venen, Arterien und Muskel-
substanz. Von Farbe ist sie purpurn, an Gestalt dem Ciborien-
blatte (Seerose, Nelumbium) ähnlich, dick an der Stelle, wo sie
an der Gebärmutterhöhle (Fundus uteri) angewachsen ist, an den
übrigen Theilen dünn und häutig, wofür wir den Grund später
angeben werden. Diese Membran heisst Chorion (/ öqiov ) und
angion ( ayyelov ) und secundinae (öevzeQov xcci vozsqov) und prae-
gnans (iTQOQQTjy/.ia). Xoqlov heisst sie, weil sie den Embryo und
seine Zubehör in sich aufnimmt oder, wie einige wollen, weil sie
aus vielen Theilen besteht wie der Reigen (yopog); ayyelov, weil
sie den Embryo wie ein Gefäss bedeckt; öevzeQov xai votsqov ,
weil sie nach der Geburt des Embryo folgt; nQOQQJ]yf.ta, weil sie
vor der Geburt durchreisst und das Fruchtwasser bereitet, um die
Geburt des Embryo zu erleichtern.
Aus den in der liefe des Uterus liegenden fleischigen Theilen
erhebt sich ein dünnes Gebilde, das in der Mitte des Bauches des
Embryo sich einpflanzt, dort wo der Platz für den Nabel ist. Das so
dem Embryo gewissermassen als Körperbestandtheil angewachsene
Stück nennt man Nabelschnur. Sie ist aus vier Gefässen, zwei
l) y.cßcupiov = Nelumbium, Seerose.
Die Ausgabe von Ermerins hat am Anfang des Kapitels folgende Stelle: ,.Zur
Zeit der Conception entsteht in der Gebärmutter das Chorion, welches den ganzen
Embryo von aussen umfasst und mit ihm zugleich zwei andere Häute; die eine heisst
die Allantois, welche doppelt auf den Theilen der Frucht liegt, und nach ihm die
Haut, die man dpvetöc nennt, zart und allenthalben den Embryo umschliessend.
Zu vergleichen ist Galen, de foetus formatione (Kühn IV, 652).
Ueber „Allantois“, Galen, de anatomia matricis (Kühn II, 902).
Rufus von Ephesus (ed. Ruelle p. 166 — 67) rcept o'voixa<n«; etc. Hier lesen
wir: Das Kind wird von Häuten umfasst, zuerst von einer dünnen und weichen
Haut, welche Empedoldes „Amnion“ nennt, weshalb auch die Ilithyia „Amnias“
heisst, und nicht nach einem Hafen auf Kreta. Schneidet man diese Haut auf, so
findet man sie mit Flüssigkeit gefüllt, welche viel klarer ist, als die im Chorion.
Man hielt sie theoretisch für den Schweiss des Foetus Wir fanden aber auch, dass
durch den Urachus eine harnähnliche Flüssigkeit in das Chorion kommt. Das Amnion
(äp.vioc) liegt nach innen dicht auf dem Kinde, das Chorion nach aussen, als eine
rauhe und gefässreiche Flaut in der Gebärmutter. Aus dem Chorion wächst der
Nabel, zwei Venen und zwei Arterien, und als fünftes der Urachus, ein kurzes Ge-
fäss mit zwei Mündungen vom Grund der Blase in das Chorion gehend. Ueber
Vorwasser sehe man Winckel, Lehrbuch p. 139; Schröder p. 144 (10. Aufl.).
41
Venen und zwei Arterien, zusammengesetzt, durch welche dem
Embryo Blut und Luft als Nahrung zugeführt werden. Em-
pedokles lässt diese Gefässe zur Leber, Phädrus dagegen
zum Herzen verlaufen. Die meisten weisen jedoch die Venen
der Leber, die Arterien dem Herzen zu. H er ophi los nimmt an,
dass die Venen in die „Hohlvene“, die Arterien in die „Aorta ab-
dominalis“, welche .sich am Rückgrat hinzieht, verlaufen, jedoch
sich vorher neben der Blase nach beiden Seiten hin verzweigen.
Eudemos endlich erklärt einfach, im Nabel des Embryo seien
die Gefässe vereinigt und trennten sich erst von da aus in die
sogenannten Hörner (xegara) unter dem Diaphragma.
Das fünfte Gefäss, welches wir als Urethra bezeichnen, wird
gewöhnlich Urachus (Harngang) genannt. Er soll am Blasen-
grunde befestigt sein, und durch ihn ergiesst sich der Harn des
Embryo in das Chorion. Doch die Harnentleerung durch die
Urethra geschieht erst nach der Geburt. Aus diesem Grunde ist
auch die Membran an den unteren Theilen zarter, weil sie eben
unter der Schärfe des Exkrets und der Schwere des Embryo sich
spannt und dünn wird. Auch dieses Exkret hat einen nützlichen
Zweck, es hat nämlich einmal den Embryo vorher empor zu
heben und dann, wenn bei der Geburt das Chorion reisst, vorher
sich zu ergiessen und die Geschlechtstheile so zu befeuchten, dass
der Embryo bequem herausgleitet.
§ 58. Soviel über das Chorion und die Nabelschnur. Ver-
schiedener Ansicht ist man betreffs der zweiten Hülle. Die Majori-
tät ist der Ansicht, es bekomme auch der Embryo eine zweite
Hülle, welche Amnion genannt werde; diese würde bei den Thieren
leicht bemerkt, weil sie sich wegen der festen Substanz nicht
verdünne , bei den Menschen aber werde sie durch die Schärfe
der umfliessenden Feuchtigkeit zersetzt und fände sich so nicht
am ganzen Körper, sondern nur an den natürlichen Körperöffnungen,
wie Nase, Mund und After. Man sagt, sie hätte von der Natur
gebildet werden müssen, damit nicht der Embryo dadurch zu
Grunde gehe, dass er das scharfe und verderbliche Exkret ein-
sauge. Doch einige leugnen die Existenz dieser Membran, weil
sie sich weder bei der Geburt vorfinden lasse, noch das Ein-
saugen nützlich sei. Denn das Fruchtwasser sei nicht solcher
Art. Ja selbst wenn es solcher Art wäre, so würde das wohl zu
erkennen sein. Ausserdem könne sie nicht durch den Mund ein-
gezogen werden, weil ja die Athmung durch den Nabel geschehe.
Zufluss könne nur sein, wo Abfluss ist. Da nun von &den Em-
bryonen nichts abfliesst, möchte dem Fruchtwasser wohl das
H indringen unmöglich sein. AVäre wirklich ein natürlicher Schutz
nöthig, so genüge es doch, wenn die offenen Stellen durch eine
Membran geschützt werden, und brauche diese nicht den ganzen
Körper zu umschliessen. Da nun Mund und After des Embryo
42
eng verschlossen und überhaupt keine Oeffnung da sei, so sei
ein gewaltsames Einströmen schlechthin unmöglich. Ueberhaupt
befindet sich das Fruchtwasser gar nicht in dem Hohlraum des
Chorion, in welchem der Embryo lebt, sondern in den Geweben
desselben und schafft sich darin einen Platz durch Unterwühlen
derartig, dass das Chorion dadurch zweifach, ja bisweilen auch
dreifach getheilt wird. Deshalb stosst der Finger der Hebamme
noch auf eine geschlossene Membran, wenn auch ein Theil
des Fruchtwassers, welches abgeschnürt war, schon ausgeschie-
den wurde.
Wenn aber auch diese Haut reisst, so geht viel Fruchtwasser
ab und die Frucht folgt bald. Viele wollen das bestreiten und sagen
das erste Wasser (Vorwasser!1) werde durch Bildung von Hyda-
tiden abgeschieden, welche platzen, während das Chorion ganz
bleibt. Dieses war im Allgemeinen auch schon unsere Ansicht,
bevor Thatsachen für die Existenz des Amnion (Schaf haut) zeugten.
Kapitel XVIII.
Die Zeichen eines bevorstehenden Absterben der
Frucht2).
§ 59. Steht der Tod der Frucht bevor, so geht zunächst
eine Flüssigkeit ab, ähnlich dem Blutwasser oder dem Blute oder
auch dem Fleischwasser. Hat sich das Ei gelöst, so folgt reines
Blut und schliesslich geronnenes Blut und fleischiges Gewebe,
welches je nach der Zeit noch formlos ist oder schon Form ge-
wonnen hat. Bei den meisten Frauen zeigt sich ferner Schwere
und Schmerzen in der Hüfte, den Eingeweiden, im Unterleibe,
in den Leistendrüsen, im Kopfe, in den Augen und den Gliedern,
Magenschmerzen, Kälte, Schweiss, Ohnmacht, bisweilen auch
Fieberschauer, auch Schluchzen, Krampf und Stimmlosigkeit.
Diese Erscheinungen treten zumal bei den Frauen auf, welche
Abortiva genommen haben. Bei Frauen, welche spontan abor-
tiren, konstatirte Hipokrates ein abnormes Welkwerden der
Brüste, Diokl es dagegen Frost in den Schenkeln und Gefühl von
Schwere im Becken um die Zeit der Geburt.
1) cfr. Winckel p. 139. Schröder p. 144 (10. Aufl.).
2) Das Welkwerden (iovviuoi?) der Brüste wird in der Hippokratischen Samm-
lung wiederholt als Zeichen des drohenden Abortus erwähnt. So in dem Buche
über Frauenkrankheiten I. §'27 (Littre VIH, 71). „Wenn bei einer im 7. oder 8.
Monate Schwangeren die Völle der Brüste und des Bauches schwindet, wenn die
Brüste klein werden und keine Milch sich zeigt, so ist das Kind entweder todt
oder schwach. ,
Ferner Aphorismen V, 53 und 37. (Littre IV, 551). Epidemienil, £ 6 (Littr6
V, 77).
43
Kapitel XIX.
Ueber den Gebrauch der Abortiva und der Mittel,
welche die Conception verhindern1).
§ 60. Atokion unterscheidet sich von Phthorion so, dass das
erstere ein Mittel bezeichnet, welches die Conception verhindert,
das zweite dagegen ein Mittel, welches die Frucht tödtet. Ek-
bolion halten einige für synonym mit Phthorion,1^ andere sagen
dagegen, das Ekbolion bestehe zum Unterschiede von Phthorion
nicht in einer Arznei, sondern in einer gewaltsamen Erschütte-
rung des Körpers wie z. B. beim Springen. So habe Hippo-
krates in seinem Werke über die Natur des Kindes die Abortiva
verworfen und als Abtreibungsmittel den Sprung angerathen, bei
welchem man mit den Füssen den Steiss berührt. Doch geht die
Ansicht über den Gebrauch der Abortiva auseinander. Manche
verwerfen sie, indem sie sich einmal auf die Worte des Hippo-
krates „ich werde niemals ein Phthorion verordnen“ berufen und
dann weiter anführen, es sei die Aufgabe der ärztlichen Kunst,
die Werke der Natur zu erhalten und zu retten. Andere lassen
die Phthoria mit Auswahl zu, so niemals in den Fällen, wo statt-
gefundener Ehebruch oder Besorgniss für die Blüthe Tödtung der
Frucht verlangen, dagegen immer, wenn die Geburt gefährlich zu
werden droht, sei es dass die Gebärmutter zu klein ist und die
Entbindung nicht vollenden kann, oder dass sich im Muttermunde
Neubildungen und Risse gebildet haben oder irgend ein anderes
p Die Schrift ,,de natura pueri“ ist nicht von Hippolcrates, sondern von einem
späteren Jatrosophisten. Hier wird einer Tonkünstlerin (p.oua&epYo?), welche Gravidität
zu fürchten hatte, gerathen, wiederholt mit den Füssen auf die Erde zu springen.
Nach dem siebenten Sprung sei das Ei abgegangen. Ueber das abgegangene Pro-
dukt besitzen wir eine ausführliche Erörterung von Charles Robin (Littre, Hippo-
crate VII, 463), welcher den Abgang mit Dysmenorrhoea membranacea in Zusammen-
hang bringt. (Hierüber Winckel, Lehrb. d. Frauenkrankheiten p. 563, wo- übrigens
die Priorität der Beschreibung für J. B. Morgagni gewahrt wird.) Die Ansicht
Robins stützt sich auf den Umstand, dass die Expulsion schon sechs Tage nach dem
Coitus slattfand, zu welcher Frist ein deutliches Ei noch nicht vorhanden sein konnte.
Da der Eid des Hippokrates offenbar einen ganz anderen Ursprung hat (auch
er ist wohl nicht echt hippokratisch), so kann darin kein Widerspruch erblickt wer-
den, wenn im „opxos“ gesagt wird „ouSs yüvaoa -rclaaov (p&opiov Siuau/- — ich werde
keiner Frau ein abtreibendes •tce'jcov (Mutterzapfen) reichen.
Hippokrates, Aphorism. V, 31. Eine Schwangere, der zur Ader gelassen
wird, abortirt und um so eher, je grösser der Embryo ist.
Ueber -/.sopos sehe man Oribas. II, 645.
Succus Cyrenaicus, hierüber Alexander Trall (ed. Puschmann I, 406), auch
Dioscorides Mater, med. Lib. III, cap. 34 ed. Sprengel.
Syrische Salbe. Galen (de compos. medicam. sec. locos Lib. II. Kühn XII,
543) nach Archigenes.
Ruta, Raute. Diese Pflanze gilt heute noch als kräftiges Abortivum. Helie
de Nantes hat in den Annal. d’PIygien. I. Serie Tom. XX, drei Fälle berichtet
(referirt bei Tardieu, Etüde med. leg. sur l’empoisonnement).
44
Geburtshinderniss vorliegt. Diesem entsprechen auch ihre An-
sichten über die Anwendung der Mittel zur Verhütung der Con-
ception. In Uebereinstimmung mit diesen halten auch wir es für
sicherer, die Conception zu verhindern als die Frucht zu tödten.
§ 61. In den Fällen, wo es nützlicher ist, die Conception
zu hindern, soll man den Coitus in den Zeiten unterlassen, welche
wir als besonders empfänglich bezeichnet haben, das ist also die
Zeit unmittelbar vor und nach der Menstruation. Ferner soll die
Frau beim Coitus in dem Augenblicke, in dem der Mann den
Samen ejakulirt, den Athem anhalten, ihren Körper ein wenig
zurückziehen, auf dass der Samen nicht in die Uterushöhle drin-
gen kann, dann sofort aufstehen, sich mit gebogenen Knieen
niedersetzen, in dieser Stellung Niesen erregen und die Scheide
sorgfältig auswischen oder auch kaltes Wasser trinken. Ferner
verhindern die Conception Inunktionen des Muttermundes mit
altem Oel oder Honig oder Cedernharz oder Opobalsamum ent-
weder allein oder mit Bleiweiss verbunden, oder mit Salbe, welche
in Myrthenöl und Bleiweiss bereitet ist, oder mit Alaun, welches
ebenfalls vor dem Coitus zu befeuchten ist, oder Galbanum in
Wein. Wirksam ist auch weiche Wolle in den Muttermund ein-
gebracht oder vor dem Coitus der Gebrauch von Mutterzäpfchen,
welche zusammenziehen und verschliessen. Denn wenn derartige
Mittel adstringirend und kühlend wirken , verschliessen sie den
Muttermund vor dem Augenblicke des Beischlafs und verhindern
den Eintritt des Samens in die Uterushöhle; wirken sie dazu
noch reizend, so verhindern sie nicht nur das Verbleiben des
Samens in der Uterushöhle, sondern ziehen sogar noch eine
andere Flüssigkeit aus derselben.
Von anderen derartigen Mitteln erwähne ich noch: Fichten-
rinde, Rhus coriaria, beides zu gleichen Theilen: zerreibe es mit
Wein und -wende es kurz vor dem Coitus an vermittelst Wolle.
Diese ist nach 2—3 Stunden zu entfernen, und dann darf der
Coitus stattfinden.
Ein anderes Mittel: Kimolische Erde, Panaxwurzel, zu glei-
chen Theilen für sich allein oder auch mit Wasser vermischt
als Paste. Anwendung wie vorher.
Oder: Das Fleisch von frischen Granaten mit Wasser zer-
rieben.
Oder: Zwei Theile Granatapfelschale, ein Theil Gallaplel;
zerreibe diese zu kleinen Kugeln und lege sie nach dem Auf-
hören der Menstruation unter den Muttermund.
Oder: Gelöster Alaun und das Fleisch der Granate mit V' asser
zerrieben. Die Anwendung geschieht vermittelst Wolle.
Oder: Unreifer Gallapfel, Granatenmark, Ingwer. Nimm von
jedem 2 Drachmen, forme es zu Kügelchen von Erbsengrösse,
45
trockne sie im Schatten und gebrauche sie als Mutterzäpfchen
vor dem Coitus.
Oder: Verreibe das Fleisch getrockneter Feigen mit Natrum
und gebrauche es ebenso
Oder: Granatapfelschalen mit Gummi und Rosenöl zu glei-
chen Theilen.
Ferner wirkt in gleicher Weise das Trinken des Honig-
gemisches1). Vermeiden muss man dagegen alle scharfen Mittel,
weil sie ätzend wirken. Alle angeführten Mittel sind nach Be-
endigung der Menstruation anzuwenden.
§ 63. Manche empfehlen auch, einmal im Monat eine Quan-
tität Kyrenaischen Saftes2) von der Grösse einer Kichererbse mit
zwei Cyathi Wassers zu geniessen, denn dieses befördert die Men-
struation. Oder auch: Je zwei Obolen von Opopanax, vom Kyre-
naischen Safte und vom Safte der Raute mit Wachs als Pillen
zu formen und zu verschlucken3); es ist dann gewässerter Wein
nachzutrinken oder dieses Mittel selbst in gewässertem Weine
zu geniessen. Oder einen Trank bestehend aus je drei Obolen
Levkoien- und Myrthensamen, einer Drachme Myrrhe und zwei
Körner des weissen Pfeffers, in Wein drei Tage lang zu trinken.
Oder eine Obole vom Raukensamen und 1/ 2 Obole Sphondylium
vermischt mit Sauerhonig zu trinken.
Diese Mittel verhindern nicht nur die Conception, sondern
zerstören auch das Produkt derselben. Unserer Meinung nach
ist der von ihnen ausgehende Schaden doch ein ganz beträcht-
licher, denn sie verderben den Magen und erregen Erbrechen,
auch beschweren sie den Kopf und ziehen ihn in Mitleidenschaft.
Manche gebrauchen Amulete in der festen Ueberzeugung von
der antipathischen Wirkung derselben. Diese Amulete enthalten
die Gebärmutter einer Mauleselin oder den Ohrenschmutz der-
selben und derartiges mehr. Doch der Erfolg dieser Amulete ist
trügerisch.
§ 64. Hat die Conception einmal stattgefunden, so hat man
zunächst 30 Tage lang gerade den früher gegebenen Vorschriften
entgegen zu handeln. Damit sich der Samen löst, soll man also
auf dem Spaziergange sich stark bewegen, sich im Wagen tüchtig
durchschütteln lassen, kräftig springen und übermässig schwere
Lasten heben, harntreibende Dekolcte geniessen und das Monat-
liche in Fluss bringen, scharfe Klystire geben, welche den Unter-
leib ausspülen, mit süssem und warmem Oele bald injiziren bald
tüchtig salben und reiben am ganzen Körper, besonders aber
die Scham, den Unterleib und die Lende, täglich sich in einem
!) Dioscor. V, cap. 17.
2) Alexander Trall. ed. Puschmann I, 406.
3) xattmveiv = verschlingen etc , nicht blos von Fluidis.
46
süssen Wasser waschen, welches nicht zu heiss sein darf, in dem
Bade längere Zeit verweilen, vor dem Bade einen schwachen
Wein trinken und scharfe Speisen dazu essen. Ist dieses noch
nicht von Erfolg, so soll man sich mit jenen Körpertheilen in
eine Abkochung von Leinsamen, Bockshorn, Malve, Althaea,
Artemisia setzen und mit diesen auch jene Theile bähen, Injek-
tionen vornehmen mit altem Oel und zwar für sich allein oder
in Mischung mit Rautensaft oder Honig, ferner mit Irissalbe oder
Absinth gemischt mit Honig oder Opopanax oder mit Graupen-
schleim in Mischung mit Raute und Honig, oder mit Syrischer
Salbe1). Tritt der Abortus dann noch nicht ein, so soll man
nicht länger die gewöhnlichen Salben anwenden, sondern über-
gehen zu Salben aus feinem Bohnenmehle gemischt mit Stier
galle und Wermuth und derartigen Umschlägen.
§ 65. Steht der Eintritt des Abortus bevor, so soll man 2
oder 3 Tage vorher öfter baden, wenig geniessen, erweichende
Mutterzäpfchen an wenden, sich des Weines enthalten, schliesslich
zur Ader lassen und kräftig abführen. Der Ausspruch des Hippo-
krates in den Aphorismen: „Jedes schwangere Weib erleidet einefr
Abortus, wenn ihm zur Ader gelassen wird“ trifft zwar nicht bei
einer mit straffer Faser versehenen, doch immer bei einer ge-
sunden Frau zu. Denn wie Schweiss, Harn und Koth ausge-
sondert werden, sobald die ihre Substanz umfassenden Theile er-
schlaffen, so fällt auch die Frucht heraus, wenn der Uterus sich
zu früh eröffnet. Nach dem Aderlass soll man sich im Wagen
durchrütteln lassen, denn die Erschütterung ist wirksamer, wenn
die Geschlechtstheile vorher erschlafft sind. Auch aufweichende
Mutterzäpfchen soll man gebrauchen. Sollte aber die Frau für den
Aderlass zu schwach sein, so muss man die Geschlechtstheile zu-
nächst durch Sitz- und andere Bäder, erweichende Mutterzäpfchen,
Wassertrinken, Fasten, Abführmittel schlaff machen, auch kann man
ein aufweichendes Mittel als Klystier an wenden, dann aber muss man
ein die Frucht tödtendes Mutterzäpfchen gebrauchen. Zum Pes-
sarium darf man nicht zu scharfe Mittel wählen, auf dass sie nicht ein
Allgemeinleiden und Fieber herbeiführen. Solche milderen Mittel
sind: Myrrhenöl, Levkojensamen, bittere Lupinen zu gleichen
Theilen sind zu Zeltchen von der Grösse einer Bohne zu formen.
Oder: 3 Drachmen Rautenblätter, 2 Dachmen Myrrhe und eben-
soviel Lorbeer sind mit Wasser zu digeriren. Ein anderes Mutter-
zäpfchen, das fast ohne Gefahr abtreibt, ist folgendes: V ermische
zu gleichen Theilen mit Wasser Levkoje, Ivardamus, Schwefel,
Absinth, Myrrhe. A^or dem Gebrauch dieses Pessar’s soll man
sich ganz baden oder wenigstens ein Sitzbad nehmen; tritt der
Erfolg nicht ein, soll man Sitzbad und Pessarium wiederholen.
l) cfr. Alex. Trall. II, 304.
47
Es sind noch viele andere Abortiva bei anderen Aerzten auf-
geführt worden. Doch muss man stets sich vor solchen hüten,
die stark wirken; ebenso ist die Loslösung des Embryo mit einem
spitzigen Instrument zu verwerfen, weil die Gefahr, dass die um-
liegenden Geschlechtstheile verletzt werden, doch gross ist.
Die Nachbehandlung nach stattgefundenem Abortus ist die-
selbe wie bei jeder Entzündung.
Kapitel XX.
Die Vorzeichen einer normalen Geburt.
§ 66. Damit man die für die Geburt nöthigen Vorbereitungen
treffen kann, muss man die Zeichen kennen, welche dem Eintritt
der Geburt vorausgehen. Im 7., 9. oder 10. Monat werden die
Frauen, welche der Entbindung nahe sind, von Schwere im Unter-
leib und der Magengegend, von Brennen in den Genitalien, von
Schmerzen in den Leistendrüsen, den Hüften und überhaupt in
der Gegend unterhalb des Uterus befallen. Der Uterus senkt
sich gegen die Vulva zu, so dass die Hebamme bei der Untersuch-
ung ihn leicht betasten kann, der Muttermund sich lockert, sich öffnet
und Schleim absondert. Im Verhältniss zur Annäherung an den
Augenblick der Geburt fallen die Lenden zusammen, mit den
Leisten schwillt zugleich der Venusberg an und es tritt anhalten-
der Harndrang ein. Es entleert sich zunächst eine schleimige
und feuchte Masse, dann bei den meisten auch Blut , indem die
feinen Gefässe des Chorion bersten. Beim Touchiren kommt man
auf eine runde Geschwulst, welche einem Ei gleicht.
Auch die Entzündung bereitet Schmerzen ; dieselbe wird daran
erkannt, dass der Muttermund geschlossen und trocken ist.
Kapitel XXI.
Die Vorbereitungen für die Geburt1).
§ 67. Bei der normalen Geburt muss man folgende Sachen
in Bereitschaft halten: Oel, warmes Wasser, warme Umschläge,
5) Ueber den Geburtsstuhl spricht auch der Chirurg Antyllus (Oribas II
425 ed Bussemaker et Daremberg). Hier werden gegen Hysterie Räucherungen auf
dem öitppo 5 [Aatumxos empfohlen.
Ferner ist nachzulesen: Triller, Clinotechnia medica pag. 221 und 239.
Siebold, Geo Christoph, Commentatio de cubilibus sedilibusque usui
obstetricio inservientibus. Gotting. 1790. 4. ^
In dem Rosengarten des Eucharius Röslin, Ausgabe 1394 findet sich
hol. 25 eine entsprechende Abbildung. (Diese Edition ist betitelt: Hebammenbüch-
lein. Empfengknuss und Geburt dess Menschen etc.)
48
weiche Schwämme, Wolle, Binden, ein Kopfkissen, Riechmittel,
den Geburtsstuhl oder Geburtssessel, zwei Betten und ein zum
Gebären passendes Zimmer. Das Oel dient zu Injektionen und
Anfeuchtungen, das warme Wasser zur Abwaschung der Ge-
schlechtstheile, die warmen Umschläge zur Hinderung der Wehen,
die Schwämme zum Abwaschen, die Wolle zur schützenden Be-
deckung der Geschlechtstheile, die Binden zu Windeln für das
neugeborene Kind, das Kissen zum einstweiligen Platze für das
Kind, bis auch die Nachgeburt abgegangen ist, die Riechmittel,
wie z. B. Polei, armenischer Bolus, gebranntes Mehl, Quitte und
wenn es die Jahreszeit gestattet, auch Citrone, reife Melonen* 1)
und ähnliches, zur Erfrischung der Gebärenden.
§ 68. Auf dem Geburtsstuhle soll die Gebärende gut (fest)
sitzen. In der Mitte des Stuhles und dort, wo die Genitalien
ruhen, soll ein kleiner halbmondförmiger Raum ausgeschnitten
sein. Dieser darf nicht zu gross, damit die Frau nicht bis zu den
Hüften einsinke, noch zu klein sein, da sonst die weibliche Scham
gepresst wird, was noch lästiger ist. Denn eine Höhlung, die zu
weit ist, kann man mit Leinwand zustopfen. Die Stuhlplatte sei
derartig, dass auch recht starke Weiber darin Platz haben, die
Höhe im V erhältniss dazu. Kleineren Personen kann eine Fuss-
bank nachhelfen. Der unter dem Sitze befindliche Theil des
Stuhles soll an den Seiten mit Brettern beschlagen , vorne und
hinten dagegen offen sein zur Verwendung beim Geburtsakt.
Ueber dem Sitze sollen an beiden Seiten 2 Ouerhölzer von der
/V
Gestalt des Buchstaben TT eingefügt sein, damit man in diesen
bei den Anstrengungen die Hände der Gebärenden stützen kann,
im Rücken befinde sich eine Lehne, welche den Hüften und dem
Becken das Zurückweichen unmöglich mache. Denn würde in
dem Augenblicke, wo die Frau sich zurückbeugt, auch die Lehne
nachgeben, so entstände eine regelwidrige Haltung, die hindern
würde, dass das Kind gerade heraüskommt. Einige wollen am
unteren Theile des Stuhles noch einen hervorragenden Balken
angebracht wissen, der an beiden Enden Kurbel und Achse trägt
zu dem Zwecke, um beim Herausziehen des Foetus Schlingen
zu verwenden, welche man um die Arme nahe beim Ohre oder
um andere Körpertheile des Embryo wirft, und welche man dann
mit den Enden an den Pflock bindet, um so mittelst Drehung
der Kurbel die Herausziehung des Embryo zu bewerkstelligen.
Bei Jakob Ru eff, de conceptu et generatione hominis. Tiguri 1554 ist das
Bild des Sedile auf Folio 21.
Walter Ryff copirt Fol. 102 den Röslin und fügte noch eine zweite Ab-
bildung eines Geburtsstuhles bei, der wegen steilerer Lehne vielleicht weniger zweck-
mässig ist. Alle diese Geburtsstühle entsprechen mehr oder weniger der Beschreib-
ung des Soranus.
1) cfr. Alexander Trall. I. 366.
49
Dabei ist aber die allgemeine Regel ausser Acht gelassen, dass
bei einer Schwergeburt das Herausziehen nur bei liegender Stel-
lung der Frau zu geschehen hat. Der Geburtsstuhl muss so sein,
wie wir ihn beschrieben haben, ausserdem kann auch ein Sessel
zugelassen werden, der vorne oder hinten ausgeschnitten ist.
Der Höhlung- wird hinten in der Regel noch ein mit Leder be-
nähtes Polster hinzugefügt. Von den beiden Betten muss das
eine weich und gepolstert sein, auf welchem das Weib gleich
nach der Geburt ruhen kann, das andere dagegen, auf welchem
die Frau in liegender Stellung zu gebären hat, soll hart sein,
damit es nicht nachgiebt. Die Füsse sollen aneinander gestellt
sein, die Schenkel gespreizt liegen und unter die Hüften muss eine
Stütze gelegt werden, damit die Genitalien nach abwärts ge-
richtet sind.
§ 6g. Die Schmerzen mildert man zunächst durch Berührung
mit warmen Händen, dann taucht man Leinwand in warmes und
süsses Oel und macht solche Umschläge auf das Epigastrium
und die Schamlefzen und spritzt fortwährend mit warmem Oel.
Auch kann man eine mit warmem Oel angefüllte Blase verwenden.
Hat sich der Muttermund schon etwas geöffnet, so soll die Heb-
amme ihre Hände mit warmem Oel benetzen, den Zeigefinger
der linken Hand, dessen Nagel vorher zu beschneiden ist, ein-
führen und damit sanft und allmählich den Mund weiter öffnen,
auf dass der vorstehende Theil des Chorion vorfällt, mit der
rechten Hand aber die Genitalien fortwährend mit Oel bestreichen,
° wobei sie jedoch ranzig gewordenes Oel sorgfältig zu vermeiden
hat. Wird die Gebärende in dem Augenblicke, wo der unterhalb
des Muttermundes herausragende Theil des Chorion ungefähr die
Grösse eines Eies erlangt, schwach und ohnmächtig, so soll man
sie in horizontaler Lage liegend entbinden, weil diese Art des
Gebärens weniger Qual und Furcht erregt. Zeigt sie sich aber
stark, so soll sie aufstehen und sich auf den sogenannten Ge-
bärstuhl setzen. Einer Erkältung ist durch Erwärmen und Be-
netzen mit warmem Oel vorzubeugen. Auch die Füsse sind mit
einer Decke zu schützen
Drei I rauen sollen der Gebärenden dienend zur Seite stehen.
Sie haben mit tröstenden Worten ihr über die Gefahr hinweg-
zuhelfen, wozu es nicht erforderlich ist, bereits selbst Geburten
durchgemacht zu haben. Zwei von ihnen stehen an der Seite,
eine hinterm Rücken der Gebärenden und verhindern, dass diese
wahrend der Wehen nach vorn rutsche. Ist kein Gebärstuhl
zur Hand, so kann man dieselbe Lage dadurch erzielen, dass man
die Gebärende sich auf die Schenkel einer Frau setzen lässt. Diese
krau muss aber recht kräftig sein, denn sie hat einmal die Last
So ran US, Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes.
50
der auf ihr sitzenden Frau zu tragen und dann während der Wehen
sie zu halten.
Die Hebamme selbst endlich hat in reinlichem Kleide der
Gebärenden gegenüber, aber etwas niedriger zu sitzen. Denn
das Herausziehen der Frucht erfolgt von oben nach unten. Dass
sie in hockender Stellung arbeite, wie einige riethen, ist läs-
tig und unschicklich. Ebenso verhält es sich mit der Forder-
ung Heron’s1), der verlangt, dass sie in einer Vertiefung stehe,
damit sie nicht die Hände von oben nach unten zu bewegen
brauche. Dieser Vorschlag ist einmal unschicklich und dann auch
in zweistöckigen Häusern einfach unausführbar. Die Hebamme
soll so der Gebärenden gegenüber sitzen, dass sie die Ober-
schenkel auseinanderspreizt und den linken ein wenig zurückzieht,
damit die linke Hand leicht wirken kann. Die seitlichen Füsse
des Stuhles rathen wir zu bedecken. Die hinteren Theile des
Stuhles sind von der beistehenden Frau zu besetzen, welche die
Compresse aus Wolle unterzulegen hat. Denn den Damm muss
man stützen, weil in Folge der Anspannung oft Vorfälle und
Einrisse Vorkommen. Auch ist es gut, der Kreissenden in das
Gesicht zu blicken und ihr Trost zuzusprechen, ihr alle Furcht
vor Gefahr zu nehmen und ihr eine glückliche und gute Ent-
bindung voraus zu verkündigen.
Ferner soll man ihr rathen, die Luft in die Weichen ohne
Schreien eindringen zu lassen, aber unter Seufzen und Anhalten
des Atherns. Schon manche Unwissende haben durch Verhalten der
Luft in der Brust, anstatt sie nach unten zu treiben, einen Kropf ver-
anlasst Um daher der Luft ungehinderten Durchgangzu verschaffen,
ist es zweckmässig den Gürtel zu lösen und die Brust von jeder
Binde frei zu machen. Massgebend ist dabei jedoch nicht die
gewöhnliche Anschauung, dass die Weiber nicht gerne eine Binde
tragen. Aus demselben Grunde ist auch das Haar zu lösen,
denn die Lösung des Haares bewirkt Stärkung des Kopfes. Auch
soll man sie auffordern, angestrengt zu athmen, die Wehen zu
verarbeiten und, wenn sie da sind, mitzuwirken. Die Hebamme
mag es vermeiden, andauernd ihre Augen auf die Schossgegend
zu richten, damit nicht der Körper sich aus Scham zusammen-
ziehe. Mit dem Finger soll sie den Muttermund und die Scham-
lippen durch kreisförmige Bewegungen ausrunden
und der Muttermund zieht sich bald zurück, bald steht er tiefer.
Mit der grössten Aufmerksamkeit und Vorsicht soll die Heb-
amme die Finger zur Zeit der Eröffnung einführen und den Em-
bryo anziehen; indem sie nachlässt, wenn die Gebärmutter sich
kontrahirt, und anzieht, wenn die Wehe nachlässt. Wenn man
l) Celsus, Lib. VII. Prätalio und cap. 14.
51
zur Zeit der Wehe anzieht, kann Entzündung-, Blutung- oder Krampf
der Mutter entstehen.
Die zur Seite stehenden Gehülfinnen sollen mit den Händen
den Bauch nach unten drängen und reiben. Schliesslich soll die Heb-
amme das Kind allein empfangen und zu diesem Zwecke die Hände
vorher mit Leinwand oder, wie es in Aegypten Brauch ist, mit den
Fasern der zarten Papyrosstaude bedecken, damit das Kind nicht
zu Boden gleitet noch gequetscht wird, sondern sanft gebettet
ist. Folg-t dem Kinde zugleich auch die Nachgeburt, so kann
man in der Behandlung ungestört fortfahren. Bleibt die Nach-
geburt jedoch zurück, so muss man das Kind der Mutter zur
Seite legen
Kapitel XXII.
Die zurückgehaltene Nachgeburt1).
§ 71. Nach der Geburt des Kindes bleibt bisweilen die
Nachgeburt zurück und führt dadurch Schwierigkeiten herbei,
indem ^ie die Gebärmutter invertirt und zur Zusammenziehung
veranlasst.-' Dadurch entstehen Schmerzen im Kopfe und im Unter-
leibe, Krämpfe oder Erstickungszufälle. Dabei hängt das Chorion
entweder noch am Nabel des Embryo oder es ist von ihm ge-
trennt, indem die Geburt präcipitirt geschehen ist oder eine un-
erfahrene Hebamme es abgerissen hat, oder es liegt versteckt
oder ragt nur zum Theil hervor; es kann aber auch am Uterus
angewachsen sein und daran fest hängen oder davon gelöst sein,
indem der Muttermund bald verschlossen, bald geöffnet ist, und
bald entzündet ist, bald nicht.
Hippokrates gebraucht dagegen Niesmittel und drückt
während des Niesaktes die Nasenflügel zusammen, damit das
Chorion durch das Eindringen der Luft in die Tiefe herausgestossen
wird. Euryphon aus Knidos verordnet harntreibende Getränke
l) Die in diesem Kapitel von Soranus vorgeschlagene Therapie bei Placen-
tarretention verräth einen hohen Grad von Einsicht. Die an den älteren Methoden
geübte Kritik ist musterhaft.
Die Stellen bei Hippokrates finden sich: Aphorism. V. 49. (Niesmittel.)
Epidem II. Sect. VI. Helleborus (Nieswurz) als Ptarmicum : De natura mulier. § 32.
Sehr ausführlich, ebenda § 56 und § 76.
EXs /.bvny.')z ist nach Sprengel, Hist, rei herb. I. 58 = Salvia triloba.
Illyrische Iris = Iris florentina (Theophrast, de causis plantar. VI. 11. 13. VI.
18. 12. Hier wird die illyrische Iris wegen ihres kräftigen Geruches der macedoni-
schen vorgezogen.
Xm'pwv muss mit Nachgeburt übersetzt werden; die Placenta wurde von Sora-
nus offenbar als Theil des Chorion angesehen; uayu? p.L v.i ft' 0 Ttpoo-stpuze vol
Tcudusvi ti)? pj-pa; = die verdickte Portion, welche im Fundus Uteri angewachsen ist.
4*
52
aus Dictamnus und Elelisphakos und bluttreibende Pessarien aus
Seifenkraut, Illyrischer Iris, spanischen Fliegen und Honig, auch
Erschütterungen vermittelst einer Leiter, an welche die Kranke
zu binden ist. Euenor, Sostratos und Appollonios aus
Prusia rathen das hervorragende Ende zu fassen und so das
Ganze herauszuziehen. Dion verordnet Getränke aus Elelis-
phakos, Myrrhe und Petersiliensamen. Andere räuchern mit As-
phalt, Menschenhaaren, Hirschhorn, Galbanum, Schwarzkümmel,
Artemisia. Strato, der Schüler des Er asistratos, aber pflegte
in einen silbernen oder ehernen Topf, welcher mit Zinn aus-
gegossen war, starkduftende Kräuter, wie Nardus, Zimmet, auch
Marrubium, Artemisia, Dictamnus, Lilien und Rosen, Honig zu
legen, dann den Deckel festzuschliessen und eine Röhre damit
zu verbinden, deren Ende in die weibliche Scham hineingebracht
wurde, und so erwärmte er die Geschlechtstheile, indem er mit-
telst geringen Feuers die Gefässe in Thätigkeit versetzte. Mantias
legt das Kind zwischen die Schenkel der Mutter und lässt das
Chorion durch dessen eigene Kraft und Bewegung hervorziehen;
in dem Falle, dass das Chorion nicht mehr am Kinde festhängt,
lässt er ein Bleigewicht an das hervorragende Ende hängen und
so durch die Schwere das Chorion hervorziehen.
§ 7 2. Doch alle diese Methoden sind als unpraktisch zu ver-
werfen. Denn die Niesmittel zunächst erschüttern heftig und lassen
Hämorrhagien und für die Zukunft Nervenleiden befürchten. Die Mix-
turen schaden dem Magen und erregen Erbrechen ; die bluttreiben-
den Pessarien dagegen führen dadurch, dass sie ätzen und Geschwüre
verursachen, Krämpfe, Kontraktionen und Allgemeinleiden herbei;
ebenso veranlasst die Erschütterung gewaltsame Verletzungen.
Mag das Anziehen der Nachgeburt geschehen wie es will, immer
verursacht das Zerren eine Entzündung, und es lässt sich auch
gar nicht ausführen, wenn der Muttermund geschlossen ist und
das Chorion auch nicht mit dem kleinsten Theile vorfällt. Das
Räuchern verschlimmert durch die Schärfe die Entzündung und
beschwert den Kopf. Aus demselben Grunde ist die Dampf-
entwickelung durch duftende Kräuter unzulässig und bei dem
Verfahren, nach welchem eine Röhre mit dem einen Ende in die
weiblichen Geschlechtstheile gesteckt und dann durch Leitung
erhitzt wird, verbrennen die benachbarten Theile. Gefährlich ist es
auch, vermittelst Anbindens eines Bleigewichts das hervorragende
Stück mit Gewalt herauszuziehen und zumal dann, wenn bereits eine
Entzündung vorliegt; denn ist die Schnur nur lose an das Chorion
geknüpft, so gleitet sie ab, und ist sie fest verknüpft, hat dies
Nervenreizung und Ohnmacht zur Folge. Auch ragt das Chorion
nicht in allen Fällen heraus. Auch die Methode mittelst der Be-
wegung der Kinder ist schädlich. Denn es muss methodisch das
Ziehen stattfinden.
53
r 73. Rängt die Nachgeburt noch an dem Nabel des Kindes,
so soll die Hebamme das letztere einer der Gehülfinnen in die
Hände legen, nachdem vorher Leinwand darunter gebreitet ist,
dann aber längs der Nabelschnur, die als Wegweiser dient, die
Hand einführen und durch sanftes Hin- und Herbewegen der-
selben, wobei die Wöchnerin selber mithilft, ohne Reissen und
Zerren die Nachgeburt herausbringen. Dauert dies zu lange,
soll man das Kind von der Placenta lösen und dann in derselben
Behandlung fortfahren. Ist die Nachgeburt überhaupt nicht an-
gewachsen, so muss man in dem Augenblicke, wo man das Kind
empfängt, den hervorragenden Theil ergreifen und sachte ziehen,
und zwar muss man nachlassen, wenn der Muttermund sich zu-
sammenzieht, dagegen anziehen, wenn er offen steht. Ragt kein
Theil der Nachgeburt hervor, so soll man in den offen gebliebenen
Muttermund die mit Oel bestrichene Hand einbringen, und wenn
das Chorion von der Verwachsung mit dem Uterus vollständig
frei und auf sich selbst zusammengerollt ist, dasselbe fassen und
herausziehen. Im Falle es aber am Uterus angewachsen ist, soll
man versuchen, die Nachgeburt so allmählich und sachte zu lösen,
dass man die Finger in der Uterushöhle beiderseits herumführt.
Manche haben in ihrem Unverstände schon durch heftiges, ruck-
weises Ziehen Umstülpung des Uterus hervorgerufen. Folgt die
Nachgeburt dem sanften Zuge nicht, oder ist der Muttermund ver-
schlossen und entzündet, so soll man exspektativ verfahren und
wie bei jeder Entzündung mit Injektionen, Umschlägen und warmer
Nahrung behandeln. Wenn die Entzündung gehoben ist, so löst
sich auch der Fremdkörper und wird durch die wässerige Trans-
sudation abgeführt, wobei bisweilen jedoch auch das ganze Organ
aus seiner Lage kommt, doch lässt sich dieses nach der Beseiti-
gung der Entzündung leicht wieder reponiren. Bei manchen
bleiben Reste von Drüsen x) zurück, die durch scharfe Säfte ent-
standen sind. Das Chorion aber, welches mit seinen Gefässen in
die Eingeweide eingewachsen ist, muss man mit Gewalt heraus-
ziehen, man darf es nicht zurücklassen, so dass es erschlaffe und
allmählich verfaule.
Kapitel XXIII.
Die Pflege der Wöchnerinnen.
§74
l) Wohl Placentarreste.
54
Kapitel XXIV.
Kapitel XXV.
Das Anschwellen der Brüste1).
§ 76. Auch die vorliegende Frage gehört in den Abschnitt
über die Pflege der Wöchnerinnen. Bei dem Eindringen der
Milch schwellen die Brüste und werden schwer, was man Chon-
drosis (Hartwerden) nennt, dann schmerzen die Brüste und werden
durch die Spannung heiss, welches Leiden Spargesis (Spannung-
von Milch) heisst.
Wie bei jeder Entzündung so muss man auch hier zunächst
darauf bedacht sein Einhalt zu thun, und zuerst solche Mittel
anwenden, welche allmählich einen Stillstand des Uebels be-
wirken. Solche Mittel sind : ein weicher Schwamm, welcher in ein
Essiggemisch zu tauchen und fest umzubinden ist, oder Datteln, die
mit Brot und Essig glatt und fein gerieben sind. Will man
die Milch versiegen lassen, so verordne man Alaun oder Floh-
kraut und Koriander oder Portulak. Nehmen trotzdem die An-
spannung, Geschwulst und die Anschoppung noch zu, so ge-
brauche man auch erweichende Umschläge. Derartige Um-
schläge sind zu machen mit Brot, welches in einem Gemisch von
Wasser und Oel oder von Wasser und Honig eingeweicht ist,
oder mit Leinsamen und Weizen oder mit Bockshorn und Honig-
wasser. Vermögen die Brüste eine solche Belastung nicht zu er-
tragen, so soll man sie mit Umschlägen mit süssem und warmem
Oele bedecken, nachdem man Wärme applicirt hat oder mit
Schwämmen bähen, welche in warmem Wasser oder in einer Ab-
kochung von Bockshorn oder Malve oder Leinsamen ausgedrückt
sind; tritt Eiterung ein, so soll man die Flüssigkeit entleeren, wie
wir in dem Werke über die Chirurgie erläutert haben. Wenn die
l) 'FuXXiov Flohkraut = Plantago Psyllium. Auch bei Plinius und Dioscorides
erwähnt (Mater, med. IV. cap. 70).
Pyrite s (Dioscorides Alater. med. V. 142) ist Schwefelkies, man sehe auch
Plinius XXXVI. 137: „Usus eorum in medicina excaliäcere, siccare, discutere, ex-
tenuare, duritias in pus vertere.“
Kyperos-Salbe ebenda I. 4. von Cyperus rotundus L. Wird auch bei
Alexander Trall. wiederholt erwähnt. Näheres bei Plinius Lib. XXI. § 118 (ed. Sillig).
Tribolos, ebenda. I. 579. cfr. Dioscorides, Mater, med. IV. cap. 15. Ob
Trapa natans oder Tribulus terrestris hier gemeint ist, bleibt zweifelhaft. Plinius
(ed. Sillig) Lib. XXII. § 27.
Entzündung im Abnehmen begriffen ist, so soll man nur noch
Wachssalbe allein auf legen.
§ 77. Wird die Wöchnerin das Kind nicht selbst nähren, so
kann man auch eine Quantität Pyrites der gehörig zerrieben ist,
anwenden und dann die Brüste allmählich durch Um Wickelung
zusammendrücken. Denn wenn die Gefässe zusammenfallen, so hört
auch das Zuströmen der Milch auf und sie versiegt so. Nützt dies
nicht, so muss man energisch mit Dampfbädern und festen Ver-
bänden fortfahren. Es ist aber davor zu warnen, die Brüste bei den
ersten widrigen Empfindungen auszusaugen, was vielfach in dem
Glauben geschieht, dass das Aussaugen vermöge der dadurch be-
wirkten Ausscheidung die Spannung lindert. Ganz im Gegentheil
strömt dem Punkte des Aussaugens noch heftiger die Milch zu, auch
schmerzen die Brustwarzen unter der Quetschung. Zu verwerfen
sind ferner warme Bähungen in Salzwasser und in der Brühe von
Salzwasser und Essig und in Meerwasser; denn die Schärfe stei-
gert die Entzündung. Manche bestreichen auch die Brüste mit
Kyperossalbe (cfr. Dioscorides, Mat. med. A. 4.) in Mischung mit
Wein und Safran, andere mit Kyperosöl und zerriebenem Bim-
stein, noch andere mit Kümmel in Wasser oder Oel oder mit
Alaun, welches in Essig und Rosenöl gemischt wird bis zur
Honig-Konsistenz. Viele machen Umschläge mit Kümmel zu-
sammen mit Rosinen, ausgetrockneten Weinbeerkernen oder mit
Sesam vermischt mit Honig, andere wieder mit den in Essig ab-
gekochten grünen 'lribolen oder mit Epheu oder mit getrockneten
Feigen, oder mit ebenso gekochter Kleie und für den Fall einer
Anschoppung mit Eypich oder der wohlriechenden Minze oder mit
Kohl vermischt mit Brot. Unter diesen Mitteln soll man die
scharfen überhaupt nicht verordnen, unter den übrigen aber die-
jenigen, welche zusammenziehen, im Anfangsstadium des Leidens
meiden, und erst in der nächsten Zeit diejenigen, welche schmerz-
stillend wirken und erschlaffen, anwenden.
Damit ist die trage der Pflege der Wöchnerin erledigt und
es kommt die Untersuchung über die Behandlung des Kindes an
die Reihe.
56
Die Pflege des Kindes.
§ 78. Das Kapitel der Kindererziehung ist umfangreich und
vielseitig. Folgende Fragen sind darin zu erledigen: Welche
Frucht ist zur Aufziehung geeignet, auf welche Weise ist die
Nabelschnur zu trennen, das Kind zu wickeln, zu reinigen und
zu baden, wie ist es zu betten, welche Amme ist zu wählen,
welches ist die beste Milch, was ist zu thun im Falle die Milch
ausbleibt, wann und wie ist das Kind zu entwöhnen, wie verläuft
die Dentition und die übrigen zeitweise auftretenden Symptome.
Der Uebersichtlichkeit zu Liebe werden wir den Gegenstand in
kurzen Kapiteln einzeln betrachten.
Kapitel XXVI.
Die Kennzeichen eines zur Aufziehung geeigneten
Kindes1).
§ 70. Die Hebamme hat das Kind unmittelbar nach der
Geburt zunächst auf den Boden zu legen, zu untersuchen, ob
es männlich oder weiblich sei, und das Resultat dieser Unter-
suchung nach Weibersitte zu verkünden, sodann soll sie sehen,
ob das Kind zur Aufziehung geeignet ist oder nicht. Ein
Kriterium dafür ist zunächst, dass die Mutter zur Zeit der
Schwangerschaft gesund war. Denn die Krankheiten des Kör-
pers ziehen auch in der Regel die Frucht in Mitleidenschaft
und untergraben die ersten Grundlagen ihres Lebens. Ferner
muss das Kind zur rechten Zeit geboren sein, also im neun-
ten Monat oder etwas später, bisweilen bereits im siebenten
Monat. Sodann ist es erforderlich, dass das Kind, sobald es auf
den Boden gelegt ist, sogleich kräftig schreie. Wenn es nämlich
eine längere Zeit hindurch still ist oder nur ganz wenig winselt,
so erweckt das den Verdacht, dass ihm irgend ein Unfall zuge-
stossen ist und es leidet. Ferner müssen alle Glieder, Körper-
theile und Sinneswerkzeuge in normalem Zustande, die Körper-
öffnungen, wie die der Ohren, der Nase, der Speiseröhre, der
Harnröhre, des Afters ganz frei, die Bewegungen jedes einzelnen
Gliedes normal, nicht schwach und matt, ebenso die Beugung
1) ,,A.uf den Boden legen“, vergl. Ploss, das Kind I. 62. Humi positio in-
fantum, römischer Rechtsbrauch.
und Streckung der Extremitäten, Grösse, Gestalt und Empfindung
normal sein, welches letztere wir am besten durch Augenschein
ermitteln, indem wir einen Druck mit dem Finger ausüben.
Denn ganz natürlich ist es, dtfes jeder Stich und Druck schmerzt.
Ein gegentheilig beschaffenes Kind ist nicht zum Aufziehen ge-
eignet.
Kapitel XXVII.
Das Durchtrennen der Nabelschnur.
§ 80. Wenn sich das Kind ein wenig von dem durch die
Geburt verursachten Shock erholt hat, soll man es autheben und
die Trennung der Nabelschnur vornehmen. Es ist die Nabelschnur
vier Finger vom Bauche des Kindes entfernt mit einem scharfen
Instrument abzutrennen, damit keine Verletzung veranlasst werde.
Das beste Material zum Schneiden ist Eisen. Doch die Mehrzahl
der Hebammen hält es für besser, die Nabelschnur mit einem
Nagel, Schilf oder Muschel oder einer dünnen Brotrinde abzu-
sägen, oder mit einem Faden gewaltsam abzubinden, denn sie
glauben, dass der Gebrauch des Eisens gleich in der ersten Zeit von
unglücklicher Vorbedeutung sei. Doch dies ist lächerlich, denn
dann müsste auch das Weinen Unglück bedeuten und doch be-
ginnt damit die Frucht ihr Leben. Damit nun nicht der Körper
unter dem Sägen und Drücken sich eine Verletzung zuziehe, ist
es schon besser den Aberglauben bei Seite zu lassen und die
Nabelschnur mit einem Messerchen durchzutrennen und dann den
Inhalt auszudrücken, der in nichts anderem als geronnenem Blute
besteht. Das Ende des Durchschnitts ist sodann mit Wolle, einem
Wollfaden, einer Flocke oder ähnlichem abzubinden. Denn der
Leinenfaden schneidet in den weichen Körper ein und erregt so
unerträgliche Schmerzen. Die Unterbindung dieses Theiles ist
deshalb nothwendig, damit nicht gefährliche Blutung entstehe,
denn die darin befindlichen Gefässe waren dazu bestimmt, aus
dem Körper der Schwangeren Blut und Luft dem Körper des
Kindes zuzuführen. Manche haben dann noch nach der Tren-
nung den Nabel mit einer heissen Röhre oder der breiten Fläche
der Sonde ausgebrannt, ein Verfahren, welches unsere Billiguno-
mcht findet, denn das Brennen erzeugt an den betreffenden Theilen
heftige Schmerzen und Entzündung. Ist die Nachgeburt noch im
Uterus zurückgeblieben, so muss man den Nabelstrang an zwei
stellen unterbinden und dann dazwischen durchschneiden Durch
ein® LlgatUr wird beim Kinde, durch die zweite bei der
■ U\7’Cru- verhütet. Denn das Chorion ist noch mit letzterer
in Verbindung.
58
Kapitel XXVIII.
Die Reinigung des Kindes').
§ 8 1 . Nach vollzogener Omphalotomie tauchen die meisten
Barbaren, namentlich die Germanen, Scythen und auch manche
griechische Stämme, das Kind in kaltes Wasser, theils um es
abzuhärten, theils um zu prüfen, ob es die Kälte zu ertragen ver-
möge, und es, im Falle es erbleiche und Zuckungen bekomme,
als zum Aufziehen untauglich zu tödten. Manche waschen in
einem Gemisch von Salzlake und Wein oder in reinem Weine,
andere in dem Urin eines gesunden Kindes, noch andere wieder
bestreuen es mit Pulver von Myrte oder Galläpfeln. Nicht eine
einzige dieser Methoden können wir billigen. Denn das kalte
Wasser ist überhaupt schädlich, weil es eine starke und plötz-
liche Zusammenziehung verursacht, welche dem neugeborenen
Kinde ungewohnt war. Der erwachsende Schaden tritt bei den
weniger empfindlichen Naturen nicht immer sofort zu Tage, doch
bei den schwachen zeigt er sich sofort, indem sie von Krämpfen
und Schlagfluss befallen werden. Damit, dass Kinder diese
Schädlichkeit nicht ertragen konnten, ist noch nicht erwiesen,
dass sie auch dann nicht hätten leben können, wenn diese Schäd-
lichkeit ihnen gar nicht zugefügt wäre; sogar die stärkeren Na-
turen werden sich besser aufziehen lassen, wenn man jede Schä-
digung ferne hält. Ist eine Abkühlung nothwendig, so genügt
die an der Luft; schon bei dieser weint das Kind sofort, weil die
Kälte ihm ungewohnt ist, denn es ist ja erst aus der allezeit
warmen Gebärmutter herausgekommen. Der Wein ist durch die
Verdunstung schädlich und betäubend nicht nur bei so zarten
Kindern, sondern auch bei Erwachsenen. Auch der Urin ist zu
verwerfen, weil er übel riecht. Myrtenpulver und Galläpfel ziehen
zwar zusammen, reinigen aber nicht. Es ist demnach ein Ver-
fahren nothwendig, das adstringirt und zugleich reinigt, damit die
natürliche Kruste klebrigen Blutes vom Körper abgespült und
zugleich die Haut fest und gegen Hautkrankheiten widerstands-
fähig wird.
§ 82. Deswegen ist folgende Salzkur anzuordnen. Man nehme
ganz fein geriebenes Salz oder Soda oder Aphronitron (cfr. Dios-
corides V., cap. 130) und bestreue damit das neugeborene Kind
1) oceppoviTOiv cfr. Sprenge], Commentar in Dioscoridem. Das vrcpov der Alten
ist Soda = Kohlensaures Natron -f- Wasser. Herodot berichtet, dass die Aegypler damit
ihre Leichen beizten. Plinius Lib. XXXI. beschreibt die Gewinnung aus den ägyp-
tischen Natronseen (Unterägypten). .
Fr. Harless (Janus I. 455. 1845) Ueber das Nitrum der Alten (wichtige
Abhandlung).
unter sorgfältiger Schonung der Augen und des Mundes. Denn
an diesen Theilen veranlasst es Geschwürsbildung, Brennen und
Ersticken. Auch darf man nicht zu viel Salz aufstreuen, denn
die grosse Schärfe ätzt leicht die noch moosartig zarte und schwache
Konstitution. Anderseits darf die Menge des Salzes auch nicht
zu gering sein, um eine genügende Abhärtung der Oberfläche zu
erzielen. Ist das Kind sehr zart, so ist es immerhin gut, dem
Salz Honig oder Oel, Gerstensaft oder Bockshorn oder Malve
hinzuzuthun. Ist der Körper damit abgerieben, so muss man ihn
in lauwarmem Wasser waschen und die ganze daran klebende
schleimige Masse abspülen, dann ist das ganze Verfahren zu
wiederholen, nämlich mit Salz zu bestreuen, in noch wärmerem
Wasser zu waschen, mit den Fingern den Schleim aus den Nasen-
löchern zu entfernen, ebenso sind auch der Mund und die Ohr-
öffnungen zu reinigen und die Augen mit Oel zu benetzen. Denn
es ist gut auch aus den Augen die dicke Feuchtigkeit zu ent-
fernen ; geschieht es nicht, so ist in der Regel Schwachsichtig-
keit die Folge. Mit dem kleinen Finger, dessen Nagel vorher
zu beschneiden ist, ist der After zu erweitern und der dünne,
membranartige Körper, der in vielen Fällen rings herum ange-
wachsen ist, zu durchtrennen, damit die Exkremente ungehin-
derten Abschluss finden. Sofort leert sich auch die Masse aus,
welche man gewöhnlich Meconium (Kindspech) nennt. Auf den
Nabel lege man ein mit Oel getränktes gefaltetes Läppchen oder
auch einfach Wolle. Römischer Kümmel (Cyminum) ist als zu
scharf zu verbieten. Manche haben den Rest des Nabelstranges
an den Schenkel angebunden, es ist aber schon empfehlenswerther,
ihn doppelt zu falten und mit Wolle zu umwickeln und dann
mitten auf den Nabel zu legen. Denn durch den Druck wird der
Nabelrest bald zweckmässig abgeplattet.
Kapitel XXIX.
Das Wickeln des Kindes1).
§ 83. Nach der Salzbehandlung und dem Waschen erfoRt
das Wickeln des Kindes. Anti gen es empfiehlt die Thessalische
Methode. Er legt zunächst auf ein wannenförmig ausgehöhltes
und längliches Brett ein Kissen aus Heu oder Spreu, breitet da-
rüber Linnen, legt dann das Kind darauf, das selbst bis zur Hüfte
m Leinwand und Binden gehüllt ist, und bindet es dann mit Gurten
lest, die durch die Löcher gezogen werden, welche an den Seiten
des Brettes angebracht sein müssen. Doch dies ist ein lästiges
1) Ueber das Ordnen der Glieder sehe
man Ploss 1. c. I. 299.
liO
und hartes Verfahren. Man soll vielmehr jedem Körpertheile
seine natürliche Gestalt geben und demnach, wo irgend ein Theil
während der Geburt etwas verdreht ist, diesen wieder richten
und zur natürlichen Form zurückführen. Ist eine Stelle in Folge
von Quetschung angeschwollen, so muß man sie mit einer Misch-
ung von Bleiweiss und Wasser oder mit Bleiglätte salben. Die
Hebamme lege das Kind sachte auf ihren Schoos, welchen sie
vorher mit Wolle oder einem Laken zu bedecken hat, damit sich
sein nakter Leib beim Einwickeln der Glieder nicht erkälte. Sie
nehme Binden aus Wolle, welche rein, weich und noch nicht oft
gebraucht sind; von diesen seien einige 3 Finger, andere 4 Finger
breit. Wollene Binden sind wegen ihrer stofflichen Weichheit
zu wählen, während leinene im durchschwitzten Zustande arg
drücken. Weich müssen die Binden sein, damit sie nicht den
noch zarten Gliedern, welchen sie Schutz gewähren sollen, Schaden
anthun. Ferner sollen sie reinlich und somit leicht und nicht
schwer sein, sie dürfen nicht übel riechen und die Haut reizen
(da sie ja mit Soda imprägnirt sind). Auch sind solche Binden
zu wählen, welche noch nicht oft gebraucht sind. Ganz neue
sind nämlich schwer, ganz abgetragene besitzen keine Wärme
mehr, sind auch zuweilen rauh und immer leicht zerreissbar. Auch
dürfen sie keine Falten oder Säume haben, damit sie nicht in’s
Fleisch einschneiden und bald zu fest, bald zu locker anliegen
Ferner sollen sie von mässiger Breite sein, denn die schmalen
schneiden und die breiten drücken zwar nicht, werfen aber Falten.
Drei Finger Breite mögen die haben, welche den Gliedern sich
anschmiegen sollen, und vier Finger, welche für den Brustkorb
bestimmt sind.
§ 84. Man nehme nun das Ende der Binde und lege es
am Vorderarm an, wickle sie dann ringsherum um die ge-
streckten Finger, den Vorderarm, den Ellenbogen und Oberarm,
dabei ziehe man sie an den Handknöcheln ruhig stramm an,
lockerer aber an den übrigen Theilen bis zur Achsel. Ebenso
verfahre man bei der Einwicklung der anderen Extremität; den
Rumpf umwickle man mit einer breiteren Binde und zwar so,
dass man bei den männlichen Kindern die Binde überall gleich-
mässig stramm zieht, dagegen bei den weiblichen die Gegend der
Brustwarzen etwas enger schnürt, die Hüftegegend dagegen locker
lässt. Denn diese Methode eignet sich besser für das weibliche
Geschlecht. Danach wickle man jeden Schenkel für sich besonders
ein. Denn würde man sie in entblösstem Zustande beide aneinander
binden, so könnte leicht eine Hautreizung entstehen, wie ja über-
haupt in Fällen, wo Körper zur Zeit, da sie noch zart sind, neben
einander gelegt werden, gar ba!4 eine Entzündung eintritt. Die
Einhüllung in die Binden soll sich bis zu den Fingerspitzen er-
strecken, sie soll locker sein an den Schenkeln und Waden, da-
61
gegen kompress an den Stellen des Knies und der Kniekehle, an den
Fussrücken und den Knöcheln. Auf solche Weise werden die
Füsse an der Spitze breiter und der Mittelfuss wird schmäler.
Danach lege man die Arme an die Seiten, die Füsse aneinander
und umwickle dann das ganze Kind von der Brust bis zu den
Füssen mit einer breiten Binde. Dadurch, dass die Hände ein-
gefatscht werden, gewöhnen sie sich an die gestreckte Haltung.
Das Zusammenbinden der Glieder auf eine längere Zeit macht
die Sehnen derartig dick, dass sogar Gelenksteifigkeit auftreten
kann. Das Einwickeln der noch zarten Hände hindert, dass sie
durch ungeschickte Berührungen verdreht werden. Es ist schon
so oft vorgekommen, dass die Kinder mit den Fingern an die
Augen fahren und so das Sehorgan schädigen. Ferner mag man
zwischen die Fussknöchel, die Kniee und die Ellbogen Wolle
einlegen, damit sich diese hervorstehenden Theile nicht durch den
stärkeren Druck, dem sie ausgesetzt sind, und in Folge des An-
liegens der Theile verschwären. Das Köpfchen soll man damit
schützen, dass man es rings herum in ein Laken oder in weiche
und reine Wolle hüllt. Es kann auch vorher unter den Rücken
ein langes und breites Linnen oder Wrolle gebreitet werden.
Ferner soll man nach der obigen Einwicklung ausser der einen
allgemeinen, sich zu äusserst befindenden und alle Glieder zu-
gleich einhüllenden Binde noch das untergelegte Laken von Lein-
wand oder Wolle doppelt nehmen, nämlich einmal für die unteren
Theile unterhalb des Halses und dann für das ganze Kind mit
Ausnahme des Kopfes. Schliesslich umwickle man mit einer
breiteren Binde — sie möge ungefähr eine Breite von fünf Fingern
haben das ganze Kind und bedecke den Kopf, wie oben ange-
geben. Man kann auch zwei Laken unterbreiten ; das eine von der
nöthigen Länge soll den ganzen Körper einhüllen, das andere nur
die Hüften umhüllen und zur Aufnahme des Kothes dienen. Denn
man darf nicht in der Annahme, es wirke allzu beschwerend, nur
die Brust sammt Epigastrium umhüllen, die übrigen Theile. aber
unumwickelt lassen, wie ich früher gezeigt habe.
Kapitel XXX.
Die Lagerung des neugeborenen Kindes1).
. § ®5- Sodann hat die Lagerung des Kindes zu erfolg-en,
doch darf diese nicht auf einem harten und festen Lao-er ge-
schehen, wie es z. B. die Thraker und Macedonier machen, welche
das neugeborene Kind auf ein glattes Brett binden, um dem
J) Ploss, das Kind II. 50.
Nacken und dem Halse eine breite Form zu geben. 'Denn durch
die Härte der Unterlage wird leicht Quetschung und Eiterung am
Körper, sowie Missgestaltung des Kopfes verursacht, und selbst
zugegebenes sei jene Form schön, so kann dieser Zweck auch durch
Formen beim Baden ohne Gefahr und ohne andere Theile in
Mitleidenschaft zu ziehen, erreicht werden. Andererseits darf das
Lager auch wieder nicht gar zu weich sein, es könnten sonst
in Folge des starken Nachgebens Rückgrat und Nacken ver-
krümmt werden. Das Kind ist also auf einem mässig weichem
Lager zu betten, so nehme man z. B. ein mit Wollflocken oder
auch mit weichem Heu gefülltes Kopfkissen. Das Lager soll
eine Hohlrinne darstellen, damit sich das Kind auf demselben
nicht herumwälzen kann. Der Kopf muss hoch liegen und man
soll ihn nicht tief in die zum Lager hergerichtete Wiege legen.
Die Oberdecken müssen je nach der Jahreszeit wärmer oder durch-
lässiger sein, die Unterdecken entsprechend ausgelüftet und häufig
gewechselt werden, damit das Kind sich einmal nicht erkälte
und andererseits nicht in übler Ausdünstung liege. Zu demselben
Zwecke, um nämlich Wohlgeruch zu erzielen, haben manche
Lorbeer- und Myrthenblätter ausgestreut, doch andere wider-
riethen diesem Verfahren, da der Duft zugleich auch betäube.
Das Zimmer sei reinlich und mässig warm, es darf keinen
starken Zug haben, noch allzu hell sein. Gut ist, wenn man
ausserdem für reichliche Lüftung sorgt und um das Lager einen
Umhang von Gaze zieht, um die Mücken abzuhalten.
Kapitel XXXI.
Die Nahrung des Säuglings1).
§ 86. Nach der Wicklung und Lagerung des Säuglings soll
dieser ruhen und ihm wenigstens in den ersten zwei Tagen
keine Nahrung gereicht werden. Denn das Kind wird in diesen
Tagen von allen Seiten hin- und herbewegt, auch ist der Körper
noch ganz mit der mütterlichen Nahrung angefüllt, welche es
erst verdauen muss, bis es seiner Zeit wieder neue Nahrung zu
sich nimmt. Etwas anderes ist es, sollte sich früher Appetit
zeigen. Woran man den Eintritt des Appetites merkt, werde ich
später erörtern. Nach dieser Pause darf man eine Speise zum
Auslecken verabreichen, aber ja nicht Butter, denn diese ist schwer
verdaulich und schadet direkt dem Magen. Ebensowenig Abro-
tanum (Stabwurz) mit Butter, denn dies ist zu scharf und verur-
l) Damastes, richtiger ist wohl die Lectio von Ermerins: ,, Demosthenes“.
Welcher Demosthenes hier gemeint sei, steht dahin, der bekannte Demosthenes
Philaletes, der Okulist, diitfie es kaum sein.
63
sacht deswegen Durchfall; auch nicht Nasturtium noch Gersten-
mehl, denn auch das Nasturtium ist zu scharf und Gersten mehl
verursacht durch seine rauhe Beschaffenheit Entzündung, kratzt
überhaupt beim Niederschlucken. Dagegen ist massig gekochter
Honig empfehlenswert!!. Denn alles Rohe ist scharf und erregt
Blähungen, das übermässig Gekochte aber stopft in hohem Grade,
während das mässig Gekochte Magen und Gedärme reinigt. Es
ist der Mund des Säuglings zunächst mit dem Finger gelinde zu
salben und dann lauwarmes Honigwasser einzuträufeln. Auf solche
Weise wird das Rohe und Dicke der Materie verdünnt, der
Appetit gesteigert, indem sich das Kind des Genusses erinnert,
der Schlund öffnet sich, die Verdauung der Nahrung geht auf
leichte Weise nach Reinigung der Kanäle vor sich; so wird die
ganze Konstitution genährt.
§ 87. Nachdem so der Säugling an diesen beiden Tagen
gepflegt ist, kann man ihm am folgenden und den nächsten Tagen
Milch von einer guten Amme reichen. Die Milch der Mutter ist
in den ersten zwanzig Tagen in der Regel unbrauchbar, denn sie
ist dick, käsig, schwer verdaulich, roh und schwer zu verarbeiten,
ganz natürlich, da sie Körpertheilen entströmt, welche krank und
gestört waren und die grosse V eränderung, welche jede Geburt
zur Folge hat, erlitten haben, während der Körper abgezehrt,
schwach und in Folge starken Blutverlustes bleich ist und in der
Regel fiebert. Aus diesen Gründen ist die Verordnung von
Muttermilch thöricht, so lange noch nicht der Körper wieder in
die normale Verfassung zurückgekehrt ist. Eben deswegen ist
auch Damastes (Demosthenes, Ermerins) zu tadeln, wenn er
fordert, die Mutter solle dem Kinde sofort die Brust reichen, denn
die Natur habe vorsorglich die Milch früher bereitet, damit das
Kind sofort die dienliche Nahrung habe. Besonders sind so auch
alle zu tadeln, welche seine Ansicht sich zu eigen gemacht haben,
wie diese ja auch sein Buch geradezu des Apollo würdig genannt
haben. Durch überredende Sophistik wollen sie den klaren Sach-
verhalt bekämpfen. Ist nicht gleich eine Amme zur Hand, die
reichlich Milch zu bieten vermag, so soll das Kind in den ersten
drei Tagen nur Honig, vielleicht auch in Mischung mit Ziegen-
milch erhalten, sodann kann es die Mutterbrust bekommen, doch
muss diese vorher durch ein Kind ausgesogen werden, denn sie
ist zu dick, oder durch sanften Druck mit den Händen entleert
werden, denn die dicke Substanz kann bei Neugeborenen weo-en
der Weichheit des Zahnfleisches leicht stecken bleiben. Wenn
aber Weiber zur Hand sind, welche säugen können, so muss man
unter diesen die brauchbarste auswählen, doch ist die Mutter nur
dann vorzuziehen, wenn auch sie alle Eigenschaften hat, die man
bei den besten Ammen voraussetzt. Denn bei sonst gleichen Be-
mgungen ist es bessei, das Kind mit Muttermilch zu nähren.
— 64 —
Sie ist ihm schon deshalb angemessener, weil Mütter zu den
eigenen Kindern natürlich viel mehr Liebe haben. Und dann
ist es ja auch der Natur ganz entsprechend, wenn das Kind wie
vor so auch nach der Geburt von der Mutter genährt wird.
Sprechen jedoch Gründe gegen das Stillen der Mutter, so soll
man die brauchbarste Amme wählen, auf dass die Mutter nicht
vor der Zeit altere, denn das tägliche Aussaugen der Brüste nimmt
sie sehr mit. Wie nämlich das Ackerland, wenn es nach der
Saat Früchte gezeitigt hat, dadurch an Kraft verliert, ja für län-
gere Zeit unfruchtbar wird, so wird auch die ihr Kind selbst
nährende Mutter vor der Zeit alt, denn sie nimmt nur für einen
Körper Nahrung, und der durch Ernährung des Kindes erlittene
V erlust führt Abmagerung herbei.
Sonach ist es schon besser, die Mutter denke an die Stärkung
ihrer Kräfte und erhole sich für weitere Geburten als dass die
Milchdrüse fortwährend funktionire. Denn wie von den Gärtnern die
Gemüsepflanzen in anderen Boden gesät, in anderen Boden dann
verpflanzt werden zur richtigen Vollentwicklung, damit nicht die
Erde zu beiden Zwecken untauglich werde, so wird auch das
Kind kräftiger, wenn es die Nahrung von einer anderen als der
Mutter empfängt, im Falle letztere durch irgend ein Leiden ge-
hindert ist selbst zu nähren.
Kapitel XXXII.
Die Auswahl der Amme1).
§ 88. Die Amme, welche man wählt, darf nicht jünger als
zwanzig und nicht älter als vierzig Jahre sein, soll bereits zwei-
oder dreimal vorher geboren haben, sie soll frei von Krankheit,
von kräftiger Konstitution, wohlgebautem Körper und gesundem
Teint sein. Die Brüste sollen normal, locker, weich, ohne
Runzeln, die Warzen weder zu gross noch zu klein, weder zu
hart noch so porös sein, dass sie Milch in Strömen geben,
sie selbst muss ausserdem mässig, liebevoll, sanftmüthig, eine
Griechin und reinlich sein.
Alle diese Eigenschaften wollen wir der Reihe nach be-
gründen. Ein reifes Alter ist zu verlangen, weil allzu junge Per-
sonen noch keine Erfahrung in der Kinderernährung haben und
i) Oribasius, III. 120. nep't exD-ff)? § 13- Dieses Kapitel stimmt
vielfach mit Soranus; Daremberg zögert es dem Galen zuzuschreiben.
ibid. III. 129 nach Mnesiiheus Von Ivyzikos. Hier wird eine Thracierin
oder Aegypterin als Amme vorgeschlagen, nicht älter als 3° Jahre. Allerlei Milch-
proben werden geschildert.
65
auch sonst in ihrem Wesen noch zu leichtfertig- und kindisch
sind und allzu alte Frauen wegen der Schlaffheit ihres Körpers
nur wässerige Milch hervorbringen, während im mittleren Alter alle
physischen Funktionen normal ablaufen. Sodann soll sie zwei- bis
dreimal geboren haben, denn Erstgebärende sind in der Kinder-
ernährung noch unerfahren und der Bau ihrer Brüste ist noch
kindlich, zu klein und zu derb, während diejenigen, welche schon
sehr oft geboren und Säuglinge genährt haben, welk geworden
sind und eine zu dünne und wenig kräftige Milch absondern.
Ferner muss sie ganz gesund sein, denn nur einem gesunden
Körper entfliesst gesunde und nahrhafte Milch, während jeder
kranke Körper kranke und schlechte Milch giebt. Es ist ja auch
das Wasser, welches einem schlechten Boden entspringt, schlecht,
indem es durch die schlechte Beschaffenheit der Oertlichkeiten,
die es durchfliesst, verdorben wird. Sodann ist eine gute, d. h.
wohlgenährte und kräftige Konstitution zu verlangen, denn nur
eine solche erträgt mit Leichtigkeit die Anstrengungen des Dienstes
und die nächtlichen Störungen und verhindert eine Verderbniss
der Milch. Ferner soll die Amme wohlentwickelten Körpers sein,
denn viel nahrhafter ist die Milch bei grossen Ammen, wenn sie
sonst die gleichen Eigenschaften mit anderen theilen. Gesunder
Teint ist erforderlich, denn bei solchen ist reichlicherer Säfte-
zufluss zu den Brüsten anzunehmen, so dass mehr Milch abge-
sondert wird. Die Brüste müssen von mittlerem Umfange sein.
Sind sie zu klein, so enthalten sie zu wenig Milch, sind sie über-
mässig entwickelt, so bleibt nach dem Stillen Milch zurück, welche
dem Säugling nicht mehr frisch genug ist und sich zersetzt.
Werden aber die Brüste ganz entleert, sei es durch andere Kinder
oder durch Thiere, so ist Gefahr vorhanden, dass der Milchfluss
ganz aufhört. Allzu grosse Brüste lasten ferner auch zu schwer
auf dem Säugling. Dagegen glauben manche, diese enthielten
ott weniger Milch, da die genossene Nahrung dem Wachsthum
des Fleisches und nicht der Vermehrung der Milch zu Gute
komme. ,
Die Brüste sollen voll, weich und ohne Runzeln sein, sie
a rU i.? we<^er von durchscheinenden (grossen) Blutadern, noch von
Mflchknoten bedeckt sein. Denn die dichten, harten und gefäss-
reichen Brüste schaffen wenig Milch, die welken, wie nTan sie
bei alten und schwächlichen Frauen vorfindet, produziren nur
wässerige Substanz und die mit Milchknoten versehenen eine
dicke und abnorme. Die Warzen dürfen weder zu gross noch
zu. klein sein. Sind sie zu gross, so drücken sie auf das Zahn-
fleisch und verhindern die Mitwirkung der Zunge beim Schlucken ;
sind sie zu klein, so sind sie schwer zu fassen und lassen die
Milch nur tropfenweise fhessen. In Folge dessen erkranken die
Inder beim Saugen und bekommen die sogenannten Aphthen
Soranus: Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes.
5
66
(Mundschwämmchen). Dagegen dürfen die Warzen auch nicht
zu fest noch zu porös sein und die Milch stromweise herauslassen.
Denn zu enge Warzen führen beim Aussaugen leicht eine Rei-
bung herbei, so dass das Kind erkrankt, nämlich dadurch, dass
die Quantität der fliessenden Milch nicht den Anstrengungen des
Kindes beim Schlucken entspricht. Sind die Brustwarzen aber zu
porös, so entsteht die Erstickungsgefahr, da dem saugenden Kinde
der Mund zu reichlich mit Milch angefüllt wird.
Die Amme muss ferner in jeder Beziehung mässig sein, sie
soll sich des Beischlafs, des Wbines, der Wollust und sonstigen
Vergnügungen und Ausschweifungen enthalten. Der Beischlaf näm-
lich verdirbt, ganz abgesehen davon, dass durch die anderweitige
Beschäftigung mit Liebesgenüssen die Liebe zu dem Kinde
schwindet, auch noch die Milch, verringert oder die Milch ver-
siegen lässt, indem er die Reinigung durch den Uterus fördert oder
auch Conception herbeiführt. In der Trunkenheit erleidet zu-
nächst die Amme selbst an Leib und Seele Schaden und veranlasst
so, dass zugleich die Milch verdirbt. Wenn sie ferner in tiefem Schlafe
liegt, giebt sie auf das Kind nicht acht und kann in gefährlicher
Weise auf dasselbe fallen. Schliesslich theilt sich die Eigenschaft
des Weines der Milch mit, dadurch wird das Kind schläfrig und
schwindlich, es verfällt in Zittern, Schlagfluss und Krämpfe, ge-
radeso wie die Eerkel benebelt und schwindlich werden, wenn
die Sau Weinhefe genossen hat.
Eerner soll die Amme Mitgefühl und Liebe für das Kind
hegen, auf dass sie gern und ohne Murren ihren Beruf erfüllt.
Manche zeigen so wenig Mitgefühl für den Säugling, dass sie
das Weinen desselben ganz unbeachtet lassen und die Lage des-
selben nicht verändern, wodurch häufig in Lolge der beengenden
Wicklung es sich übel befindet und die Sehnen sich' versteifen.
Die Amme darf nicht zum Zorne geneigt sein, weil es die
Natur so eingerichtet hat, dass die Kinder der Nährmutter ähn-
lich werden. So entstehen Hitzköpfe durch zornige, ruhige Na-
turen durch massvolle Nährmütter. Geradezu toll verfahren die
leicht erregbaren Ammen; wenn das Kind einmal aus Lurcht
schreit und sie können es nicht sofort beruhigen, so stossen sie
es von sich und werfen es in gefährlicher Weise hin und her
(durch heftiges Schaukeln auf den Armen). Die Amme darf des-
wegen auch nicht abergläubisch und bigott sein, damit sie nicht
einmal im Wahn und in der Aufregung das Kind gefährde.
Auch Sinn für Reinlichkeit soll die Amme haben, damit
nicht der Magen der Säuglinge durch den Geruch der Windeln
verdorben wird und das Kind, in Lolge des Juckens im Schlaf
gestört und hintendrein fratt werde (Intertrigo = fratt sein).
Eine Griechin verdient schliesslich den Vorzug, damit das
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Kind gleich von vornherein an die Laute der schönsten Sprache
gewöhnt wird.
§ 8g. Die Amme soll in der Regel seit zwei oder auch drei
Monaten Milch besitzen. Denn, wie ich bereits erörterte, die ganz
neue Milch ist dick und schwer verdaulich, die alte dagegen zu
wenig nahrhaft und dünn.
Manche verlangen, dass zur Ernährung eines Knaben nur
solche, welche einen Knaben geboren habe, zur Ernährung eines
Mädchens nur solche, welche ein Mädchen geboren haben, zuge-
lassen werden. Doch ist dieser Ansicht nicht beizutreten. Sie
übersehen nämlich, dass bei Zwillingen, von denen das eine Kind
männlich, das andere weiblich ist, dieselbe Mutter mit einer und
derselben Milch nährt. Ueberhaupt sehen wir ja auch bei den
Thieren, dass beiderlei Geschlechter dieselbe Nahrung erhalten
und dadurch keineswegs das männliche Thier weiblicher und das
weibliche männlicher wird.
Will man in der Ernährung des Kindes ganz sicher und
glücklich vorgehen, so muss man mehrere Ammen in Bereitschaft
halten. Es ist immerhin mit Gefahr verbunden, wenn man das
Kind an eine einzige Amme gewöhnt. Denn erkrankt diese und
stirbt, so erleidet entweder das Kind beim Wechseln der Milch in
Folge der fremden Nahrung irgend einen Schaden oder es ver-
weigert auch ganz die Annahme der neuen Nahrung und stirbt
den Hungertod.
Kapitel XXXIII.
Die Prüfung der Milch.
§ 90. Die Milch ist sorgfältig auf ihre Qualität zu prüfen.
Ein Beweis ihrer Güte ist zunächst, dass sie von einer Amme her-
rührt, die alle oben erwähnten guten Eigenschaften besitzt, und
dann, dass sie dem Kinde gut anschlägt. Ist es auch ein Zeichen
der Vortrefflichkeit der Milch, wenn das Kind von ihrem Genuss
kräftig’ wird, so bezeugt doch das Gegentheil noch lange nicht,
dass die Milch schlecht ist, wie man bei einem mageren Kinde
annehmen könnte. Denn bei aller Güte der Milch kann das Kind
doch an einer Krankheit leiden und dadurch ein Hinderniss für
die normale Ernährung desselben eintreten. So zehren auch Er-
wachsene, die krank sind, aus, mag der Körper auch die beste
Nahrung erhalten, denn es verdirbt eben alles, was nähren kann,
wie Essiggefässe den besten Wein, wenn er in sie gegossen wird'
verderben.
§ 9*- Drittens erkennt man die Güte der Milch aus ihren
Eigenschaften, der Farbe, dem Geruch, der Konsistenz, dem Ge-
5*
68
rinnen, dem Geschmack und an der Haltbarkeit. Die Farbe muss
ziemlich weiss sein. Ist sie blass oder grünlich, so ist sie ver-
dorben, die gipsartig aussehende Milch ist dick und schwer ver-
daulich, die gelbe unreif und schwer zu verarbeiten, in welchem
Falle sie auch oft eine blutähnliche Farbe zeigt.
Die Milch darf nicht übel und stinkend, noch hefenartig und
-sauer riechen. Denn in allen diesen Fällen enthält sie schlechte
Säfte.
Bezüglich der Konsistenz, soll sie von glattem, homogenem
Wesen sein. Hat sie Fasern und rothe oder fleischähnliche Flocken,
so ist sie nicht zu verdauen. Bezüglich der Koagulationsfähigkeit
soll sie mässig fest gerinnen. Denn die zu flüssige, zu dünne
und wässerige Milch ist nicht nahrhaft und macht Durchfall, die
allzu dicke und käsige ist schwer verdaulich und verstopft gleich
den Speisen, welche zu wenig gekaut sind, die Kanäle, hemmt
die gehörige Ausdünstung des Körpers und führt so Lebens-
gefahr herbei. Jede abnorme Milch, sei sie dünn oder dick, wirkt
schädlich. Ob die Milch in richtiger Weise gerinnt, erkennt man
daran, dass sie, wenn man sie auf den Nagel oder ein Lorbeer-
blatt oder eine ähnliche glatte Fläche aufträufelt, sich allmählich
ausbreitet und bei Schütteln die Tropfenform beibehält. Fliesst sie
nämlich sofort auseinander, so ist sie wässerig, bleibt sie dagegen
honigartig beisammen und verändert sich nicht (in der Tropfen-
form), so ist sie dick. Man stellt die Prüfung auch so an, dass
man auf eine doppelte Quantität Wasser eine einfache Quantität
Milch träufelt, dann tritt die Auflösung erst nach längerer Zeit
ein und die weisse Farbe bleibt bis zuletzt. Tritt die Auf-
lösung sofort ein, so ist die Milch wässerig, noch unbrauch-
barer ist sie, wenn sie ein faseriges Gerinnsel, ähnlich dem
Fleischwasser bildet ; in solchem Zustande ist sie nicht zu
verdauen. Wenn sie aber nach einiger Zeit sich nicht vertheilt
und derart senkt, dass sie beim Aufgiessen von Wasser am Boden
bleibt, so ist sie käsig, dick und schwer löslich.
Ein weiteres Merkmal einer guten Milch ist der süsse und
mündige Geschmack. Milch, welche scharf, sauer, bitter, salzig
oder herbe schmeckt und beim Einträufeln in die Augen ein
brennendes Gefühl verursacht, ist verdorben.
Für die Güte der Milch zeugt ferner die Haltbarkeit. So
ist diejenige am besten, welche beim Aufbewahren nicht gleich
sauer wird und welche nur ganz wenig oder gar keine Molke
bildet. In solchem Zustande ist sie geniessbar; ungesund ist
diejenige, welche im Gegentheil beim Aufbe wahren leicht sauer
wird und viel Molke bildet. Unbrauchbar ist auch die schäumende
Milch, denn sie erzeugt Blähungen. Der Schaum nämlich ent-
steht, indem sich die Feuchtigkeit zu Blasen aufbläht, und erzeugt
in ähnlicher Weise wieder viel Luft. Bisweilen ist dies auch ein
69
Beweis für die Dicke der Milch, was daraus zu ersehen ist, dass
die aufgetretenen Blasen länger Bestand haben, indem vielleicht
die Luft durch die Dicke der Milch an der sofortigen Verdunst-
ung gehindert wird.
§ 92. Es fragt sich nun noch, wann die Prüfung der Milch
vorzunehmen ist. Die meisten Leute meinen, dass dies auch dann
zu geschehen habe, wenn in der Diät der Amme kein Fehler be-
gangen ist, sie gut verdaut, genügend geschlafen und Stuhlgang
gehabt hat, sie noch ganz nüchtern ist und auch keine Arznei
genommen hat. Denn auch die an und für sich gute Milch ver-
ändere sich bei eintretender schlechter Diät allmählich und werde
schlecht, wie ja auch der Athem der an schlechter Verdauung
Leidenden zu Zeiten, wenn auch nicht anhaltend, übel rieche.
Manche behaupten wieder, die Prüfung sei im Gegentheil nur
nach einem Diätfehler vorzunehmen, denn die Milch sei die beste,
die durch keine schlechte Einwirkung verdorben werde. Wir
aber prüfen die Milch sowohl bei einer guten wie schlechten Diät.
Denn die Milch, welche durch keine Diät verdorben werden kann,
ist die beste, die schlechteste dagegen diejenige, welche selbst
bei der gesundesten Diät ihre übeln Eigenschaften nicht verliert,
in die Mitte stelle ich diejenige, welche mit der Veränderung der
Diät auch sich verändert und demgemäss auch bei der besten
Diät die beste Qualität zeigt.
Kapitel XXXIV.
Die Lebensweise und Diät der Amme1).
§ 93. Nicht unwesentlich darf es sein, dass die Amme so-
wohl dafür Sorge trage, dass die Milch nicht verderbe und so
das Kind erkranke, noch dass die Milch ausgehe und so das
' ) »Leibesübungen, doch nicht zu schwere, und einem Athleten zukommende. “
Dass römische und griechische Damen schon damals dem Sport des starken Geschlechts
huldigten, ersehen wir unter Anderem aus Iuvenal, Satire VI 247.
.... »Wer hat nie Wunden des Pfahles gesehen?
»Den sie mit emsigen Hieben gehöhlt, mit dem Schilde gereizt hat,
»Und wie die Regeln der Schule sie ganz durchmacht, der Drommete
»Flora s würdige brau, es müsste denn mehr noch im Busen
»Sich ihr regen und gar zur wahren Arena sie hinziehen
»Wie kann schamhaft ein Weib sich zeigen behelmeten Hauptes
»Das dem Geschlecht entsagt?
„Schau mit welchem Getös die gelehrten Hiebe sie führet,
„Welches Gewicht von dem Helme sie krumm beugt, wie’ an der Kniekehl
„best ansitzet die Binde aus dichtem Baste gewoben,
„Und lach’, nimmt sie’s Geschirr, wenn abgelegt sie die Waffen.“
„ t (Uebersetzt von Eduard Casp. Jak. v. Siebold),
lerner sehe man Satire T. 22 „Quum Maevia Tuscum
„Figere aprum et nuda teneat venabula mammä “
70
Kind zu wenig Nahrung erhalte und beim Schlucken Schaden
leide, indem es längere Zeit an der Warze saugt, ohne etwas
herauszubekommen, um seinen Appetit zu stillen. Zu diesem
Zwecke ist der Amme anzuempfehlen, sich nicht dem Müssig-
gang- und der Ruhe zu ergeben , denn dadurch wird die Milch
dick und unverdaulich; sie mag Leibesübungen, doch nicht zu
schwere und einem Athleten zukommende pflegen, denn die letz-
teren passen einmal nicht für das Weib, da sie zu grosse Kraft-
anstrengung erfordern, -und dann wird auch um so viel weniger
Milch producirt, als Stoff für die kräftigende Pflege des Körpers
aufgewandt wird. Es sind somit vielmehr mässige und leichte
körperliche Uebungen anzurathen.
Aus demselben Grunde soll sie, sobald sie aus dem Schlafe
erwacht, nicht früher aufstehen, bis sie merkt, dass die genossene
Speise verdaut, der Unterleib leicht, der Magen schlaff, die aus
dem Magen entweichenden Gase rein, weder dumpf riechend noch
sauer sind. Nach stattgefundenem Stuhlgange gehe sie dann
oder fahre sie spazieren. Sie muss dem Körper auch jene körper-
lichen Uebungen gönnen, durch welche alle Theile des Körpers,
ganz besonders aber Hände und Schulter in Bewegung gesetzt
werden, damit der Nahrungsstoff besonders dort sich ablagere.
Hierher gehören die Ballspiele, zumal die mit dem leeren Ball
und das Werfen leichter Hanteln; arme Frauen können rudern,
am Ziehbrunnen arbeiten, dreschen, mahlen, Brot backen, Bett
machen und sonstige leichte Arbeiten verrichten, welche zu einer
nach vorn gebeugten Stellung nöthigen. Denn die oberen Theile
werden so mehr in Thätigkeit gesetzt und die längere Zeit herab-
hängenden Brüste geben, wenn sie nicht unthätig bleiben, ge-
sundere und reichlichere Milch, indem ihnen dann reichlich Stoff
zufliesst. Aus diesem Grunde ist es auch erspriesslich, die Brüste
stets frei zu tragen, damit nicht durch die Einwicklung die Milch
zurückgepresst werde, zumal zur Zeit der körperlichen Uebungen,
denn dann werden sie zugleich mit dem ganzen Körper in Be-
„Durchgesiebtem Weizen“ arjtavtoc itupo? ist eine besondere Art Weizen, nach
Sprengel Triticum Gärtnerianum, nach Fraas : Triticum aestivum (Dioscorides, Materia
medica Lib II, cap. 107.)
„Fische“, Ueber Felsenfische, Meerwall, Seebarbe, sehe man Oribas. Collect,
med. II. 49 (ed. Bussemaker et Daremberg I. 112 ff.) Die Fische spielten in der
antiken Diätetik eine grosse Rolle. So rühmt Mnesitheus von Athen (bei Athenaeus
VIII., p. 35“) die Fische mit weichem Fleisch für Genesende. Zeno und Crato
(Plutarch Sympos IV. 43) zogen Fische als Krankenkost den übrigen Speisen vor.
Ferner Xenokrates, de alimentis ex fiuviatilibus. (Ideler, Medici graeci minores I'.
In dem 1646 zu Antwerpen erschienenen Buche von Nonnius, de re libaria, sind die
Angaben der Alten gesammelt. ,
Konvulsionen (Eklampsie, Gichter, Fraisen’. Auch HeDoch Vorlesungen
p. 160 erwähnt, wie viele andere Kinderärzte, das Vorkommen nach Alkoholmiss-
brauch der Säugenden, aber auch nach sonstigen Diätfehlern.
71
wegung gesetzt. Nach den körperlichen Uebungen soll die
Amme mehrere Tage hindurch Einsalbungen gebrauchen. Bäder
machen die Milch wässerig; in Zwischenräumen darf sie sich
erst warm und dann kalt abwasehen.
§ 94. Unter den Speisen soll sie die schlechten Säfte er-
zeugenden, die wenig nahrhaften und schwer verdaulichen ver-
schmähen, dagegen die saftreichen , nahrhaften und leicht verdau-
lichen bevorzugen. So darf sie nicht gemessen: Lauch, Zwiebel,
Knoblauch, Rettige, Hülsenfrüchte und alles Eingepökelte, denn
dies macht die Milch scharf; die meisten Gemüsearten, denn sie
sind wenig nahrhaft und wässerig, Hammel- und Rindfleisch, be-
sonders in gebratenem Zustande, denn wenn sie auch reichlich
Milch erzeugen, so bekommen sie doch dem Magen nicht gut,
sind schwer verdaulich und erzeugen schlechte Säfte. Dagegen
sind zu empfehlen : Reines Weizenbrot und gesäuertes Brot aus
feinstem W ei z en m e hl, Eidotter, Gehirn, Krammetsvögel, junge
Tauben und junge Hühner, Felsenfische, Mee'fwölfe, Seebarben,
überhaupt alle Fische, welche gut schmecken, dem Magen gut thun
und gute Säfte erzeugen, und schliesslich Fleisch von jungen
Schweinen. Zu verwerfen sind auch alle Speisen, welche um-
ständlich, künstlich und leckerhaft hergerichtet sind. Denn solche
Speisen schmeicheln zwar dem Gaumen, erregen aber Verstopfung,
durch welche neben dem übrigen Inhalt des Körpers auch die
Milch vergiftet wird. Aus demselben Grunde muss man beim
Essen Mass zu halten wissen, damit nicht durch Völlerei die Ver-
dauung gestört werde; die Amme soll nur gerade soviel essen,
als sie mit Leichtigkeit verdauen kann. Dies ist zumal dann von
besonderer Wichtigkeit, wenn die Pflege des Kindes Nachtwachen
veranlasst.
§ 95. Die aufgezählten Speisen muss nun die Amme ferner
auch nach einer bestimmten Methode nehmen. In den ersten sieben
oder in der Regel auch zehn Tagen geniesse sie nur eine einfache
und leichtverdauliche Speise, wie einen dünnen Brei, der nicht zu
fett sein darf, Eier, Brot und Wasser. Wenn es möglich ist,
soll sie schon den Tag zuvor solche Speisen geniessen. Denn je
feiner und leichtverdaulicher die Milch ist, desto nützlicher ist
sie für das Kind, weil es zu jener Zeit noch zart wie Moos ist
und enge Oeffnungen hat, die eine dicke Milch nicht oder nur
schwer durchlassen. Nach Verlauf der ersten Woche kann sie
dann neben den oben aufgezählten Speisen noch ein weiches
Fischchen oder das Fleisch und das Gehirn junger Schweine bis
zum Ende der zweiten oder dritten Woche essen, denn dadurch
gewinnt die Milch an Nahrungsgehalt. Ist die zweite oder dritte
Woche vorüber, so ist der Säugling schon kräftiger geworden
und vermag eine nahrhaftere Speise zu vertragen. Nun kann
man der Amme Geflügel von mittlerer Grösse und dann im Ver-
72
haltmss zu der Erstarkung und dem Wachsen des Kindes auch
grösseres Geflügel, ferner Hasen-, Reh- und Zickleinfleisch, später
Schweinefleisch geben. Je mehr Nahrungsstoff nämlich die Speise
der Amme, enthält, desto nahrhafter wird auch die Milch. Später
geniesse sie allerlei Speisen mit möglichster Abwechselung, auf
dass sich das Kind an die Verschiedenheit der Eigenschaften der-
selben gewöhne. Denn die verschiedenen Eigenschaften der
Speisen, weiche die Amme zu sich nimmt, theilen sich auch der
fleh mit. Aus gleichem Grunde schmeckt Gaismilch wenig an-
genehm und wirkt etwas stopfend, weil die Ziegen Kräuter von
solcher Art gerne fressen, ist dagegen Schafmilch von angenehmem
und süssem Geschmack, weil die Nahrung der Schafe derartig
beschaffen ist. Mindestens die ersten 40 Tage hindurch darf sie
nur Wasser, danach einen um den anderen Tag Weinhonig in
geringen Quantitäten trinken. Ist das Kind stärker und fester
geworden und hat es zugleich eine gesunde Farbe bekommen,
so darf sie klaren AVeisswein ohne Beimischung von Wasser
trinken.. Es soll dieser etwas herbe, aber weder zu alt noch zu
jung sein. Zuerst soll sie ihn nur einmal am Tage und zwar in
Pausen von mehreren Tagen trinken, dann alle zwei Tage, dann
einen um den anderen Tag, danach täglich und nicht bloss ein-
mal sondern auch zweimal an jedem Tage und schliesslich so oft
und so viel, als zum Durstlöschen nöthig ist. Auf solche Weise
kann das Kind ohne Schaden mit der durch den W ein qualitativ
veränderten Milch genährt werden, während es von Natur aus
in der ersten Zeit die Wirkung des Weines nicht ohne Schaden
zu ertragen vermag.
§ 96. Es könnte wohl jemand daran zweifeln, wie es komme,
dass das Kind vor der Geburt, als es noch im Uterus war, es zu
ertragen vermochte, wenn die Mutter selbst Wein und die mannich-
fachsten Speisen genoss. Hierauf ist Folgendes zu sagen: Zu
jener Zeit bildete das Kind einen Theil der Mutter, erhielt aus
deren Kräften seine Nahrung und erkrankte so nicht; nach der
Geburt aber besitzt es eine eigene Existenz und da seine Lebens-
kräfte noch schwach sind, leidet es leicht durch betäubende Stoffe.
So tragen auch Gewächse, die mit grösseren Bäumen vereinigt
sind und durch deren Festigkeit mit gestützt werden, Früchte
und halten jeden Sturm aus ; sobald sie aber von diesen getrennt
und auf ihre eigene Kraft angewiesen werden, nehmen sie unter
den geringsten Einflüssen leicht Schaden. Aus dem Umstande,
dass der Wein der Amme nicht schadet, darf man nicht den
Schluss ziehen, es könne nun auch das Kind nicht darunter leiden.
Man muss vielmehr von der Ueberzeugung ausgehen, dass der
Wein für dessen Konstitution 'viel zu stark ist, was klar daraus
hervorgeht, dass die meisten so nachlässig genährten Kinder von
Konvulsionen befallen werden.
73
Kapitel XXXV.
Die Massregeln, welche zu ergreifen sind, wenn die
Milch ganz ausgeht oder verdorben wird, zu dick
oder zu dünn ist1).
§ 97. Nimmt die Milch an Quantität ab und geht ganz aus
oder wird sie verdorben, ist sie zu dick oder zu dünn, so sollte
man das Kind einfach einer anderen Amme übergeben. Es wäre
freilich schön, wenn es immer anginge, dem Kinde einfach die
Milch einer anderen Amme zu reichen. Vielfach verhindern dies
Umstände mancherlei Art und in solchem Falle muss man der
betreffenden Amme eine Diät vorschreiben, welche verhindert,
dass das Kind erkrankt.
Geht die Milch aus, so ist zunächst zu untersuchen, ob der
Grund hierfür in einer geringfügigen Erkrankung der Gebär-
mutter oder eines anderen Organes oder in einer allgemeinen
mangelhaften Ernährung des ganzen Körpers liegt oder ob die
Milch in ganz naturgemässem Verlaufe geringer wird, indem die
Natur nicht so viel Milch absondern kann, als dem Säugling an-
gemessen ist. Liegt nun ein Krankheitszustand vor, so ist dieser
entsprechendzu behandeln ; ist die Krankheit beseitigt, so schwindet
auch jedes Hinderniss für die Funktionen. Liegt keine Krankheit
zu Grunde, so muss man leichte gymnastische Uebungen vor-
nehmen, spazieren gehen, massiren, was man entweder selbst
machen oder durch andere machen lassen kann, und zwar unter
Anhalten des Athems, endlich muss man noch sanft die Brüste
reiben. Ferner sind anzuempfehlen: Uebung der Stimme, Baden,
saftreiche Speisen, Zerstreuung des Gernüths und überhaupt alles,
was die oberen Körpertheile zu stärken vermag. Denn wird hier-
durch der ganze Körper in wohlgenährten Zustand versetzt, so
nehmen auch zugleich die Brüste zu. Auch soll das Saugen be-
harrlich fortgesetzt werden, denn durch diesen Reiz (resp. Em-
pfindung) entsteht ein grösserer Zufluss von Säften (Stoff). Mne-
sitheos rieth zweimal täglich Erbrechen zu bewirken, er bedenkt
dabei nicht, dass durch Erbrechen vielmehr Schwäche entsteht,
er müsste denn eine chronische Krankheit dadurch heben wollen.
Andere rathen zum Gebrauch aromatischer Getränke und von
Arzneien, welche man milchtreibende nennt. Auch pflegte man
die Euter von Thieren, welche von Natur milchreich sind, als
Speise zu geben. Andere verbrannten Eulen und Fledermäuse
und streuten die Asche in einen Trank oder salbten die Brüste
' ) orpoßtX'ji, Oribas. II. 90U Dioscorid. Alater. med. I. 88 nach Sprengel die
Nacktsamen von Pinus Cembra L. Zirbel. Dagegen nimmt Daremberg an, dass es
sich um Pinus Pinea handle, da nach Fraas (Flora classica p. 266) die Zirbel in
Griechenland nicht vorkommt (vergl. den Excurs zu Oribas. II, p. 568.)
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damit in irgend einer Lösung. Doch alle diese Mittel sind zu ver-
werfen, weil sie zum Erbrechen reizen, die Schwäche noch er-
höhen und zur Abzehrung führen.
§ 98. Fliesst die Milch zu reichlich, so soll die Amme durch
stark anstrengende Arbeiten den Körper kräftigen, ist die Milch
zu dick, so soll sie fleissig baden , breiartige und nur wenig
nährende Speise geniessen und nur Wasser trinken. Einige Aerzte,
unter ihnen besonders der Anhänger des Moschion verord-
neten Kappern, Rettige und Pökelfleisch, womit man nicht
übereinstimmen kann. Denn wenn durch scharfe Gerichte die
Dicke der Milch auch gehoben würde, so würde dadurch doch
auch die Qualität derselben geringer, indem sie mehr reizend
wirkte.
Ist die Milch zu dünn, so muss die Amme sich des Bades
enthalten, denn es macht den Körper und damit die Milch wässerig,
dagegen sind ihr als Nahrung zu empfehlen: Brei aus Dinkel
und Spelt, weiche Eier, Zirbelnüsse, überhaupt die Füsse, Ohren
und Rüssel der Schweine, weil sie etwas leimhaltiges und
schleimiges an sich haben, Zickleinfleisch sowohl gebraten wie
auch gekocht, und leichten Wein, wenn es das Befinden des
Kindes gestattet.
Ist die Milch verdorben, was in der Regel die Folge von
mangelhafter Verdauung, vom Coitus und von ungesunden Speisen
ist, so muss man diese Momente beseitigen und zu einer kräftigen
und gesunden Diät zurückkehren.
Hiermit schliessen wir unsere Erörterung über das Verhalten
der Amme und kehren zur Pflege des Kindes zurück.
Kapitel XXXVI.
Das Baden und Frottiren der Kinder.
§ 99. Grosse Sorgfalt ist dem Baden zuzuwenden. Es darf
das Kind nicht zu anhaltend gebadet noch durch Aufgiessen
kochenden Wassers gebrüht werden, wie es die meisten brauen
thun. Dreimal am Tage und bei Nacht baden sie ihre Kinder
und begiessen sie dabei bis zum Schwachwerden ; schliesslich
freuen sie sich über den nach dem Bade eintretenden ruhigen
Schlaf, der doch nur die Folge der Ermattung ist. Dieses Ver-
fahren ist höchst nachtheilig. Der Körper wird schlaff, empfind-
licher für Krankheiten, leicht erkältet und jeder Schädlichkeit zu-
gänglich, vor allem aber leiden Kopf und das Nervensystem.
Aus diesem Grunde soll m^,n das Kind nur am Tage, niemals bei
Nacht und auch nicht zwei- oder dreimal, sondern nur dann baden,
wenn es durch eine Entleerung belästigt oder von Hautausschlägen
gereizt wird.
75
§ ioo1). Das Baden und Reiben hat auf folgende Weise zu
geschehen. Zunächst wähle man zu diesem Geschäfte ein mässig
erwärmtes, nicht der Sonne ausgesetztes Zimmer. Die Amme
setze sich, breite auf ihre Schenkel und Kniee ein Laken aus roher
Leinwand’ und lege darauf das Kind, sie löse die Windeln und
salbe das Kind mit lauwarmem Oele, sodann fasse sie mit ihrer
linken Hand den rechten Arm unter der Achsel, so dass die
Brust des Kindes am Ellbogen der Amme liegt, indem sie das
Kind etwas nach rechts neigt, und nun giesse sie mit der rechten
Hand über das Kind temperirtes Wasser, wie es dem Kinde be-
haglich ist. Hierbei hat sie wohl zu bedenken, dass eine Tem-
peratur, die unsereinem lau vorkommt, für die zarte Haut des
Kindes schon zu heiss ist. Zweckmässig ist es, nach Verhältniss
fortschreitend wärmeres Wasser aufzugiessen, nachdem das
erste Wasser sich abgekühlt hat. Mit dem Begiessen ist fort-
zufahren, bis die Haut sich röthet und der Körper gleich-
mässig warm wird. Hierauf wird das Kind umgedreht, der Rücken
gewaschen, die Schenkel, der Steiss, der Nacken und die
Achselhöhlen von dem gerade an diesen Stellen am meisten
haftenden Schmutz gereinigt, sodann mit dem in reines Wasser
oder Oel getauchten Zeigefinger der Speichel aus der Mundhöhle
des Kindes entfernt, die Zunge, das Zahnfleisch und die Mund-
winkel sanft gerieben, der Unterbauch leicht gepresst, um Ent-
leerung des Harns zu veranlassen. Nach einigen Tagen gewöhne
man das Kind nach dem warmen Bade noch an ein Bad mit
milchlauem Wasser, denn durch allmähliche Gewöhnung an käl-
teres Wasser wird es vor Erkältung geschützt.
§ ioi2). Nach dem Bade wird das Kind an den Knöcheln
gefasst, so dass der Kopf nach unten hängt, damit die Wirbel-
knochen sich ausdehnen, das Rückgrat biegsam wird und die
Sehnen sich entfalten. Dann wird es wieder auf den Schoss der
Badefrau gelegt, in Linnen gehüllt und so abgetrocknet. Nach
reichlicher Salbung des Kindes werden die einzelnen Körper-
theile unter besonderer Beachtung der Gestaltung derselben
frottirt, indem deforme Theile allmählich in die natürliche Form
gebracht werden.
Nun ergreift die Amme die Handwurzel und indem sie die
rechte Hand streckt, reibt sie in schräger Richtung vom linken
Hinterbacken beginnend ; dann nimmt sie den rechten Knöchel
und reibt vom linken Schulterblatt zum rechten Unterschenkel.
') „Schmutz“ pUTiOf. Hier ist nur die Vernix caseosa gemeint.
, Speichel“ atsXa sonst <nccXa, eigentlich Schleim, da das Neugeborene noch
keinen Speichel absondert.
2) «Theile, die noch missgestaltet sind.“ Es kommt bei gewissen Lagen und
Haltungen des Kindes vor, dass die Extremität abnorme Stellungen (z. B. Flexion
in Hüftgelenk) annehmen und nach der Geburt längere Zeit beibehalten.
76
Dann biegt sie die Extremitäten gegen den Rücken zurück, in-
dem sie die Spitze des rechten Fusses der Spitze der linken Hand
nähert und umgekehrt. So werden die Gelenkbänder geschmeidig
und jedes Gelenk wird beweglicher durch die mannichfaltigen
Drehungen und wenn etwa zähe Substanz in den Gelenken an-
gesammelt wäre, so wird sie so zertheilt. Nachdem aber so die
Geschmeidigkeit hergestellt ist, werden die Schenkel zusammen-
gelegt, gestreckt und mit der andern Hand ganz der Länge nach
gerieben.
§ 102. Die Kniekehlen werden durch Auflegen des Daumen-
ballen geebnet, die Knöchel werden an einander gelegt und gerade
gerichtet und indem sie von den Fersen an reibt, richtet sie Theile,
die zu sehr hervorragen und verrenkt sind, ein. Dann biegt sie
die Glieder, indem sie die Fersen dem Steisse nähert. Hierauf
wird mit den flachen Händen das Rückgrat bearbeitet, indem man
es sowohl in gerader Richtung, als auch seitlich bewegt. Dann
wird mit dem Mittelfinger von der Steisskerbe zum Nacken unter
Streckung frottirt und das Rückgrat vom Hals bis zum Heiligen-
bein normgemäss gebogen, damit zur gefälligen Form Leicht-
beweglichkeit und Festigkeit der Wirbel sich geselle. Hierauf
wird mit Mittel- und Zeigefinger die Gesässregion durch Druck in
gute Form gebracht und werden durch Applikation der geschlossenen
Faust die über dem letzten Wirbel liegenden Partieen abgeflacht,
damit keine Lordosis entstehe; ebenso macht man es am Rücken
und am mittleren Theile der Wirbelsäule, damit kein Buckel oder
sonstige Anomalie sich bilde. — Hierauf wird der Kindskopf
frottirt, indem man beide Hände rund herumführt, ferner wird er
etwas geformt, indem einmal die eine Hand an die Stirn, die
andere an den Nacken applizirt wird, dann aber an den Scheitel
und das Kinn.
Auch dem Schädel muss eine schöne Form gegeben werden,
auf dass er nicht zu lang noch spitz werde. Ferner soll der
Kopf bewegt und gestreckt werden, indem man ihn gleichzeitig
erhebt, um die Halsmuskeln zu üben und die Wirbel gelenkig zu
machen, denn ein Kind vermag diese Theile von selbst noch
nicht zu bewegen.
§ 103.1) Hierauf soll die Pflegerin das Kind umwenden und
die Vorderseite salben. In Zwischenräumen von einigen Tagen
soll sie die Augen ausspritzen. Dies darf nicht jeden Tag ge-
schehen, denn es ist schon Augenentzündung die Folge davon
gewesen, indem die Häute eiterten. Dann soll man wieder von
l) „Man gelb a ftes Präputium“ XentöSspfrov. Hieher gehört der berüchtigte
„Epispasmus“, d. h. die Schaffung einer Vorhaut durch methodisches Dehnen des
Restes der beschnittenen Vorhaut, eine Unsitte, die seit der Zeit der Maccabäer bei
den Israeliten grassirte. Näheres bei J. B. Friedreich, Zur Bibel II, 161 — 165.
77
der Schulter bis zur gestreckten Hand einreiben, dann soll man
die Arme kreuzweise um die Brust legen, resp. gegen die Seiten-
wand bewegen und dieselbe damit decken. Sodann werden Bauch,
Brust und &die beiden Schenkel gestreckt gerieben, die letzteren
erst einzeln, dann zusammen. Die Kniescheiben werden hin und her
bewegt, damit die Verbindung der Glieder nicht schwerfällig sei,
auch sollen sie mit der flachen Hand der Länge nach behufs
Erlangung einer schönen Form abgeflacht werden, während die
Schenkel aneinander gelegt sind. Mit beiden Daumen werden
die Augen ausgerieben und wird die Nase geformt , indem man
sie bei solchen, welche eine Stumpfnase haben, hebt, dagegen bei
denen, welche eine Habichtsnase besitzen, sie drückt. Dabei soll
man aber bei denen, welche eine Habichtsnase haben, diese nicht
an dem Punkte der Erhöhung zurückdrücken, sondern man muss
die Nasenflügel im Verhältniss zu der nach vorn neigenden Nasen-
spitze vorziehen und emporrichten. Besitzt ein männliches Kind
ein mangelhaftes Präputium, so ziehe man die Vorhaut sanft in
die Länge oder man umwickle es zum Schutze mit einer Woll-
flocke. Wenn man sie allmählich und konsequent nach vorn zieht,
so giebt sie leicht nach und gewinnt ihre natürliche Länge, in-
dem sie die Eichel verhüllt und sich daran gewöhnt, die ihr von
der Natur verliehene normale Form beizubehalten. Danach forme
man auch den Hodensack aus dem Zusammengehen der Schenkel
und schütze ihn vor Druck durch untergelegte Wolle, so hält man
ihn auch von den Schenkeln fern.
§ 1041). Nach dieser Formung wird das Kind gewickelt und
mit etwas Oel gesalbt. Zu starkes Salben erkältet und lässt die
nassen Windeln nicht festsitzen; indem diese rutschen und sich
herumschlingen, leiden die Glieder unter dem Druck. Zuweilen
ist es auch nützlich, den erschlafften Körper vor dem Wickeln
mit Tyrrhenischem Wachs einzureiben, denn dieses erweicht und
wärmt den Körper, ernährt noch obendrein und erhöht die Weisse
der Haut. Nach dem Bade soll die Amme Ohren und Nase des
Kindes aussaugen, damit nicht zurückbleibende Feuchtigkeit den
noch zarten natürlichen Oeffnungen Schaden zufüge.
„Aussaugen“ cypuCav. Das Aussaugen des Meatus auditorius externus
ist indess als gefährlich zu erklären, da Hämorrhagie veranlasst werden kann.
Tyrrhenisches Wachs. Galen, de compos med. sec. gen. I. „candida, quae
Tyrrhenica nominata est, non sponte nascitur, quae nullam evidentem habet acrimo-
mam“ (also handelt es sich um künstlich gebleichtes Wachs.) Sonst war das natür-
liche pontische Wachs am meisten beliebt.
78
Kapitel XXXVII.
Wie und wann dem Kinde die Brust zu geben ist.
§ 105. Nach einer kleinen Pause, in welcher sich das Kind
von der Unruhe des Bades erholt hat, darf man ihm die Brust
geben. Wie bei Erwachsenen, so ist noch viel mehr bei kleinen
Kindern das Essen unmittelbar nach dem Baden der Gesundheit
nachtheilig. Bei einem erhitzten Körper wird nämlich die Nahr-
ung in Menge aufgesaugt und schadet. Auch die Amme möge,
wenn sie eben aus dem Bade gestiegen ist , eine ziemliche Zeit
warten, bevor sie die Brust reicht, und auch vorher ein wenig
Wasser trinken. Denn die Nahrung schadet nicht nur dem er-
hitzten Körper, sondern auch die aus solchem Körper kommende
Nahrung ist ungesund (für das Kind). Die Amme soll demnach
zunächst das Kind sich vom Bade erholen lassen, dann die Milch,
welche sich zunächst den Warzen befindet, ausmelken und die
Milch, welche in Folge 'der Unruhe des Körpers verdorben ist,
ausdrücken und nun erst die reine Nahrung bei normalem Be-
finden ihres Körpers reichen.
§ 106. Bei dem Darreichen der Brust soll die Amme sitzen,
das Kind hoch heben und indem sie es bald an die rechte, bald
an die linke Seite legt, es mit den Armen an die Brust nehmen,
indem sie die Warzen an die Lippen desselben legt. Sie soll in
nach vorn geneigter Stellung sitzen, denn lehnt sie sich rück-
wärts, so wird das Trinken derartig erschwert, dass das Kind
bald den Trank wieder von sich giebt, bald einen Anfall von
Erstickung bekommt. Aus demselben Grunde soll man das Kind
ein wenig in die Höhe heben und nicht andauernd an die rechte
Seite legen, vielmehr soll es an beiden Brüsten genährt werden
einmal der Abwechselung wegen und dann, damit die rechte Hand,
die nach Lösung der Windeln festgehalten wird, sich nicht an
Unthätigkeit gewöhne. Wenn sie das Kind in der erwähnten
Weise an die Brust gelegt hat, soll sie, bevor das Kind zu ziehen
beginnt, die Milch ganz sanft ausdrücken, einmal um grösseren
Appetit zu erregen und dann damit der Säugling nicht dadurch
Schaden leide, dass er sich beim ersten Zuge zu sehr anstrengt.
Nach jedem Schlafe aber soll sie, bevor sie dem Säugling die ;
Milch giebt, im Umherwandeln die Brüste reiben und schütteln,
denn durch eine derartige vorhergehende Bewegung verdunstet
der Ueberschuss und' zertheilen sich die dicken Bestandtheile.
Wenn das Kind genügend Milch zu sich genommen hat, soll
man es noch eine kleine Zeit lang auf den Armen halten und
dann auf ein Lager legen wie oben beschrieben, aus dem es ein
wenig hervorguckt und auf dem es wie sitzend ruht. Von oben
ist das Kind des Schutzes wegen zu bedecken, ebenso sind seine :
79
Augen zu verhüllen, einmal weil sie in ihrer Zartheit leicht durch
einen hineingerathenen Gegenstand verletzt werden und dann,
weil sie unter dem Einfluss zu vielen Lichtes und zu starker Helle
sich an das Schielen gewöhnen könnten. Auch darf das Kind
nicht mit der Amme zusammenschlafen, zumal in der ersten Zeit
nicht, damit sie es nicht durch unvorsichtiges Umherwälzen drückt
oder erstickt. Es sollen daher die Wiegen neben dem Bette
stehen und falls das Kind ein Verlangen kundgiebt, die Kinder-
wanne auf das Bett genommen werden.
§ 107. Die Amme ist davor zu warnen, dass sie während
des ganzen Tages oder der ganzen Nacht Milch gebe. Denn durch
die Masslosigkeit wird es, zumal in der Nacht, krank; wird näm-
lich eine Speise genommen, bevor die vorhergehende verdaut ist,
so verdirbt diese. Dagegen darf die Amme zu öfteren Malen
die Brust reichen, denn auf einmal kann das Kind nicht genügende
Nahrung zu sich nehmen. Die Milch sättigt nämlich von Natur
ziemlich schnell, so dass das Kind satt ist, bevor noch für die
Ernährung hinreichender Stoff aufgenommen ist. Auch ermüdet
das Kind wegen seiner Schwächlichkeit, wenn es zu lange an
der Warze zieht und hört deswegen früher auf, als es hinreichende
Nahrung genommen hat. Demnach ist dem Kinde zu öfteren
Malen Milch zu geben, doch mit Unterbrechung und nicht vor
dem Bade, noch viel weniger während des Bades selbst, was
trotz des Verbotes die Weiber gerne thun, indem sie damit das
weinende Kind ohne Mühe zum Schweigen bringen wollen. Ist
die Milch aber verdorben und sauer geworden, so leidet das
Nervensystem und Epilepsie und Schlagflüsse sind die Folge.
Ganz gefährlich ist es, die Warze während des Schlafes im Munde
des Kindes zu lassen, um so zu verhüten, dass es überhaupt
schreit. Denn wenn zu Zeiten, wo die Milch ohne Saugen aus-
fliesst, die Nasenlöcher gedrückt, der Mund verschlossen und der
Schlund gefüllt ist, so erstickt das Kind.
§ 108. Ueberhaupt soll man das Weinen nicht immer zur
Veranlassung nehmen, dem Kinde die Brust zu reichen. Denn
erstens ist auch das Schreien bisweilen von wesentlichem Nutzen.
Es ist nämlich eine natürliche Uebung, die zur Kräftigung des
Athems und der Athem Werkzeuge dient, auch geht, wenn die
Kanäle sich durch jene Uebung dehnen und weitern, die Ver-
keilung der Nahrung im Körper leichter von statten. Andrer-
seits darf man das Kind aber auch nicht zu lange und zu heftio-
schreien lassen. Denn darunter leiden die Augen, auch kann
Herabgleiten der Eingeweide in den Hodensack eintreten (= Ent-
stehung einer Hernia). Zweitens schreit das Kind nicht nur,
wenn es Hunger hat, sondern auch aus anderen Gründen, wie
z. b. wenn es in Folge schlechter Lage gedrückt wird oder wenn
aen kleinen Körper irgend ein Thier beisst oder sticht, oder
— 80 —
wenn die Fülle der Nahrung den Leib beschwert, oder Frost oder
Hitze eintritt oder wenn Verstopfung vorliegt, indem in dem Darme
harte Exkremente liegen, oder wegen sonstiger Unpässlichkeit
oder Krankheit. Alle diese Ursachen muss man, soweit möglich,
zu ergründen suchen, um so dem vorliegenden Uebel abzuhelfen;
man darf nicht einfach seine Zuflucht dazu nehmen, dass man
dem Kinde die Brust giebt.
Ob Druck vorliegt, werden wir erkennen, indem wir mit dem
Finger die Druckspur der Binden (tastend) wahrnehmen und
die Extremitäten blau (cyanotisch) finden, oder nicht naturgemäss
gelagert. Dass es von irgend einem Thier gebissen oder ge-
stochen wird, ersehen wir aus dem plötzlichen Aufschrei, wenn
es weder schlecht liegt noch die Windeln drücken. Hat das
Kind in Folge Ueberfüllung mit Nahrung Magenbeschwerden, so
erkennt man dies am Aufstossen und Erbrechen , oft ist dann
auch das Hypochondrium angeschwollen und hieraus lässt sich
schliessen, wie oft das Kind getrunken hat. Dass das Kind unter
Frost leidet, wird ersichtlich daraus, dass es erstarrt, sich zusammen
krümmt und kalt wird, dass die Haut bläulich aussieht und das
Wohngemach kalt ist. Leidet es unter Hitze, so merken wir das
an der allzuwarmen Luft des Zimmers, an dem Rothwerden und
an der schnelleren Respiration des Kindes oder wir finden, dass
das Kind in mehr Decken als nöthig ein gehüllt ist. Wenn es
an harten Exkrementen und Verstopfung leidet, so wird dieser
Zustand daran erkennbar, dass das Kind unter Anstrengung und
Zusammenziehung des Körpers weint. Irgend ein sonstiges Un-
wohlsein oder eine Krankheit zeigen sich in bestimmten Sym-
ptomen und dadurch, dass das Kind die Brust nicht nimmt, ohne
dass eine der vorher erwähnten Ursachen vorliegt. Das Verlangen
nach Nahrung verräth sich, wenn die Lippen sich ohne einen der
vorhergenannten Gründe bewegen, der Mund sich öffnet und zu-
mal, wenn es an seinem Finger saugt, indem es sich dabei die
Warze vorstellt. Auch kann man dies dadurch ergründen, dass
man berechnet, mit welchem Quantum Milch das Kind sich bisher
zu begnügen pflegte und welches Quantum es jetzt nahm, ob
ferner eine grössere Frist seit der letzten Säugung verflossen,
und ob das Hypochondrium zusammengesunken ist. Wenn die
Amme unter solchen Umständen dem Kinde die Brust reicht, um
dem Nahrungsbedürfniss des weinenden Kindes zu entsprechen,
so geht sie niemals' fehl.
§ 1091). Es ist zu vermeiden, dass das Kind unmittelbar nach
l) Schaukeln, ai'uipa. Diese passive Bewegungsart wurde bei den Alten syste-
matisch betrieben und zwar nicht allein bei Kindern. Ein Fragment des Antyllus
(Oribas. I. p. 513, Collect, med. VI. 23) belehrt uns, dass die passive Motion die
innere Wärme aufwecken kann, die überflüssigen Stoffe zertheilen und erloschene
Funktionen erregen, auch gegen Agrypnie soll sie nützen. Das verlorene Buch des
Antyllus heisst ,,uspl Ttotouuivurv ßorjthjjj.d'cujv.“
81
der Sättigung mit Milch, bewegt wird. Schon Erwachsenen be-
kommt das Schaukeln nach dem Essen nicht gut, da die Nahrung
dadurch verdorben wird, noch viel mehr ist dies natürlich bei dem
ganz jungen Kinde der Fall, einmal weil der Körper noch sehr
zart ist und dann weil die Milch schon von Natur oben schwimmt
und so Aufstossen erregt ; dies ist wahrscheinlich auch der Grund,
weshalb die Kinder häufiger brechen, indem sie, ganz wie See-
kranke, in Folge unmässiger und andauernder Bewegung wie un-
geübte Seefahrer vor Uebelkeit speien. Daher bekommen derartig
Aufgezogene einen schwammigen und für Krankheiten leicht
empfänglichen Körper, es geht ihnen ähnlich wie den gemästeten
Zicklein , die man zum Zweck der Mästung nach der Fütterung
mit Milch in einem Korbe schwebend den ganzen Tag und die
ganze Nacht hindurch hin und her bewegt. Denn so vertheilt
sich in Folge der Bewegung die Nahrung durch den ganzen
Körper und es wird jeder Theil desselben damit angefüllt. Wenn
das Kind nun nach der Säugung beharrlich weint, so soll die
Amme es in den Armen tragen und es durch Liebkosungen, Ge-
plauder und sanftes Singen zu beschwichtigen suchen; niemals
darf sie es dagegen durch Schreien oder sonstige Drohungen in
Furcht und Aufregung versetzen. Denn dadurch wird Erschrecken
veranlasst, das leicht körperliche wie seelische Leiden erregt.
Es ist also das Kind nach dem Säugen nicht sofort zu schaukeln,
sondern entweder nach der Verdauung oder vor dem Stillen. Die
Bewegung des Schaukelns ist der Körperkonstitution anzupassen,
zuerst wird die Wanne oder Wiege ein wenig in Bewegung ge-
setzt, welche entweder aufgehängt ist oder auf zwei gegenüber-
liegenden Steinen ruht, später darf die Bewegung in einer Sänfte
stattfinden, nach vier Monaten kann die Amme das Kind in den
Armen tragen und so damit spazieren gehen, oder im Wagen
fahren. Wir halten es aber nicht für gut, wenn die Amme das
Kind auf den Schultern reiten lässt und ihm so Bewegung ver-
schafft. Denn in Folge des Druckes gehen die Hoden entweder
nach oben in den Unterleib zurück oder sie atrophiren überhaupt;
es entwickeln sich so die Kryptorchen (Leute mit verboro-enen
Hoden) und Eunuchen.
Kapitel XXXVIII.
Das Abfallen des Nabels.
§ HO1). Wir müssen nun die übrigen Regeln nach der chrono-
logischen Ordnung betrachten.
1) Verbrannte Schweinsknochen, ^o'ipeiov öotparaXov. Vergl Dioscorid Mnt
fl?.- CaP- 6?- Hier wird der Astragalus des Schweins gebrfnnf als Mitti
t* *d vo“"l l -GriTen bezeichnet- Bei PI in ins, Hist, natur XXVIII f 22
om Schwein „talorum cims“ gegen clavos et rimas gerühmt.
• oranus, Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. r
82
Zunächst fällt nach ungefähr drei bis vier Tagen der Nabel
in folge Vertrocknung ab, es bleibt aber auf dessen Grunde eine
wunde Stelle zurück und diese ist therapeutisch zu behandeln.
Viele Frauen streuen gebrannte und zerriebene Schweinsknöchelchen
oder Schnecken oder Zwiebel auf, manche nehmen auch gebranntes
und geschlämmtes Blei dazu. Noch besser ist es, ein dem Wirbel
an der Spille der Spinnerinnen ähnliches Stück Blei auf die Stelle
des Nabels zu legen , denn die kühlende Natur der Materie be-
fördert die Heilung des Geschwürs und die Schwere derselben
verschafft zugleich dem Nabel eine schöne hohle Form.
Kapitel XXXIX.
Wann und wie ist das Kind aus den Windeln zu
nehmen.
§ ui. Es kommt dann die Zeit, wo das Kind aus den Windeln
zu nehmen ist. Manche besorgen dies ungefähr am 40. Tage
viele erst ungefähr am 60., andere schieben den Termin noch
weiter hinaus. Wir abergehen von der Voraussetzung aus, dass
die ganze Ein Wickelung nur den Zweck hat, den Körper zu
festigen und jede Verrenkung zu verhüten, und halten die Ent-
fernung der Windeln demgemäss erst dann für rathsam, wenn
der Körper genügend festen Zusammenhalt gewonnen hat und
daher die V errenkung irgend eines Körpertheiles nicht mehr zu
befürchten ist. Diese Zeit tritt bei denen, welche im Besitz einer
starken Konstitution sind, früher, bei schwächlicherem Körperbau
später ein.
Die Windeln dürfen nicht plötzlich und nicht alle zu gleicher
Zeit gelöst werden. Denn jede plötzliche Veränderung zum Gegen-
theil verursacht eben Schaden. Zuerst befreie man die eine Hand
und nach einigen Tagen erst die andere, sodann die Fiisse.
Immer aber beginne man mit der rechten, denn wenn diese nach
der Ansicht derer, welche es für besser halten erst die linke Hand
zu lösen, noch gebunden bleibt, so entwickelt sie sich nicht so
kräftig wie die linke, da sie später in Thätigkeit kommt, und dies
ist vielfach die Ursache, dass einige Kinder linkhändig werden.
Ist das Kind noch' kräftiger geworden, so soll es nicht mehr im
Hause, sondern in den öffentlichen Bädern gebadet werden, doch
darf das Bad nicht zu lange ausgedehnt werden und nicht zu
heiss sein. Denn zu Hause kann man keine so gute und tem-
perirte Luft haben !).
l) Wegen Bauart der antiken Häuser, cfr. Pompejanum.
83 -
Bekommt das Kind, während es noch gewickelt ist, in Folge
des Druckes der Binden oder aus sonst einer Veranlassung eine
wunde Haut, so soll man die Windeln beseitigen, dem Kinde ein
einfaches Unterhemd anziehen und die fratte Stelle therapeutisch
behandeln.
Kapitel XL.
Wie muss man die Kinder im Sitzen und Gehen üben?
§ 1 121). Versucht das Kind zu sitzen und aufzustehen, so muss
man diese Bewegungen unterstützen. Will es zu früh und zu
lange sitzen, so pflegt es krumm zu werden, indem das Rückgrat
sich in Folge der Weichheit der Knochen biegt. Steht es in
übereilter Weise auf und will es gehen, so werden die Beine
(resp. Oberschenkel) krumm.
§ 1132). Diese Erscheinung kann man besonders häufig bei
den Kindern in Rom beobachten. Den Grund hierfür sehen
einige darin, dass der Boden der Stadt von kalten Gewässern
durchströmt wird und sich so die Körper leicht erkälten, andere
wieder in dem häufigen Coitus der Weiber oder in dem Statt-
finden des Coitus nach Weingenuss. Die wahre Ursache liegt
jedoch in der Unkenntniss der Kinderpflege. Denn die Frauen
in Rom besitzen nicht die innige Liebe zu ihren Kindern, welche
sie veranlassen könnte, auf alle Einzelheiten Acht zu geben, wie
dies bei den rein griechischen Frauen der Fall ist. Da man die
Bewegungen der Kinder nicht überwacht, verkrümmen sich die
1) xa <jy.iXrj Siaaxpecpexat -/axä [xrjpoüc. Das kann man übersetzen „die Beine
verkrümmen sich in den Schenkelknochen (also etwa Rachitis), oder die Beine luxiren
sich in der Schenkel(Hüft-)gegend (Coxitis tuberculosa ?) freiwilliges Hinken der
älteren deutschen Wundärzte. — Es dürfte sich hier um Rachitis handeln. Ermerins
übersetzt „crura ad femora inflectuntur.'*
T/.eX-n muss mit „untere Extremitäten“ gegeben werden, von denen uripoi einen
Theil (femur) bilden. ‘
Foesius (Oeconomia Hippocratis) p. 157, Art. SiaaxpecpeaÖai = „est per-
verti et distorqueri, diciturque de corporis partibus quae rectas actiones non obeunt,
sed potius ex rectis distortae et flexuosae sunt, tensisque atque ad sua principia con-
tractis nervis, qui ad eas pertingunt.“ Das bezöge sich mehr auf Gelenkkontrakturen,
wie sie z. B. bei Coxitis Vorkommen.
2) „Die Frauen in Rom besitzen nicht die innige Liebe“, hiezu vergleiche man
Juvenal Satir. VI, 938 ff. :
— sed clamat Pontia, feci,
Confiteor pueris meis aconita paravi.
Quae deprensa patent: facinus : tarnen ipsa peregi.
Tune duos una, saevissima vipera, coena ?
Tune duos? — Septem, si septem forte fuissent !
Credamus tragicis, quidquid de Colchide torva (Medea)
Dicitur et Procne.
6*
84
Glieder der meisten. Denn die ganze Körperschwere lastet auf
den ' Schenkeln ; während der Estrich, der zumeist mit Steinen
gepflastert ist, hart ist und nicht nachgiebt. So veranlassen die
Härte des Fussbodens, das Gewicht der Last, die Zartheit des
Trägers nothwendig , dass die Glieder nachgeben, weil deren
Knochen noch nicht genügende Festigkeit besitzen.
§ 1 1 4. Im Augenblick, wo das Kind mit den Versuchen zu
sitzen beginnt, soll man es durch Bekleidung stützen, welche ihm
eine gewisse Festigkeit verleihen kann, doch dürfen diese Ver-
suche zuerst nicht zu lange ausgedehnt werden. Kommt dann
die Zeit, wo es zu kriechen und sich ein wenig aufzurichten ver-
sucht, so soll man es an eine Wand lehnen und dort von Zeit
zu Zeit allein stehen lassen, nach einiger Zeit lerne es dann an
mit Rädern versehenen Körben gehen. So lernt das Kind
allmählich in richtigem Verhältniss zur Zunahme der Kräfte
das Gehen.
Soviel über die Bewegung; nun haben wir über die Ernähr-
ung zu sprechen.
Kapitel XLI.
Zeit und Methode der Entwöhnung des Kindes.
§ 1151). Bis das Kind gekräftigt ist, darf es nur mit Milch
genährt werden. So lange nämlich die Poren noch enge sind,
ist die Zuführung einer festeren Nahrung gefährlich, da einmal
sich diese wegen der Enge der Kanäle nur langsam vertheilt
und dann da sie auf jeden Fall Druck verursacht, auch wenn sie
scheinbar resorbirt wird. Deswegen verfahren diejenigen über-
eilt, welche bereits nach Verlauf von 40 Tagen den Versuch
machen eine Mehlspeise zu verabreichen, im Gegensatz dazu ist
es aber auch wieder nachtheilig, nicht zu einer anderen Nahrung
überzugehen, wenn der Körper bereits erstarkt ist , was vielfach
solche Frauen thun, welche von ihrem Milchvorrath belästigt, die
Brüste ganz ausleeren möchten, und zwar nicht nur, weil bei
einer ausschliesslichen Milchnahrung der Körper schwammig und
darum für Krankheiten zugänglicher wird, sondern auch weil im
Falle einer Krankheit die Milch leicht sauer wird. Sobald also
der Körper erstarkt und fähig ist eine festere Nahrung anzu-
nehmen, welcher Fall wohl niemals vor dem Ablauf von sechs
1) Mohnsamen, jj.rjy.ova zum Brote. Galen, de alirn. facult. Lib. I, cap. „31,
XfJ? nuspou jj.7)-/.o)voc ypr]ai[j.6v etci to anspjj.a E'iuTtaTtop.Evov rot? aproi;. Suvau.iv 8e r/et
iluxmfjv, Stä toüto xat üitviuTixöv eariv. — Plinius, Hist, natur. XIX, § 168. .seinen
tostum in secunda mensa cum melle apud antiquos dabatur; hoc et panis crustici
crustae inspergitur.“
85
Monaten eintritt, ist es empfehlenswert!! , das Kind mit einer
Mehlspeise zu nähren, etwa mit Brotkrumen , welche in Honig-
wasser oder Milch oder süssem Weine oder Honigwein aufge-
weicht sind. Sodann darf man eine Suppe von Weizengraupen,
einen dünnen Brei und ganz weiche Eier verabreichen. Während
des Essens darf man ja keine Milch zu trinken geben. Denn
dadurch, dass die Speise auf der flüssigen Milch schwimmt, verdaut
sie sich schwer und auch der Durst wird nicht gelöscht. Wenn
einmal das Kind nach dem Essen durstig wird, muss man ihm
Wasser oder mit Wasser verdünnten leichten Wein mittelst künst-
licher Brustwarzen geben, aus welchen es wie aus den Brüsten
ohne nachtheilige Folgen die Flüssigkeit zieht. Bald wird man
ein in einer Mischung aufgeweichtes Brötchen geben können.
Bissen, welche erst gekaut werden müssen, wirken durch die
Beimischung von Schleim schädlich. Zu den Broten darf man
keine gewürzartige Zuthat oder Mohnsamen oder Sesam nehmen,
denn diese machen das Brot auch für Erwachsene schwer
verdaulich.
§ ii 6. Wenn das Kind bereits gerne die Mehlspeise nimmt
und das Hervorkommen der Zähne eine vollkommene Zertheilung*
der festeren Speisen verspricht, welches in der Regel erst nach
anderthalb oder zwei Jahren eintritt, so mus man es unmerklich
und allmählich gänzlich der Brust und der Milch entwöhnen,
indem man nach und nach die Quantitäten der Milch vermindert,
die der übrigen Nahrung' vermehrt. So wird sicherlich das Kind
am leichtesten ohne Schaden entwöhnt, indem es in kurzem die
alte Gewohnheit aufgiebt, und zugleich durch ein schrittweise
stattfindendes Auf hören des Säugens die Milch der das Kind
säugenden Amme ohne nachtheilige Folgen versiegen. Die Brüste
mit bitteren und übelriechenden Medikamenten zu salben und dem
Kinde plötzlich die Milch zu entziehen, ist dagegen schädlich;
denn durch die plötzliche Veränderung tritt ein ungewohnter Zu-
stand ein und die Medikamente (-= mit denen die Brust gesalbt
wird ! !) sind schädlich und der Magen leidet darunter.
§ ii 7- Die günstigste Jahreszeit für die Entwöhnung ist der
Frühling, der wegen seiner gleichmässigen Temperatur der Ge-
sundheit zuträglicher ist. Ganz ungünstig ist die Herbstzeit. Denn
zu jener Zeit, wo in Folge der Ungleichheit der Temperatur der
ganze Körper ohnehin schon leicht erkrankt, muss man sich ganz
besonders vor jedem Wechsel in seinen Gewohnheiten hüten,
denn gerade die Veränderung schafft Unpässlichkeit.
Auch Mnesitheos und Aristanax können wir nicht
Recht geben, wenn sie verlangen, man solle die Mädchen erst
sechs Monate später entwöhnen, weil sie schwächer seien. Sie
beachten nämlich nicht, dass manchmal die Mädchen bei weitem
kräftiger und fleischiger sind.
Das Kind muss an alles gewöhnt werden, an Wein, Wasser,
kalte und warme Getränke, Salben. Es ist gut, das Kind gleich
von Anfang an, an alle nützlichen Djnge zu gewöhnen, doch mit
dem Stillen soll man bis zum Eintritt des Zahnens fortfahren.
Wird das Kind zu dick (mastig) und athmet es schwer, so wird
man die Fülle dadurch beschränken müssen, dass die Amme nur
wenig nahrhafte Speisen und diese nur in geringen Quantitäten
zu essen und nur Whsser zu trinken bekommt, während das Kind
nur spärlich Milch erhält, dagegen viel im Handwagen herum-
gefahren wird. Ist das Kind von Natur gefrässig und verlangt
es somit mehr Nahrung, als es verdauen kann, so muss man dessen
Gedanken durch Zerstreuungen und Scherze ablenken, die Portionen
verkleinern, nur trockenes Brot geben und die Milch verdünnen;
verlangt es dagegen weniger Nahrung, als es verdauen kann, so
soll man den Appetit durch möglichste Mannichfaltigkeit der ge-
botenen Speisen herbeilocken. Denn gerade die Neuheit bei den
Vorgesetzten Speisen reizt den Appetit.
Wenn das Kind nach der Entwöhnung krank wird, so muss
man wieder zur Ernährung mit Milch zurückkehren und erst,
nachdem die Krankheit zu Ende ist und der Körper sich wieder
erholt hat, mit der Entwöhnung wieder beginnen.
Kapitel XLII.
Das Zahnen.
§ 1 1 8. Im siebenten Monat ungefähr beginnt das Zahnen,
welches Entzündung des Zahnfleisches, der Kinnbacken und der
Muskeln veranlasst. Um der letzteren möglichst vorzubeugen,
darf das Kind keine Speisen bekommen, welche erst gekaut
werden müssen. Denn durch den Druck wird das Zahnfleisch ge-
reizt und wenn es hart geworden ist, dringen die Zähne schwieriger
durch. Gerade im Gegentheil empfiehlt es sich, schon vom fünften
Monat an das Zahnfleisch während des Waschens tüchtig mit
dem eingeölten Finger zu reiben und mit Hühnerfett zu erweichen.
Auch muss man dem Kinde ein Stück Speck, welches es mit den
Händen festzuhalten hat und welches gross genug, um das Ver-
schlucken zu hindern, reichen, damit es die Feuchtigkeit heraus-
sauge und damit das Zahnfleisch vermöge der Weichheit des Fettes
nicht übermässig erschlaffe. Während des Zahnens aber und
zumal wenn die Zähne schon hervorschauen, soll man mit diesem
Verfahren aufhören. Denn dann werden die Zahnfächer unter
Schmerzen gedehnt, wenn das Kind beim Zullen die Schichten
des Fettes mit dem Zahnfleisch zerreisst. Auch ist der Gebrauch
von Butter und von scharfen Salben zu unterlassen, denn ent-
zündete Organe werden durch scharfe Substanzen gereizt ; ebenso
schädlich ist die Zertheilung des Zahnfleisches mit dem Messer.
Dagegen kann man Nacken, Kopf und Kinnbacken in reine und
weiche Wolle einhüllen, dieselben Theile mit süssem und warmem
Oele benetzen und solches ebenfalls in die Ohren träufeln. Hält
die Entzündung hartnäckig an, so soll man Umschläge mit Weizen-
mehl, Bockshorn oder Leinsamen machen, auch warme Bähungen
besonders des Zahnfleisches mit einem Schwamme sind zu em-
pfehlen, auch kann man dieses mit lauwarmem Honig bestreichen.
Wenn stärkeres Allgemeinleiden vorhanden ist, soll man mit dem
Baden aussetzen, die Amme selbst nur wenig und zwar nur
Wasser trinken, nur breiige Nahrung geniessen und, wenn sie dem
Kinde die Brust reicht, ihm die Milch mit der Hand in den Mund
streichen, damit es sich beim Saugen nicht wehe thut und so die
Entzündung sich steigere.
§ 1191). Bei einer Entzündung der Mandeln wenden wir die-
selben Mittel an wie bei jeder Entzündung-, indem wir Honig-
wasser und Gerstenabkochung einflössen, die Ammen aber machen
um den Hals nasse Umschläge mit gedörrtem Kümmel, die Mandeln
reiben sie mit Salz und altem Oele, ausserdem fassen sie das
Kind mit einer Hand an beiden Schenkeln und stellen es auf
den Kopf zwischen die Thürpfosten und zwar so, dass es mit dem
Scheitel den Boden, mit den Füssen die Decke berührt (corrupte
Stelle). Dies thun sie siebenmal. Diese Stellung bewirkt Kon-
gestion des Kopfes und also auch der Mandeln. Die Reibung an
und für sich verschärft zwar die Entzündung und noch mehr thut
dies die Schärfe des Salzes, der Kümmel aber wirkt durch seine
Ausdünstung auf den Kopf kongestiv.
§ 1202). Die Aphthen sind ein oberflächliches Geschwür in
der Mundhöhle. Ist der Schorf nur gering, so muss man den
1) Mandeln, Ttaptofl[j.ta, auch ävtidSsc, pdjXa. Yergl. Rufus Ephes. ed. Ruelle,
p. 141 ( ~ s p > op.ojj.aota; To>v toü dvi}pä)~ou poptiuv). Hier werden vier Mandeln ange-
nommen (Rachentonsille ?)
2) Aphthen. Unter diesem Namen wurden die verschiedenen Mundkrank-
Kapitel XLIII.
Die Entzündung der Mandeln.
Kapitel XLIV.
Die Aphthen.
88
Mund nur mit Honig bestreichen, ist er gross und mit Trocken-
heit und Hitze verbunden, so soll man erweichende, ist er endlich
feucht, adstringirende Umschläge verordnen, z. B. mit Linsen und
Granaten. Innerlich darf gegen das Geschwür angewandt werden:
die frische oder gepresste Rosenblüthe oder Kyperos oder die
Frucht der Tamarisken. Nimmt die Nässe sehr überhand, so ge-
brauche man das Mundwasser aus Maulbeeren, Mohnköpfen und
Schafzunge mit Honig oder irgend einem adstringirenden Dekokt
gekocht mit Honig. Es hilft auch Irissalbe mit Honig; will man
trockene Substanzen einblasen, so können dazu genommen werden:
zerstossenes Rosenlaub, die Rosenblüthe, Safran, eine kleine
Quantität Myrrhe, Gallapfel, Weihrauch, die Rinde des Weihrauch-
strauches, alle diese Mittel zugleich oder jedes einzeln für sich,
doch immer in Honig angefeuchtet; ferner noch das Honiggemisch
und der Saft der süssen Granate.
Dagegen kann ich es nicht gutheissen , wenn die Ammen
den Finger mit Haaren umwickeln, ihn in Oel oder Honig tauchen
und damit die Geschwüre auswischen, wie es besonders die
syrischen Ammen gerne thun. Denn durch die Entfernung des
Schorfes werden die Geschwüre gereizt und verschlimmert.
Kapitel XLV.
Ausschlag und Jucken.
§ 121* 1]. Gegen das Jucken des Körpers hilft Bähung und
reichliches Bestreichen mit einer aus Oel gekochten Salbe, welche
mit einer geringen Quantität Wachs vermengt sein muss, damit
heiten zusammengeworfen. Die „acpHai“ beiSoranus (und auchHippocratesAphor.nl. 24)
dürfen auf Soor gedeutet werden, dessen Pilz (O'idium albicans) von dem Schweden
Berg entdeckt wurde. Man sehe auch Oribasius Euporista IV. 69 (in Darembergs
Edition V. 748).
Ueber die Konfusion in Bezug auf „Aphthae“ vergleiche man H. Bohn in
Gerhardt’s Handbuch der Kinderkrankheiten IV. Abth. 2.
1) Bähung itupta eigentlich Dampfbad, auch Fomentation. Oribas II. 323 ff.
nebst Anmerkung Darembergs p. 862 : Die milden Bähungen passen für scharfe
(heissende) Säfte. — Galen (im Kommentar zu Hippocrates, Epidem VI, III, 18.)
„Ttuptav os Traaav axoua-sov Tijv s^iutlsv rjpiv itpocnTtirTO'jaavll sppaoiav, sts a~o Trupoc,
s ts sv Xoutpoi; ysvoito.“ Indess ist mit Daremberg der Begriff auch auf Fomen-
tationen auszudehnen, wobei sowohl trockene als feuchte denkbar sind.
Ueber Fomente sehe man auch Celsus II 17, ferner Alex. Tra llian. Lib. VI
über Pleuritis (ed. Puschmann II, 232). Hier erwähnt sind Bähungen mit Hirse,
Schwämme in Kamillenthee getaucht, Kleie. „Diese Bähungen sind vorzüglich und
passen fast gegen jeden Schmerz.“ Man sehe auch Foesius, Oeconomia, Art 7:001»].
Jucken o’oa;T]upoj, bei Hippocr. auch o?a5topio?, vergl. Föesius, Oeconom.
Hippocr. Art. ooo?wp6f.
89
sie dicker wird und so längere Zeit hindurch arn Körper haften
bleibt. Gegen Ausschlag, Bläschen und nasse Geschwüre, welche
sich auf der Haut bilden, wollen wir Waschungen mit Salzwasser
und Harn wegen der Schärfe nicht angewandt wissen. Diese soll
man vielmehr ruhig bestehen lassen, erst wenn sie schön abge-
bliiht sind, greift die Therapie ein, und nun waschen wir mit einer
Abkochung aus Rosen oder Linsen; bedarf es einer energischen
Adstringirung, so nehmen wir Abkochungen aus Myrthe, Mastix,
Brombeeren oder Granaten. Weiter ausgebreitete Geschwüre be-
handeln wir mit Umschlägen von Schafzunge, vermischt mit Brot,
von Wegwarte oder feinem Gerstenmehl, vermengt mit Portulak
oder Hauslaub oder Nabelkraut, von getrockneten oder frischen
Rosen, welche mit Melilotos abgekocht sind, oder von Datteln;
auch gebrauchen wir Salben aus Bleiglätte, Blefweiss, Alaun,
Essig und Myrthen-, Rosen- oder Mastixbaumöl.
§ 122. Hat der Säfteandrang und die stärkere Absonderung
von Eiter aufgehört und sehen die Geschwüre dann entzündet
aus, so waschen wir mit warmem Oelwasser oder mit einer Ab-
kochung aus Leinsamen oder aus Bockshorn oder aus den Wurzeln
der wilden Malve, auf die Geschwüre lassen wir ausserdem das
Weisse vom Ei auftragen, nachdem dieses zuvor zerrieben und
mit flüssigem Wachs gemengt ist. Ist auch die Entzündung ge-
schwunden und nur noch etwas Beleg vorhanden, so reinigen wir
vermittelst Honig, der zuvor ein wenig ausgekocht wird, damit
er den scharfen und heissenden Geschmack verliert, oder durch
Linsenhonig. Dabei ist es zu empfehlen, die Linsen enthülst zu
kochen, damit sie etwa noch vorhandene Kleie mit ihrem zu-
sammenziehenden Geschmacke verlieren. Nach der Reinigung der
Geschwüre bedecken wir die Substanzverluste wieder mit Blei-
glätte oder Bleiweiss oder einem Saftmittel. Nach der Heilung
der Substanzverluste wenden wir zum Zweck der Vernarbung
Salben aus Baumharz, aus Eiern, aus Gerste oder aus Galmeian
nach vorhergehendem Gebrauch von Rosensalbe. Auch darf man
ganz gelinde mit Natron waschen, ein kräftiges Waschen ist nicht
zu dulden.
Als zweckmässig ist zu empfehlen, der Amme eine süsse
Diät vorzuschreiben, höchst förderlich ist es auch das Kind so zu
nähren , dass es weder zu voll wird noch gerade Hunger leidet.
Ist der Stuhlgang des Kindes angehalten, so soll man Honig als
Stuhlzäpfchen anwenden. Hilft dies noch nicht, so kann man
noch Terpentinharz in der Grösse einer Erbse hinzuthun, bei einem
dünnen Stuhlgang wendet man am besten Hirse an.
— 90 —
Kapitel XL VI.
Vom Katarrh und Husten.
§ Gegen den Katarrh des Kindes, welcher die Folge
von starker Schleimanhäufung ist, verordnen einige Aerzte Leckarz-
neien (Linctus) aus Kresse, Kümmel, Nesselsamen und Pfeffer.
Diese Mittel verwerfen wir wegen ihrer Schärfe , weil sie in
Folge ihrer scharfen Eigenschaften Blutandrang erregen und Anlass
zu einer stärkeren Entzündung geben. Wir träufeln beharrlich
Honigwasser ein. Vermag das Kind, wenn es dieses schluckt,
noch nicht den Schleim auszuspeien, so drücken wir seine Zunge
nieder, dadurch wird Erbrechen bewirkt und das Niedergeschluckte
wieder leicht ausgesondert. Auch bei Hustenanfällen des Kindes
schliessen wir die scharfen Arzneien aus, dagegen verordnen wir
Leckarzneien an aus Pinienkernen, gerösteten Mandeln, Leinsamen,
Süssholzsaft (Succus liquiritiae, Lakritzensaft), Zirbelnüssen, Bocks-
dorn und Honig. Die scharfen Mittel erhöhen nur den Husten-
reiz, zumal in der ersten Zeit der Krankheit. Auch das Baden
können wir nicht empfehlen.
Kapitel XL VII.
Die Siriasis.
§ 1241 2). Die Siriasis ist nach des Demetrios Definition,
welche er in seiner Zeichenlehre überliefert, nichts weiter als ein
1) Ueber arpoßtXot und uitutSs; vergleiche Daremberg in Oribas. II. 901. Darem-
berg nimmt im Widerspruch mit Sprengel an, dass crrpoßtXoi die Nacktsamen von
Pinus Pinea (Pinie) sind, tu'tuc soll die Föhre sein, sonst müsste man an Pinus
Cembra denken, welche nach F raas, Flora classica nicht in Griechenland wächst.
Da Soranus aber zu Rom prakticirte, braucht man diesen Umstand nicht besonders
zu betonen.
2) Demetrius von Apamea, von Attala, auch von Bithynien. Ob Demetrius
der Epicuräer derselbe ist, steht dahin (Erotian, ed. Klein p. 32 u. 81). Galen, de
compos med. per genera. Lib. IV (Kühn XIII. 722), ferner de Theriac. ad Pison
(Kühn XIV. 261), wo ein Demetrius Galen als Zeitgenosse bezeichnet ist, während
der Bithynier etwa 250 n. Chr. gelebt hat und ein Anhänger des Herophilus war.
(Cael. Aurel., Chron. III. cap. 8 erwähnt einen „Liber de passionibus“ , ferner in
Acut. II, cap. 25). Ueberhaupt bildet Caelius Aurelianus (Soran’s Bearbeiter) die
reichste Quelle zur Kenntniss des Demetrius. Man vergleiche auch Haller, Bibi,
med. pract. I. 128, 198.
ÜEtptaotc. Hier muss man entweder an schwere febrile Zustände mit Hirner-
scheinungen denken oder an Meningitis; ausserdem könnte man das „Hydrocephaloid“
Marshall Hall’s herbeiziehen, wofür wenigstens die eingesunkene Fontanelle sprechen
würde.
In den Problemata, die man dem Alexander von Aphrodisias zuge-
schrieben hat, finden wir Lib. I, 98: Warum leidet das Kind im Sommer an Seiriasis
(jsipicf), was das Volk von grosser Hitze herleitet? Antwort: Es fiebert etwas, hat
91
Brennfieber, nach der Ansicht anderer eine Entzündung des Ge-
hirns und der Gehirnhäute, welche Einsinken des Scheitels (Fon-
tanelle) und der Augen, sowie Blässe, Trockenheit und Appetit-
losigkeit zur Folge hat. Sie ist zu behandeln wie jede andere
Entzündung. Den Namen der Krankheit leiten einige von dem
Sterne Sirius ab wegen der Hitze, andere bringen ihn in Ver-
bindung mit der eingesunkenen Fontanelle; olqos heisst nämlich
bei den Landleuten eine Grube, in welcher sie den Samen auf-
bewahren.
Heilsam ist folgende Behandlung: man lege einen doppelt
gefalteten Lappen mit einer Lösung von Eidotter und Rosenöl
auf die Schläfen und erneuere diese Umschläge beständig oder
man lege auf die Schläfen ein Heliotropblatt, Kürbis fein ge-
schnitten, die Schale der Gurke, welche das Fleisch derselben
umschliesst oder den mit Rosenöl vermengten Saft der im Garten
gezogenen Nachtschatten* 1).
Kapitel XLVIII.
Der Bauchfluss.
§ 125'2). Beim Bauchfluss des Kindes missbilligen wir die
Anwendung des Waschens und starken Bewegens, wir empfehlen
vielmehr adstringirende Umschläge und spritzen vermittelst einer
hohle Augen, findet keinen Schlaf und ist schwach. Manche haben auch Durchfall;
denn die Kinder sind für Krankheiten sehr empfänglich und zu Verschleimung im
Kopf geneigt. Bei Sommerhitze erzeugt der faulende Schleim Fieber und entzündet
die Hirnhäute, weshalb es nicht schläft. Und indem die Fieberwärme durch die
Arterien zum Herzen geleitet wird, wird durch Erhitzung des nvsöp.a neues Fieber
erzeugt, doch ohne Fäulniss. Und indem durch das Fieber sich Galle ausgiesst,
entsteht Durchfall, da die Galle die Gedärme reizt. Da nun der Grund des Leidens
im Hirn liegt, so wird durch Kühlung des Kopfes das Fieber gelöscht.
Man sieht, dass das von Alexander gegebene Bild in vielen Zügen an das
Hydrocephaloid erinnert. Dass von „Sonnenstich“ keine Rede sein kann (Hennig,
in Gerhardt’s Handbuch I) ist vollkommen klar. — Vermuthlich wurden unter dem
Namen Siriasis mehrere symptomatisch ähnliche Zustände zusammengeworfen.
1) Alexander Trallian. I, 340.
2) atpa, Lolch, (Lolium temulentum L.) nach Dioscorides, Mater, med. II,
122, unter dem Weizen wachsend, als Mittel gegen Geschwüre, Lichenes etc. gebraucht.
Galen, de alim. facult. I., cap. 37. Das mit Lolium verunreinigte Korn soll
Kopfweh erregen, im Anfang des Sommers sollen aber Geschwüre bei den Konsu-
menten entstehen.
Galen, de simplic. Lib. VI, cap. 10. Medizinische Eigenschaften des Lolium.
— Vergib Bucolica V. 36:
„grandia saepe quibus mandavimus hordea sulcis,
infelix lolium et steriles nascuntur avenae.“
ferner Georgica I, 1 54 : „infelix lolium et steriles dominantur avenae.“
GXCtfA|AOViov. Dioscorid. Mater rned. IV, cap. 1 68. Er unterscheidet ein mysi-
sches und ein syrisches. Letzteres soll nach Rufus am asiat. Olymp und um Kolo-
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kleinen Ohrspritze einen Cyathus des Saftes der Schafzunge oder
überhaupt irgend einen ähnlichen Saft ein , wie wir ihn bei Er-
wachsenen zulassen, solange es die Kräfte gestatten. Erhält das
Kind noch die Brust, so schreiben wir der Amme eine Diät vor,
welche dem Leiden des Kindes entspricht, wir verbieten zu baden,
lassen sie nur Wasser trinken und zusammenziehende Speisen
gemessen. Die Eigenschaften derselben übertragen sich nämlich
in höherem Grade auf das Kind selbst. Wie bei Sauen, welche
Lolch gefressen haben , die Sehkraft ihrer Saugferkel leidet , sie
selbst aber nicht blind werden * 1), wie ferner Zicklein, welche ihre
Nahrung von Ziegen erhalten, die Skammonia gefressen haben,
Durchfall bekommen, während die Ziegen vom Bauchfluss ver-
schont bleiben, ganz ebenso wird bei der Zuführung adstringirender
Speisen die Amme viel weniger von der adstringirenden Wirkung
betroffen, als das ihre Milch saugende Kind. Wenn daher das
Kind eine längere Zeit hindurch keinen Stuhlgang gehabt hat,
so verordnen wir der Amme Speisen, welche den Unterleib laxiren.
§ 126. Ueberhaupt die ganze Zeit hindurch, wo das Kind
mit Milch genährt wird, hat die Amme eine der Krankheit des
Kindes entsprechende Diät zu befolgen, das Kind selbst wird mit
entsprechenden Umschlägen, Pflastern oder Einspritzungen be-
handelt. Nach der Entwöhnung bekommt das Kind selbst die
der Krankheit entsprechende Nahrung, deren Zeichen in dem
Buche über Therapie besprochen und da zu vergleichen sind.
Wann das Kind einem Erzieher zu übergeben ist, wie dieser be-
schaffen sein muss, welche Gesinnung gegen die Eltern dem Kinde
einzupflanzen ist, wenn es von diesen nicht selbst erzogen wird,
und andere derartige Fragen gehören nicht vor das Forum des
Arztes, sondern vor das des Philosophen, ich kann demnach füg-
lich die Erörterung dieser Fragen anderen überlassen und selbst
hier das Kapitel über die Kinderpflege schliessen.
Nach dieser Erörterung aller normalen Verhältnisse müssen
wir dazu übergehen, die pathologischen Zustände, welche bei den
Frauen auftreten, möglichst erschöpfend abzuhandeln. Damit die
Eigenart des Stoffes gleich klar hervortrete, werden wir, wie es oben
angedeutet wurde, festzustellen suchen, ob es überhaupt Krank-
heiten giebt, welche den Frauen eigenthiimlich sind.
phon am besten wachsen. Es ist nach Sprengel : Convolvulus farinosus, caulibus
farinosis , foliis cordatis, pubescentibus. Convolvulus Scammonea , soll nicht nur in
Syrien, sondern auch in Kleinasien und Taurien Vorkommen. Rufus (bei Oribas II 9°)
stellt die abführende Kraft der Scammonia sehr hoch, aber sie verursache Cardialgie,
sei übelriechend und widrig, mache Durst, weshalb man sie mit Aloe vermische.
Weiter werden die Indikationen genau besprochen.
1) tr/otoc kann auch als „Schwindel“ gedeutet werden.
Zweites Buch.
Einleitung.
Giebt es Krankheiten, welche den Frauen eigen-
tümlich sind?
§ i1). Man hat auch darüber Untersuchung angestellt, ob es
den weiblichen Wesen [d-rjleuÖ v) eigene Krankheiten giebt, insofern
die Frau (im engeren Sinne) zu dem Genus Weib (9'ijlv) gehört.
Das Wort „eigentümlich“ kann mancherlei bedeuten, in der vor-
liegenden Frage aber kommen zwei Bedeutungen in Betracht.
Einmal bedeutet es „das was nicht zugleich einem zweiten gehört“,
wie man z. B. sagt, dies Kleid gehört mir als ausschliessliches
Eigenthum, zweitens „das was nicht fremdes Gut ist“, wie z. B.
jeder von zwei Brüdern, die Gütergemeinschaft haben, von dem
Landgut, den Sklaven, überhaupt von allem, was ihnen beiden
gehört, sagen kann, es sei ihm eigen, obwohl es auch dem andern
gehört. Beider vorliegenden Frage handelt es sich nur um die erstere
Bedeutung. Ein Zustand nun ist bald physiologisch, wie z. B.
die Conception, das Gebären und die Absonderung der Milch,
bald pathologisch, wie z. B. das Fieber. Unter den pathischen
Zuständen unterscheidet man wieder Allgemeinleiden, wie z. B.
Straffheit der Faser und örtliche, nur einzelne Theile des Körpers
angreifende Leiden wie z. B. Wahnsinn oder Lethargie (Schlaf-
sucht). Vornehmlich hat sich die Betrachtung um die pathischen
Zustände zu drehen, sowohl die konstitutionellen als die lokalen
Aflfektionen.
§.22). Die Untersuchung vorliegender Frage ist deshalb von
wesentlichem Nutzen, weil wir so auch erfahren, ob die Frauen
1) Frau (Y'jvfj) = das menschliche Weib; ftfjXu bezieht sich auf das Genus
femininum überhaupt, gleichviel ob Mensch oder Thier.
2) Diokles von Karystus, einer der grössten Aerzte des Alterthumes.
Dessen Fragmente hat theilweise gesammelt M. Frankel, Diss. Berolin. 1840. Die in
Oribasius enthaltenen Auszüge sind nicht berücksichtigt; ebensowenig von Helmreich
im Biogr. Lexikon.
Athenaeus, als Schüler des Erasistratus ; Er m er ins liest Athenion,
welcher Xame sonst nur im 5. Buche des Celsus vorkommt (Erfinder eines Husten-
auch eine besondere Behandlung beanspruchen müssen. Es stehen
sich nun zwei Ansichten gegenüber. Einige nehmen für die
Frauen besondere Krankheiten an; dazu gehören die Empiriker,
Di o kies im ersten Buche seiner Gynäkologie, unter den An-
hängern des Erasistratos Athenaeos, unter den Schülern des
Asclepiades Miltiades aus Elaiussa in dem dreizehnten Buche
seiner chronischen Krankheiten und Demetrios aus Apamea.
Andere leugnen dies ; dazu gehören nach der Ansicht der Mehr-
zahl Erasistratos, Herophilos, wie die Anmerkungen der
Scholiasten behaupten, ApolloniosMysin dem ersten und dritten
Buche über die Sekte, nach der Meinung der meisten Aerzte
auch Askl epiade s, Al exander Philal e thes, Themison und
Thessalos und deren Schüler.
§ 31.) Die Vertheidigung der Ansicht von den Frauen eigen-
thümlichen Krankheiten wird folgendermassen geführt. Man be-
zeichnet manche Aerzte speziell als Frauenärzte, weil sie sich mit
der Behandlung von Frauenleiden befassen; das Publikum ruft in
der Regel eine Wehemutter zur Hilfe, wann den Frauen etwas
besonderes zustösst, was bei Männern nicht vorkommt. Auch
schon von Natur unterscheiden sich Mann und Weib in solchem
Grade, dass Zeno der Epilcuräer im Anschluss an Aristoteles das
Weib einen unvollkommenen, den Mann den vollkommenen Or-
ganismus nannte. Was sich in seiner ganzen Natur derartig unter-
mittels). Da übrigens der Pneumatiker Athenaeus, welcher vor Soranus, etwa 70 p. Chr.
lebte, sehr vielseitig war, ist es sehr denkbar, dass er sich auch mit der vorliegen-
den Frage befasst hat. Auch ist zu bemerken, dass Athenaeus bei Caelius Aurelianus,
dem Uebersetzer unseres Soranus, citirt wird (Athenaeus Tharsensis, Acut. Lib. II,
cap. 1).
Miltiades aus Elaiussa in Cilicien, als Arzt nur von Soranus erwähnt.
Demetrius von Apamea (etwa 270 — 240 v. Chr.), auch von Attala oder von
Bithynien, bei Caelius Aurelianus fünfzehnmal citirt, verdient um die Lehre von den
Dystokien. Man sehe auch oben §124 (Siriasis), wo D. als Autor eines Semiotikon
erwähnt ist.
Der als „Herophileer“ von Soranus citirte Arzt ist mit obigem identisch (II § 43
und § 53, 54). Berühmt war auch sein Werk „de passionibus“, welches mindestens
zwölf Bücher umfasste.
Apollonius Mys, Zeitgenosse des Augustus, schrieb über die Sekte des
Herophilus. Von Cael. Aurelianus (Acut. II, Cap. 12) bei Gelegenheit der Pleuritis
citirt. Er soll das Oleum Ricini eingeführt haben.
Alexander Philalethes, Herophileer, Zeitgenosse des Vorigen, Autor
einer Gynäkologie (II. § 43) und über den Puls in der Schrift rupi täv äpeoxövttuv. ?
1) Zeno der Epicuräer aus Sidon lebte bis 78 v- Chr. in Athen. Diogenes
Laertiades, Lib. X, Epicurus No. 15- „Ztjviov 0 2t8(üvoio?, axpoctTT]? AnoXXoStupou,
TroXyYpatpo; ocvTjp.“ _ _ I
„Es giebt sieben einfache“ etc., hier hat Rose eine Textlücke, weshalb ich
hier die Lesart Ermerins’ adoptirt habe. V. Rose bezieht die Stelle auf ein Dogma
des Erasistratus. Es ist mir nicht gelungen die Quelle zu entdecken. Auch die
Anmerkungen Rosenbaums zu Sprengel bieten nichts, obwohl sie die beste Zusammen-
stellung der Lehren des Erasistratus geben.
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scheidet, für dieses kann man auch wohl besondere Leiden be-
kommen. Nur die Frauen haben den Uterus und ihnen allein
kommen die Funktionen desselben zu, wie die Menstruation, Con-
ception, Geburt. ...
Es giebt sieben primäre und einfache Leiden, weshalb als den
Frauen eigenthiimlich keines übrig bleibt. Auch Herophilps be-
hauptet in seinem Buche über Geburtshilfe, der Üterus sei aus
demselben Stoffe gemacht wie die übrigen Körpertheile, ebenso
funktionire er auf Grund derselben Kräfte, enthalte dieselben
Substanzen, erkranke aus den gleichen Ursachen als da sind:
Plethora, dickes Blut und Abweichungen vom allgemeinen physio-
logischen Verhalten (?). Es gebe keine besonderen , nur den
Frauen eigenthiimlichen Zustände, abgesehen von der Schwanger-
schaft, Ernährung des Fötus, der Geburt, Absonderung der Milch
und deren pathologischen Gegensätze. Wenn die Anhänger des
Asklepiades beweisen wollen, dass den Frauen allein eigenthüm-
liche Beiden nicht existiren, so führen sie aus, das Weib sei aus
derselben elementaren Masse geformt wie der Mann, ihre Krank-
heiten entstehen aus gleichem Anlasse, nämlich in Folge von
Stockung, eine Ursache der meisten Leiden, und ihre Therapie
umfasst die gleichen Eingriffe (Operationen) und Mittel. Eine
spezielle Frauenkrankheit gebe es nicht. Gleich seien auch Phy-
siologie, Aetiologie und Therapie. Themison und Thessalos be-
haupten ebenfalls, es gebe keine besonderen Frauenkrankheiten.
§ 41 * * *). Wir treten der Meinung der letzteren bei, dass die Be-
weisführung der anderen hinfällig sei. Wir bestreiten, dass unser
Körper aus drei Hauptgeweben bestehe ; zwar wird er durch die
Stoffe ernährt, aber die vorbereitende Ursache ist Blutüberfluss,
die {avvey.zy.rj) dauernde Ursache aber ist Blutandrang und Stockung.
Dass es im Allgemeinen sieben Leiden giebt, ist auch nicht wahr,
wie wir bei anderer Gelegenheit ausführlich dargeleg-t haben.
Dass ferner durch die qualitative Anordnung der Grundgewebe
bei dem weiblichen Geschlechte ein Körpertheil andersartig aus-
gefallen ist, ist möglich. Erasistratos behauptet, auch die übrigen
Theile haben sich durch *Hie eigöTittemliche Anordnung der Ge-
fässe anders gestaltet. Auch wenn sie nicht von den anderen
l) „Aus drei Hauptgeweben bestehe“. Erasistratus lehrte, dass Nerven, Venen,
Arterien als wesentlichste Bestandtheile den Leib zusammensetzen ("Galen, Isaeoee’
bei Kühn XIV, 697). S ’
„Blutandrang“ = pisrepams = TTapep.TtTincji<;, eigentlich ist hier das widernatür-
liche Eindringen des Blutes von den Venen in die Arterien gemeint, zwischen denen
Erasistratus Anastomosen annahm. Bekanntlich glaubten die Alten, dass die Puls-
adern nur Pneuma enthalten (Galen, Isagoge, Kühn XIV, 692). Hierüber ausführ-
lich bei Sprengel in Rosenbaums Bearbeitung, auch Häser I, 239, 3. Aufl.
„Gegen Asclepiades“, dessen atomistische Lehre nimmt an, 'dass der Organis-
mus aus feinsten Kanälen (uopcu) bestehe und dass die Stockung in diesen Krank-
heit erzeuge (Cael. Aurelian. Acut. § 107).
Soranus: Ucbcr die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. 7
— 98
verschieden sind, so kann es doch ein besonderes Leiden geben,
weil ja auch derselbe Theil bald an Verstopfung bald an Er-
schlaffung leidet.
Gleichermassen lässt sich dies gegen Herophilns anführen,
und ebenso auch gegen Asklepiades. der über die Elemente und
die Ursachen irrige Angaben macht. Ferner behauptet er, die
Stockung sei der Grund, zwar nicht für alle, sondern nur
für die Mehrzahl der Leiden, weil der Heisshunger, die Wasser-
sucht und das bei der Auflö s u n g x) eintretende Fieber auf einen
anderen Grund zurückzuführen sei. Es kann sich demnach selbst-
ständig ein Leiden entwickeln, das nur den Frauen eigenthümlich
ist und welches nicht durch eine Stockung veranlasst ist, wie
z. B. es bei den Schwergeburten der Fall ist.
§ 5. Die blosse Behauptung aller dieser Männer enthält schon
die Wahrheit, aber die Beweisführung ist ihnen misslungen. Wir
sind der Ansicht, dass es wohl physiologische Zustände giebt, welche
den Frauen eigenthümlich sind, wie das Concipiren, Gebären und
Milchbereiten, falls man diese Funktionen überhaupt als Leiden
bezeichnen will; dass unter den pathischen Zuständen aber keines-
wegs Allgemein-, wohl aber Spezialleiden ihnen eigenthümlich
sind. So erkrankt, was zunächst die Allgemeinleiden betrifft, das
Weib in gleicherweise wie der Mann an Verstopfung = (Straff-
heit der Faser) und Erschlaffung und zwar akut und chronisch,
es erfährt die Verschiedenheit der Zeitumstände, Schwere der
Krankheit, Abnahme der Kräfte und die verschiedenen Arten von
Geschwüren und Wunden. Was die örtlichen Krankheiten be-
trifft, welche ganz besondere Unterschiede haben, so giebt es deren
bei den Frauen, d. h. diese leiden an Krankheiten, welche sich
durch bestimmte Symptome offenbaren. Deshalb kommt auch im
Allgemeinen bei der Frau die gleiche Therapie zur Anwendung,
wie in den folgenden Kapiteln weiter ausgeführt werden wird.
—
Kapitel I.
Amenorrhoe und Dysmenorrhoe.
§ 6. Unter den diätetisch zu behandelnden Krankheiten finden
wir zunächst die Amenorrhoe, denn die Reinigung ist die vor-
nehmste Funktion des Uterus. Verschieden von der Amenorrhoe
(Zurückhalten des Monatlichen) ist die Dysmenorrhoe (beschwer-
liche Reinigung), wie von der Ischuria (Harnverhaltung) die
Stranguria (Flarnstrenge). Die erstere besteht in einem voll-
ständigen Authören des normalen Blutflusses aus dem Uterus,
die Dysmenorrhoe ist dagegen eine Behinderung der Exkretion.
!) Uitex^uaic, hierüber I. 122. II. 11. 16. kann auch mit „Zertheilung*' gegeben
werden.
99
Ein weiterer Unterschied besteht zwischen „nicht menstruirt
sein“ und „dem Ausbleiben der Menses“. Mit dem Ausbleiben
des Monatlichen ist immer ein Ausbleiben der Reinigung ver-
bunden, aber umgekehrt ist Amenorrhoe nicht mit Ausbleiben
der Menses identisch, wofür die ganz jungen und ganz alten
Frauenzimmer und ähnliche den Beweis liefern. Es ist unpassend
bei diesen von einem Zurückhalten des Monatlichen zu reden,
da sie doch gar keinen Stoff zur Reinigung in sich tragen. Des-
wegen kann das Fehlen der Reinigung sowohl physiologisch als
pathologisch sein, das Zurückhalten des Monatlichen ist jedoch
in allen Fällen pathologisch,
§ 7. Das Fehlen der Menstruation ohne pathologische Ur-
sache und in ganz normaler Weise tritt ein, erstens bei Weibern
zu zarten oder zu hohen Alters, zweitens bei schwangeren, bei
Mannweibern und Unfruchtbaren, Sängerinnen und gymnastischen
Künstlerinnen, denn diese haben keinen überflüssigen Stoff für
die Reinigung übrig, da derselbe durch die Anstrengungen auf-
gebraucht oder in Fleisch verwandelt wird. Sodann wird das
Fehlen der Menstruation durch Erkrankung des Uterus oder des
übrigen Körpers oder beider Theile zugleich verursacht. Solche
Krankheiten des Uterus sind: die sogenannte Atresie, A^erhärtung,
Krebs (Scirrhus), Entzündung, Narben nach Geschwüren, Verenge-
rung des Muttermundes, die ausser anderen Gründen häufig von
einem langen Wittwenstande herrührt, Schiefstand des Uterus.
V on Krankheiten des übrigen Körpers gehören hierher : Abzehrungi) * * * * * * * * x),
zarter Körperbau und colliquative Zustände oder Fettsucht,
Kachexie, Fieber und anhaltende Schwäche oder die Fälle, wo
sich durch Hämorrhoiden, Erbrechen oder Nasenbluten die Materie
in die betreffenden Körpertheile ergiesst.
§ 8. Das Alter erkennen wir durch die persönliche Begeg-
nung und die Anamnese (Befragen), eine erfolgte Empfängniss an
den schon früher angegebenen Merkmalen. Mannweiber erkennt
man durch den Augenschein, Beschäftigung und Lebensweise
lassen sich erfragen. Bleibt die Reinigung aus, ohne dass eine
Erkrankung der Gebärmutter oder des übrigen Körpers vorliegt,
i) „Abzehrung“ «cpo<piot, vergl. Celsus Lib. III, cap. 32. Caelius Aurelian.
Chronic. Lib. .III, cap. 7 , hier wird auf die Appetitzunahme Gewicht gelegt. Bei
Celsus wird die oiKms scharf von der Atrophie getrennt, unter ersterer die Lungen-
sucht verstanden.
„Zarter Körperbau“ i'ayviuotc, kongenitale Gracilität.
Colliquation, atwn&e. (Foesius Ockon. Hippocratis p. 599, ferner Gorraeus,
Definitiones p. 610). Nach Hebenstreit, Exegesis Leipzig 1760 : 2uvrn*ic, Colliquatio
omms a fltmonibus auctis, speciatim illa alvi. Galen in seinen Commentarien zum
3- Buch der Epidemien spricht von einer Pest, welche durch Diarrhoen hinraffte
„rp Os Bet Hippokrates wird die aüvrrjfo wiederholt besprochen, so in
rognosticon § 13, wo gewisse spinnwebenartige Urinsedimente als Zeichen der
colliquation gelten.
100
so verräth dies das Wohlbefinden. Ein Leiden der Geschlechts-
theile oder des übrigen Körpers liegt vor, wenn die Menstruation,
welche vorher immer auftrat, nicht wiederkehrt, trotzdem die Frau
noch in der Blüte der Jahre steht, wenn ferner noch dazutreten:
Schwere der Hüften oder Spannung oder Schmerzen des Mons
veneris und der Leisten oder Brechreiz, Ohrensausen und Augen-
schwäche oder Kopfschwere oder Kopfschmerzen oder Hitze und
Anschwellung der Gefässe in der Genick gegend, und schliesslich
wenn die Augenhöhlen schmerzen. Wenn zugleich damit das
Ausbleiben der Reinigung aus irgend einem physiologischen
Grunde zusammentrifft, z. B. wenn zugleich Conception und eine
von den Krankheiten, welche gewöhnlich Anhalten des Monat-
lichen veranlassen, vorliegen, so erkennen wir an den auftretenden
Merkmalen, dass das Ausbleiben der Menstruation nicht patho-
logisch ist. Auch wenn dieses nicht offen auf der Hand liegt, so
richtet man doch keinen Schaden an, wenn man zunächst keine
besondere Massregeln gegen das Ausbleiben des Monatlichen er-
greift, sondern sogleich die ganze zu Grunde liegende Krankheit
behandelt, mag sie das Monatliche zurückhalten oder nicht.
§ 91). In den Fällen, wo keine Krankheit, sondern nur das
Alter in physiologischer Weise das Ausbleiben der Reinigung
verschuldet, bedarf es keiner Behandlung. Denn es belästigt nicht
und die Natur umwandeln wollen, ist immöglich oder schwierig,
bisweilen auch mit Gefahr verbunden. Denn wenn der pathische
Zustand zum physiologischen den Gegensatz bildet, so muss der
physiologische Zustand, wenn er ins Gegentheil gekehrt wird,
nothwendig pathologisch werden. Auch die Frauen, welche in
i) Vorlesen, Deklarairen (avaouivTjcu?). Diese Art von Muskelübung bildete bei
den Alten einen wesentlichen Th eil der hygienischen Gymnastik. Oribasius hat uns
ein Fragment des Chirurgen Antyllus auf bewahrt (Collect, med. VI, 8, Ausgabe von
Bussemaker und Daremberg I, 448).
„Die Deklamation ist eine Uebung der Brust und der Stimmwerkzeuge, denn
sie mehrt, reinigt, stärkt und verdünnt die Wärme und macht die festen Theile des
Leibes stark und widerstandsfähig. Wür machen davon Gebrauch zu Heilungszwecken,
wenn die Stimme leicht ermüdet (oder der ganze Körper) , oder wenn die Stimme
durch Krankheit oder angeborene Schwäche leidet. Die Deklamation passt auch bei
Magenleiden, Erbrechen, Dyspepsie, bei schleimigen Naturen und bei Frauen mit
abnormen Gelüsten.
Bei Kopfleiden taugt sie nicht etc. Dagegen bei Wassersucht und Asthma,
auch bei Genesenden etc.
Bevor man deklamirt, soll man zu Stuhl gehen und eine Abreibung des Unter-
leibes vornehmen etc.; das Gesicht mit einem Schwamme waschen, Anfangs leise
sprechen, noch besser vorher einen Spaziergang machen. Der litterarisch Ungebildete
soll etwas vortragen, was er auswendig weiss etc. Wenn man keine epischen Verse
kennt, soll man Jamben recitiren, die Elegien behaupten den dritten Rang, die Lyrik
den vierten. Besser ist es auswendig gelerntes vorzutragen, als zu lesen.
VI, io handelt von der gesundheitlichen Deklamation (aepi ujutvi)« avacpuivrjffetu;)
und giebt eine Physiologie der Stimme. „Die Uebung der Stimme lockert den Körper
(apatoi) durch Ausdehnung der Poren“ (durch Beseitigung von Stockungen).
101
Folge gymnastischer Thätigkeit oder anstrengender Deklamation
nicht menstruiren, haben ebenfalls keine Behandlung nöt lg,
da sie nicht krank sind. Falls diese aber, weil sie nicht concipiren,
das Eintreten der Reinigung herbeiwünschen, so muss man ihnen
ihre Thätigkeit verbieten und ihnen eine bequemere Lebensweise
vorschreiben, damit ihr Körper wieder eine mehr weibliche Natur
annimmt. Verursacht Krankheit das Ausbleiben der Reinigung,
so muss man eine Therapie anwenden, welche der speziellen Krank-
heit entspricht, welche .die Menstruation zurückgehalten hat. So
schneidet man bei Atresie das Häutchen oder Fleisch weg, Ver-
härtungen und Skirrhen behandelt man mit aufweichenden und
abführenden Mitteln, Entzündung schafft man durch Linderungs-
mittel fort, Narben sucht man nach Möglichkeit zu verkleinern,
Verengerungen (Stenosen) und Lageveränderungen sind zu ver-
bessern, magere und schlecht genährte Frauen bedürfen der Er-
holung und Kräftigung, schlechtes Aussehen ist ins Gegentheil zu
ändern, Fettsucht zu bekämpfen, Fieber mit Bädern zu behandeln,
jede akute wie auch chronische Schwäche ist zu beseitigen, ebenso
sind Hämorrhoiden zu heben, Erbrechen und Nasenbluten _ zu
stillen. Die spezielle Behandlung dieser einzelnen Krankheiten
haben wir theilweise schon in den andern Büchern über Therapie
besprochen, theilweise werden wir noch im Vorliegenden darauf
zu sprechen kommen. Auch wird es gut thun, wenn wir in Fällen,
wo durch eine Allgemeinerkrankung des Körpers das Monatliche
zurückgehalten wird, auch die Gebärmutter lokal durch Massage
(Reiben) und stärkende Mitteln behandeln , wie wir bald näher
auseinandersetzen werden.
§ io1). Wenn eine Zusammenziehung der Gebärmutter (arey-
vt oo ig) vorhanden ist, so unterbleibt in der Regel entweder die
Reinigung ganz, oder das Monatliche fliesst nur tropfenweise und
unter Schmerzen, in welchen Fällen Kolik, Schmerzen in den
Leisten, den Hüften, dem Mons veneris, bisweilen auch des Kopfes,
der Halsmuskeln, der Augen, der Pfanne und in den Oberschenkeln,
Anschwellungen der Brüste, Appetitlosigkeit, Sodbrennen, Ent-
1) Efp-fgopai;, Störung des Schlafes. Bei Hippokrates , Conc. praenat. 82 und
Prorrhetic : „sy^pai?“.
Sitzbäder, sp'.a&ccp.a insessio, entspricht eigentlich dem, was man jetzt Halb-
bad nennt. Aetius, cap. 173: ,,Insessiones assumimus in partibus inflammatis, aut
ob balnei penuriam, aut propter virium debilitatem etc. Ad uterum artemisiae decocto,
salviae ac lauri, et similium. Ad sedem meliloti, calicum papaveris ac rosarum decocto.
Ad fluxiones uteri et hemorrhoides ani plantaginis decoctum convenit, et polygonii,
malicorii, rosarum, ruborum et similium.
Rufus von Ephesus (ed. Ruelle jp. 7) lässt el$ $spu.ov efxa&tCstv mit Abkoch-
ungen von Mohn, Anthemis, Calamus und Schönus (Nieren- und Blasenleiden).
Gorraeus, Definit, medicae , pag. 173: Efxd&tauia est sessio in aqua medicata
ab imis pedibus vel feminibus usque ad umbilicum, ita ut supernae partes non
madescant. (Auch „semicupium“ genannt.)
102
Zündung und Trockenheit der Genitalien dazutreten, Erscheinungen,
die sich gerade dann zeigen, wenn bei den Frauen, welche in
solcher Lage sind, der Termin der Reinigung da ist. Die Be-
handlung dieser Krankheit wollen wir jetzt erörtern. Im Augen-
blicke, wo die Schmerzen beginnen oder wann das Monatliche
zurückgehalten wird, ist die Patientin in einem Zimmer, welches
mässig erwärmt und sonnig ist zu Bette zu bringen und der Ruhe
zu überlassen, sie hat der Schlafstörung und aller Thätigkeit sich
zu enthalten und die Extremitäten und die schmerzenden Theile
leicht einzuhüllen. Denn nicht nur wird unter dem Einfluss der
angeborenen Wärme jede Spannung gemildert, sondern es wird
auch der pulsirende Schmerz durch den Druck gelindert. Lässt
der Schmerz so noch nicht nach, so kann man verschiedene warme
Umschläge anwenden, welche mit warmen Kompressen, rohen
Flachsgarn oder Wolle zu machen sind, und mit warmem Wasser
gefüllte Wärmeflaschen verordnen oder auch Blasen mit warmem
Oel, lauwarmen Kleienkisschen, einen in siedend heissem Wasser
ausgedrückten Schwamm, der mit Leinwand zu umwickeln ist,
damit die Theile sich von der Nässe nicht erkälten, sondern viel-
mehr allmählich durch den Einfluss warmer Dünste Linderung
finden. Danach lege man weiche und reine Wolle, welche mit
süssem und warmem Oel durchtränkt und dann ausgedrückt ist,
um die Scham und das Epigastrium sammt Hüften und Lenden,
in der Folge ist allmählich wärmeres Oel zum Anfeuchten zu ge-
brauchen, zum Abwaschen und zum Trinken ist warmes Wasser
zu reichen. Ist die Heftigkeit des Uebels nicht gross, so kann
man die Patientin dem Schlafe überlassen. Man kann aber auch
Kataplasmen aus Leinsamen oder Brot, das in warmem Honig-
wasser geknetet ist, und Sitzbäder gebrauchen, die wir später be-
sprechen werden; nach Verlauf der ersten drei Tage sind Behand-
lung mit Abreibung (mit Oel) und Abwaschung (Douche?) und
warme und einfache Speisen zu empfehlen.
§ ii1). Sind die Schmerzen ziemlich heftig, so ist vor dem
dritten Tage oder an demselben an dem Ellenbogen, der den am
meisten affizirten Stellen gegen überliegt, eine Ader zu öffnen,
damit von den weniger leidenden Theilen eine Ableitung (Revulsio)
l) Schröpfkröpfe aiV.ua c. Bei den alten griechischen Aerzten sehr vielfach ge-
braucht. Bei den Ausgrabungen in Pompeji sind gut erhaltene Exemplare gefunden
worden, welche man in Darembergs Oribasius II 780 abgebildet findet.
Sonst sehe man Nicander, Theriacä 921.
Oribas, II, 57 und 789 (nach Galen mit sehr gutem Excurs von Daremberg).
II. 58 nach Antyllus, interessante Stelle.
In Hippocrates Aphorismen V, 50 werden sie an die Mamma gesetzt, um die
Menses zu inhibiren.
In dem Buche de natura femin. (Littre VII, 319) bei Prolapsus Uten auf d
Hüften, ebenso VIII, 319.
Galen XI, 320 (de hirudin., revulsione, cucurbitula etc.).
103
schmerzlos erfolge. Leiden alle Theile in gleichem Maasse, so
nehme man die Oeffnung der Ader am linken Arm vor, damit
die rechte Hand zur Arbeit ungehindert sei. Niemals ist der
Aderlass an den Knöcheln vorzunehmen, so lange noch die be-
fasse der Arme offen sichtbar und keine Entzündung an denselben
bemerkt wird. Denn diese Blutentziehung belästigt die Kranke
und dann sind auch die Gefässe an den Knöcheln zu klein. Hat
sich nach dem Aderlass die Unruhe gelegt, ist der Körper mit
Oel abzureiben und ein Sitzbad zu nehmen in warmem Oelwasser
oder in einem Decoct von Bockshorn, Leinsamen oder der zahmen
und wilden Malve. Stehen die Schamlippen auseinander, so in-
jizirt man mit demselben Oel und einem Ei, entweder für sich
oder mit einem der obengenannten Decocte, welche dickschleimig
zu bereiten sind. Sodann ist örtlich weiche Wolle aufzulegen,
die in derselben Flüssigkeit angefeuchtet ist, und darüber ein
Umschlag mit gekrempelter Wolle zu appliziren. Auch kann
man nach der Beseitigung der Aufregung warmes Wasser zum
Abwaschen und zum Trinken gewähren, zur Stillung des Durstes
und zur Erleichterung der Verdauung der Speise, nach dem
Trinken nehme die Patientin eine einfache leichte, warme Suppe
in kleiner Quantität, wie z. B. Waizengraupen in Wasser, dieselben
in Honiggemisch mässig abgekocht, Suppe aus Honig oder Oel,
Dill und wenig Salz, Brot in Wasser geweicht oder mit weichen
Eiern. Bald nach der kleinen Mahlzeit ist die Kranke dem Schlafe
zu überlassen. Dann soll sie bis zur Abnahme der Krankheit nur
leichte Nahrung geniessen und auch nur einmal des Tags essen,
wenigstens in dem Falle, dass die Kraft des Körpers nicht ge-
litten hat. Auch Schröpfköpfe sind anzuwenden, doch zuerst nur
kleine und zwar sind diese nicht nur bei der Abnahme, sondern
auch bei der Zunahme zur Milderung des Schmerzes sanft anzu-
legen, damit sie nicht zu stark saugen, dabei kann man ein zu
heftiges Saugen noch dadurch verhindern, dass man gegen einen Theil
des Randes des kleinen Schröpfkopfes eine Sonde legt. Später
und zwar sowohl zur Höhezeit der Krankheit wie auch zur Zeit
der Abnahme können Scarifikationen auf der Haut an der Scham
und am Unterleib gemacht werden. Hält der Zustand an, so
kann man auch Blutegel anwenden , wobei sie mit feiner Lein-
wand umhüllt werden, damit keine Erkältung hinzutritt. Diese
ziehen noch energischer Blut, wenn die Gegend vorher durch den
Schröpfkopf zur Anschwellung gebracht worden ist und zwar
unter Einlegung von gezupftem Docht, damit nicht durch die Ein-
fettung der übrigen Theile die Thierchen verhindert werden an
den Bisswunden zu haften. Falls man nach dem Abfallen der
Thiere glaubt, es sei noch nicht genügend Blut entzogen, so soll
man an allen Stellen, wo es angeht, Schröpf köpfe anlegen; wenn
dagegen genügend Blut entzogen ist, so sind die Bisse mit Charpic
104
zu bedecken, darüber in Oel getauchte feine Leinwand und zuletzt
Wolle zu breiten. Darauf sind erschlaffende Umschläge zu ge-
brauchen, z. B. aus Brot vermischt mit angewärmtem frischen
Schweinefett oder mit gekochten und gehörig zerriebenen Wurzeln
der wilden Malve, aus Leinsamen mit Waizenmehl oder Bocks-
horn, oder aus einer Abkochung aller drei mit Oel, Honig und
dem Decoct der Malve oder des Bockshorn. Die ersteren sind
häufig zu wechseln, denn wenn sie länger darauf bleiben, so
werden sie trocken und steigern die entzündliche Hitze. Das Pflaster
darf nicht zu dünn bestrichen sein, denn dann wird es gleich dürr
und leicht trocken, andrerseits darf es auch wieder nicht zu dick
bestrichen sein, weil dann die entzündeten Theile unter der Schwere
leiden. Auch kann man warmes Oel als Klystier injiziren bis
zu vier Kyathen und einfache Mutterzäpfchen anwenden.
§ 12. Die alten Aerzte begingen den Fehler, dass sie so-
genannte bluttreibende Mittel zwecks Abziehung von Blut und
in gleicher Weise wirkende Getränke verordneten. Sie beachteten
dabei nicht, dass die Getränke den Magen verderben und Er-
brechen machen, die Mutterzapfen aber ätzen den Uterus, welches
zur Folge hat, dass schwer heilbare, tiefe und bösartige Geschwüre
entstehen und im Falle der Heilung eine Narbe zurückbleibt, die
ihrer Natur nach viel derber als jegliches Fleisch ist, so dass eine
Hemmung der monatlichen Reinigung erfolgt. Ueberhaupt reizen
alle derartigen - Getränke und äusseren Mittel durch ihre scharfe
Eigenschaft die Entzündung, verdoppeln die Schmerzen und unter-
stützen die Hinderung der Menstruation. Ebensowenig wie bei
Augenentzündung scharfe Augensalben und bei Harn- oder Stuhl-
zwang reizende Mittel vortheilhaft wirken, ebensowenig sind, wenn
bei Entzündung des Uterus die Reinigung von heftigen Schmerzen
begleitet ist, scharfe Mittel anzuwenden. Von solcher Art sind
die Mittel, welche nach der Ansicht jener Aerzte bluttreibend
wirken, wie Elaterium, schwarzer Nieswurz, Pyrethron, Opopanax,
welche Mittel Frauen auch zur Abtreibung der Frucht gebrauchen.
Es ist also, wie ich ausführte, von allen scharfen und reizenden
Mitteln abzurathen, wogegen die lindernd und erschlaffend wirken-
den Mittel zu empfehlen sind.
§ 13. Als die besten Mutterzäpfchen gelten: mit süssem und
warmem Oele durchfeuchtete Wolle, frisches Gänse- oder Hühner-
fett, welches mit Bockshornsaft oder Leinsamen oder mit Kleister
aus Malve und Oel zusammengekocht und wovon dann das oben
aufschwimmende Fett abgeschöpft und in die Wolle geschmiert
wird, Eidotter mit denselben Stoffen zu einer dünnen Masse ge-
rieben oder vielleicht auch mit abgekochtem Honig vermischt,
Melilotos in süssem Oele gekocht, oder das innere hleisch der
Dattel, das in gleicher Weise in süssem Oele ausgekocht wird,
nachdem vorher die äussere Haut abgeschält ist, denn dieses
105
wirkt adstringirend. Zu empfehlen sind auch Bähungen mittelst
Schwämmen, weichein warmem Wasser, Oelwasser oder in einem
Decoct von Bockshorn, Leinsamen, wilder oder zahmer Malve
auszuringen sind. Die Schwämme sind beharrlich zu erneuern,
auch ist vorher feine Leinwand unterzulegen und sind die Theile
gehörig mit warmem Oele zu bestreichen, damit jede Möglich-
keit einer Erkältung derselben ausgeschlossen ist.
§ 14. Nimmt die Heilung einen günstigen Verlauf, so kann
man auch einige Bewegung in einer Hängematte gestatten. Wenn
der Zustand aufhört, erscheint sogleich die Menstruation. Nach
deren Aufhören sind stärkende Mittel zu gebrauchen, Baden, Ab-
wechselung in den Speisen, Wein trinken, Schaukeln, Spazieren
gehen, Turnen, Frottiren des ganzen Körpers und der Gegend
des Uterus. Da jedoch bei lokalem Frottiren des Uterus die Be-
rührung mit den blossen Händen leicht eine Quetschung verur-
sacht, so muss die Kranke, wann sie in der Absicht zu baden in
ein grosses W aschbeclcen sich setzt oder in die Badewanne steigt,
breite, weiche Schwämme auf den Unterleib und die Llüften legen,
diese mit den Händen leicht andrücken und nur hier und da
tupfen, dabei allmählich den Grad des Frottirens steigern. Zu
billigen ist auch der Gebrauch von Ceraten (Salben) aus Sam-
psychos- oder Lilien- oder ähnlichem Oele, was einmal einzuführen
und womit dann auch Mund und Hals des Uterus einzureiben
sind, zu einer Zeit wo auch schon mehr aufweichende Zäpfchen
zu nehmen sind, unter denen zu nennen sind : Mutterzäpfchen aus
Wachs, Terpentinöl, Ochsenfett, süssem Oel oder Kyperos in
solcher Menge, dass die übrigen Zuthaten dicke Konsistenz be-
kommen, oder Zäpfchen aus Säften, überhaupt jedes Mutterzäpfchen,
welches mit Mark, Talg und erschlaffenden Samen zubereitet ist.
Zu diesen ist auch das aus Sampsychos bereitete, sogenannte
Acopum zu zählen. Sehr nützlich wirkt auch das Bad in Oel.
§ 151). Wenn die Krankheit andauert, so befolgt man gegen
die Anfälle dieselbe Kur, beim Nachlassen der Krankheit sorge
man zunächst für die Stärkung, wofür wir die Mittel angegeben
haben und wobei ein erprobter Einsalber in Dienst zu nehmen
ist, sodann für die Verbesserung der inneren Leibeskonstitution
l) Metasynkrisis = Recorporatio bei Caelius Aurelianus (Chronic. Lib. I,
cap. 1, § 24—28), wo man eine genaue Schilderung des Verfahrens findet, wesent-
lich übereinstimmend mit dem in unserem § gegebenen. Einen wesentlichen Be-
standtheil dieser Kur bildete die Darreichung scharfer Nahrungsmittel (UpmucoaT«')
„pulmentum dabimus salsum, assum , vel coctum, dabimus etiam cappares sinapi
madidatas , atque olivas ex viridi novitate messas, quas colymbadas vocant praeca-
ventes ea quae facile caput implent atque gravant, ut est porrum, allium, cepe etc
(Cael. Aurel. 1. c.) r
Die meisten Historiker, mit Ausnahme des klassischen Justus Karl Friedr
Meclcer haben die Metasynkrise äusserst oberflächlich abgehandelt.
106
durch Abführung der schlechten Säfte (Metasynkrise). Bei dieser ist
schon einen Tag früher zu fasten, im Falle aber dies eine nicht er-
trägt, darauf zu achten, dass nur wenig gegessen und nur Wasser
getrunken wird, sodann ist das Brot in Stücke von solcher Grösse
zu zerlegen, wie die Kranke früher leicht aufessen konnte, und
zwar sind zuerst zwei Hälften zu machen, von welchen die eine
wieder in drei gleiche Theile zerlegt wird, die andere an den auf
das Hungern folgenden zwei, drei oder vier Tagen zusammen mit
eingesalzenem Fleisch und scharfer Zukost zu reichen ist. So-
dann ist zu Mittelkost überzugehen, wie Gemüse, zartere Fische
und Gehirn, nach Verlauf einer gleichen Anzahl Tage ist Geflügel
und wiederum nach derselben Zeit frisches Schweinefleisch dazu
zu nehmen. Bei jedem Uebergang von einer Kost zur andern
ist eins von den drei Stücken der erwähnten ersten Hälfte Brotes
zu geben, ausserdem ist allemal am ersten Tage des Wechsels
Weintrinken und Baden zu verbieten, am darauffolgenden zu
verordnen. Die Beschränkung auf die Verabreichung scharfer
Speisen ist nicht gerade nothwendig, es ist vielmehr auch eine
lokale Behandlung an den auf den Kostwechsel folgenden Tagen
gut angebracht. So sind bald umstimmende Schröpfköpfe, bald
lokale Wärme, bald Pechpflaster an den Schamberg und der
Hüfte, sowie Streupulver aus Natron, Salz und kratzender Schmier-
seife, bald ein Schwitzbad, Sitzbäder in Meerwasser, Senftteige
und Douchen anzuordnen. Bevor jedoch das Leiden gehoben ist,
darf nicht mit dem Fasten begonnen, noch Erbrechen mittelst
Rettige erzwungen werden.
§ 1 6. Es können auch Pflaster verwendet werden, welche
reizende Wirkung zeigen, wie z. B. das Lorbeerpflaster und das
Samenpflaster, gleichwirkende Mutterzäpfchen, deren Anwendung
gerade nach dem Aufhören der Menstruation an der Zeit ist.
Natürlich müssen zu der Zeit, wann der Termin des Eintritts der
Reinigung nahe ist, alle kräftigen und erregenden Mittel ver-
miedenwerden. Unter den äussern Mitteln sind speziell zu nennen:
Raute mit Honig milde gemacht, der sogenannte dünnblättrige
Dürrwurz, Rosinen ohne Kerne mit Natron oder Salz. Auch be-
streicht man ein Mutterzäpfchen von der ungefähren Grösse einer
Bohne mit Kümmel, Pfeffer, Wermuth, Ysop, Butter, altem Oel
oder mit einem ähnlichen Stoffe, taucht es in süsses Oel oder
auch in Lilienöl, damit ihm die übermässige Schärfe genommen
wird, und legt es an den Gebärmuttermund. Mit demselben Stoffe
sind auch die Leistendrüsen und der Mastdarm zu salben. Ebenso
wie nach einer gelungenen Linderung der häufig schwer zu be-
siegenden Trief äugigkeit die Augenlider hart und dick werden
und demnach zur vollständigen Beseitigung des Uebels scharfe
und treibende Augensalben erforderlich sind, so bleiben nach
Flebung der Entzündung auch die Ränder des Uterus trocken,
107
rauh und gewisser™ assen schwielenartig, und es bedarf zur Ab-
treibung der schlechten Säfte scharfer Mittel. Tritt auch damit
noch keine volle Besserung ein, so ist Erbrechen durch Genuss
von weissem Helleborus hervorzurufen, auch ist Ortswechsel, Ge-
brauch natürlicher Wässer und überhaupt jede Gemüthszerstreu-
ung zu empfehlen. Wenn durch Ausdauer in der Behandlung
und durch Anwendung immer stärker wirkender Mittel die Krank-
heit gehoben ist, so kann die Menstruation ohne Hinderung ein-
treten.
Kapitel IT.
Entzündung des Uterus.
§ 17. Die griechische Bezeichnung für Entzündung „cpXsy-
l-iovi]“ ist von „cpXeysiv brennen“, abzuleiten, fälschlich bringt sie
Tlemokritos mit ,,< pley/.ia Schleim“, als Ursache der Entzündung
in Verbindung. Doch es veranlassen noch viele andere Ursachen
die Entzündung des Uterus, so besonders häufig Erkältung, ferner
auch Erschöpfung, Abortus und schlecht geleitete Geburt. Von
diesen Anlässen bedingt aber keiner eine besondere Behandlung
für die Krankheit.
Dass eine Entzündung der Gebärmutter vorliegt, ersehen wir
aus den allgemeinen Zeichen , welcher Theil dagegen erkrankt
ist, verrathen uns ganz spezielle Anzeichen. Denn bald ist der
ganze Uterus entzündet, bald nur der Hals, bald der Grund, bald
der Hohlraum entweder oben oder unten oder an den Seiten,
bald nur einer dieser Theile, bald die Mehrzahl derselben.
Als Allgemeinerscheinungen treten auf: Schmerz im kranken
Theile und Pulsation, Anschwellung des Unterleibes und Hitze,
Trockenheit, Spannung im Becken oder Schwere in den Hüften,
in den W eichen, im Unterleib, in den Leisten und den Schenkeln,
Trostanfälle, bald hier bald dort auftretende Stiche, Einschlafen
in den Füssen und Frost in den Knien, Schweisse, schwacher
und dabei sehr frequenter Pulsschlag, gleichzeitiges Magenleiden,
Ohnmacht, Mattigkeit; in schwereren Fällen auch Schlucksen,
Schmerzen im Plalse, in den Kinnbacken, im Scheitel und in den
Augen, zumal in der Augenhöhle, ferner Plarnzwang oder mangeln-
der Stuhlgang oder auch beides zugleich. Ist die Entzündung
heftiger, so nehmen auch das Fieber und die Anschwellung des
Lpigastrium zu und es treten Delirium, Trismus und Krampf hinzu.
§ l8- Das sind die Allgemeinerscheinungen. Speziell bei der
Entzündung des Gebärmuttermundes zeigt sich Schliessung des.
108
selben mit einem schmerzhaften Gefühl, er neigt sich in der Rich-
tung nach dem Mastdarm und es sind besonders die Leisten und
der Schamberg geschwollen. Wenn nicht der ganze Muttermund,
sondern nur ein Theil desselben entzündet ist, so sind dieselben
Gegenden nur theilweise geschwollen und beim Touchiren be-
merkt man eine schmerzhafte Anschwellung und eine Neigung
des Muttermundes in die entgegengesetzte Richtung zur Ge-
schwulst. Bei einer Entzündung der rechten Seite geht die Nei-
gung nach links, bei einer Entzündung der linken Seite nach rechts,
ist die Entzündung unten, so geht er weiter nach oben, ist sie
oben, so neigt er sich dem Mastdarme zu.
§ iq. Eine weitere Frage ist die, ob der Schmerz direkt von
dem entzündeten Theile ausgeht oder ob er die gegenüberliegenden
Organe ergreift. Von den älteren Aerzten bekennen sich manche
zu der Ansicht, dass Leistengegend und Schenkel auf der andern
Seite schmerzen ; Demetrjos— aus Apameia dagegen behauptet,
auf der gleichen Seite. Denn es sei nicht glaublich, dass die der
Entzündung nahe liegenden Theile nicht leiden , die gar nicht
affizirten Theile dagegen Schmerz empfinden sollen, wie manche
in Rücksicht darauf vermutheten, dass die entzündeten Theile
nach entgegengesetzter Richtung gedrängt würden und so jene
Stellen Druck ausüben. Es sei schon natürlicher, dass wenn die
gerade nächst der Entzündung befindlichen Stellen die grössere
Spannung erfahren, dass jene auch schmerzen, indem ja der Druck
auf die entgegengesetzte Seite erfolgt. Wir bekennen uns zu
dieser letzteren Ansicht, wenn auch diese Frage keinerlei Ein-
fluss auf Anwendung lokaler Behandlung ausübt.
§ 20. Ist der Gebärmutterhals entzündet, so sind die sym-
pathischen Erscheinungen bedeutend, die Anschwellung liegt
hinter dem Muttermunde. Bei einer Entzündung der rechten Seite
wird der entsprechende Oberschenkel in Mitleidenschaft gezogen
und die Drüsen derselben Seite schwellen an, bei einer Entzün-
dung der linken Seite ist es umgekehrt. Bei einer Entzündung
des untern, unmittelbar auf dem Anfang des Rectum liegenden
Theiles des Cervix Uteri zeigen sich Beschwerden bei Stuhlgang,
Verstopfung' und Tenesmus (Stuhlzwang), auch lässt sich das
Klystier dabei nicht leicht anwenden, und beim Einführen des
Fingers in den After stösst man auf eine Geschwulst, die schein-
bar in der Gegend des Rectum liegt. Befindet sich die Entzün-
dung am oberen Theile des Halses, so zeig'en sich in höherem
Maasse Harnzwang und Schmerzen an der Scham und der Scham-
gegend. Ist der Uterushals dagegen in seinem ganzen Umfange
entzündet, so treten die erwähnten Symptome alle zusammen auf
und in Folge der stärkeren Anschwellung senkt er sich nach
vorn in die Mutterscheide.
§ 2i. Bei einer seitlichen Entzündung der Gebärmutterhöhle
finden sich Schmerzen in den entsprechenden Weichen ein, welche
bei der Wendung auf die entgegengesetzte Seite stärker werden.
Wenn aber die Entzündung vorne und im oberen Theile der Höhle
auftritt, so zeigt sich unter Anschwellung gesteigerter Schmerz
im Epigastrium, Harnzwang oder vollständiges Zurückhalten des
Harns und nach dem Uriniren ist die Schwellung leicht zu pal-
piren. Ist dagegen die Entzündung hinten und im unteren Theile
der Höhle, so zeigt sich der stärkere Schmerz an den Hüften,
welcher noch gesteigert wird, wenn man sich nach vorne oder
nach der Seite neigt, Klystier ist nicht leicht anwendbar, Stuhl-
gang bleibt aus, die Winde gehen nicht durch und beim Einführen
des. Fingers in den After stösst man auf eine Geschwulst, welche
scheinbar die gleiche ist, wie bei einer Entzündung des Rectum
und doch wieder ganz anders ist, denn mit dem Auflegen des
Fingers tritt nicht sofort auch der Schmerz ein, sondern es folgt
dieser erst nach längerem Druck, auch weicht die Geschwulst
zurück, so dass die Eingeweide den ihnen gehörenden Platz ein-
nehmen können, ferner ändert sie ihren Platz in der Knielage,
lauter Erscheinungen, die bei der Entzündung des Rectum nicht
Vorkommen.
Bei der Entzündung des Fundus uteri treten neben den
Schmerzen auch Spannung und Schwere in der Nabelgegend
nach den Hüften abwärts ein. In vielen Fällen zeigt sich auch
der Muttermund zusammengeschrumpft, wenn die Gegend ober-
halb des Cervix uteri entzündet ist, und er weicht nach innen,
was manche zu dem Glauben verführt, die Gebärmutter sei gar
nicht affizirt.
§ 22. Ist die Gebärmutter in ihrem ganzen Umfange entzündet,
so erscheinen alle jene Symptome zugleich, ausserdem starkes
Allgemeinleiden und eine stärkere Anschwellung am Epigastrium.
M' ir unterscheiden diese von der Entzündung des Epigastrium
durch folgende Merkmale : dass bei ihr die Geschwulst oder die
Röthe nicht so sehr ausserhalb zum Vorschein kommen, noch
bei Lageveränderungen die Geschwulst ihren Platz behält, son-
dern vielmehr ebenfalls ihn ändert und die Haut dem Zuge des
Fingers folgte. Bei der Entzündung des Epigastrium dagegen
tritt gerade das Gegentheil von allem diesem ein und die äusseren
1 heile schmerzen und das Harnlassen ist unbehindert. Ganz
ebenso ist eine Verwechselung mit der Entzündüng des Peri-
tonäum leicht zu vermeiden, denn weder ist die Geschwulst scharf
umgrenzt, noch findet Harnzwang, wenigstens nicht im Verhält-
niss zur Anschwellung statt. Gewöhnlich leiden bei der Ent-
zundung der Gebärmutter Kopf und Hals mit, bei der Entzündung
nfcht lgaStriUm Und Pentonäum aber nur wenig oder auch gar
110
§ 23- Damit ist die Diagnostik erledigt und wir wenden uns
zur Therapie. Es ist hier zunächst alles das zu thun, was wir
früher bei der schmerzvollen Menstruation empfohlen haben, näm-
lich die Kranke ist zunächst in einem hellen und mässig erwärmten
Zimmer zu Bette zu bringen, ihr Ruhe und vollkommene Ent-
haltung aller Speise anzuempfehlen, dann ist sie zu reiben und
Schenkel und Hände zu umwickeln, warme Umschläge sind zu
machen, sie sind zu befeuchten und mit reiner Wolle zu bedecken,
Einspritzungen sind vorzunehmen und der Unterleib der Patientin
ist durch ein erschlaffendes Klystier aus süssem und warmem Oele
und ähnlichen Substanzen zu entleeren; zum Trinken und zum
Abwaschen gebe man warmes Wasser und als Speise eine warme
Suppe. Danach sind anzuwenden : lindernde und erschlaffende
Umschläge, Schröpfen, Aderlässen, Ansetzen von Blutegeln, Sitz-
bäder oder Bähung vermittelst Schwämme, Injiziren warmen Oeles
durch ein Klystier, Anlegung reizloser Mutterzäpfchen dann
möge man erweichendere Mutterzäpfchen, ein Bad und Abwechs-
lung in der Kost verordnen, noch später herben, dünnen und mit
Wasser gemischten Wein.
§ 24. Tritt Fieber hinzu, so ist die Behandlungsweise nicht
zu ändern, es ist nur zu versuchen, dass die einen Mittel im
Stadium des Fieberanfalles angewendet werden, die andern aber
beim Nachlass eine causale Indikation erfüllen, während sonst
mit der Kur fortgefahren wird. Demnach ist auch Themison nicht
Recht zu geben, wenn er im dritten Buche seines' Werkes über
die chronischen Krankheiten für fieberfreie Entzündungen er-
schlaffende, für mit Fieber verbundene Entzündungen dagegen
adstringirende Mittel, wie den Saft von Nachtschatten und Per-
dikion, indem er irrthümlich annahm, wegen der begleitenden
Plitze kühlende Mittel an wenden zu müssen, später auch noch
Rosenöl mit Wasser vermischt empfiehlt, wobei er ganz übersah,
dass was die entzündeten Theile in Spannung versetzt, auch die
Hitze vermehrt. Daher müssen wir gemäss jener Ausführung die
Symptome durch solche Mittel lindern, durch die wir nicht zu-
gleich den Zustand verschlimmern. Demgemäss sind alle scharfen
äusserlichen Mittel, welche manche unter den alten Aerzten gerne
anwenden, zu verwerfen, so Oel mit Raute und den Aufguss mit
Wollschweiss1; (Lanolin!) Butter und Brot mit Rosenöl, Eppichöl
und der Mischung aus Essig und Oel. Denn alles Scharfe und
Aetzende reizt die Entzündung, so dass Verschlimmerung eintritt.
h Näheres hierüber im Anhang.
111
Kapitel III.
Die Satyriasis.
§ 25. Die Satyriasis tritt vorzüglich bei Männern auf. Wir
halben deswegen in unserem Werke über die akuten Krankheiten
uns des Längeren über sie ausgelassen. Doch zeigt sie sich auch
bei Frauen.
Sie äussert sich in einem heftigen Jucken an den Genitalien,
verbunden mit Schmerz, so dass man unwillkürlich fortwährend
die Hände an den Theilen hat ; es folgt daher auch ein nicht zu
bändigender Drang zum Coitus und, da durch den Uterus die
Hirnhäute in Mitleidenschaft gezogen werden, eine sexuale Psycho-
pathie, welche jede Scham fahren lässt.
Kapitel IV.
Hysterischer Stickkrampf.
§ 26 1). Die Hysterie hat ihre Bezeichnung zu gleicher Zeit
von dem leidenden Orte und von einem Symptom, nämlich dem
1) Unter den Hysterischen des Alterthums ist wohl die berühmteste jene als
rti.vou; bekannte Patientin des Empedokles, welche ohne Athmung und ohne sonstige
Lebenszeichen dreissig Tage lang verharrt haben soll. (J. H. Schulz sagt: stran^u-
latione matncis detenta). Eine genaue Beschreibung soll der Schüler und Liebltng
des Empedokles, Pausamas, gegeben haben. Hierüber Diogenes Laertiades in dem
Leben des; Empedokles (Lib. VIII, 2): Heraclides erzählt in seinem Buche über die
Krankheiten dass er (Empedokles) dem Pausanias angegeben habe, was dieser über
die „a-itvou; ‘ geschrieben hat Die „äuvouc“ sei eine Person gewesen, die ohne
Athem und Puls ihren Körper dreissig Tage lang erhalten habe.
AphorJe'Ver'’5HyStene SChe maD aUCh G'alen’s Commentarien zu Hippokrates,
Uteruf) retaeUS’ ^ CaUS' St' S'gniS 3CUt' 11 ’ " (Wirkung der Gerüche auf den
KysiertJ‘SX&nder VO“ APhrodisias> Problem, II, 64, „Ueber Riechmittel bei
Räucherungen.)11 ' “7 ^ Daremberg zu einer Stelle des Antyllus über
Verfas^er^H^’ d-*r ™°^is mulier. I , § 7 un dde natur. mulier. § 48. Der
Verfasser des ohne Zweifel pseudo-hippokratischen Buches über Weiberkrankheiten
uni t ttL' ? des Bauches giebt ihr Raum; alsdann wirft sie sich auf die Leber
speichelt und gleicht den Epileptischen. Bleibt die Gebärmutter auf rl ^ ?ahnen’
=£ - Sä
112
Stickkrainpf. Es besteht diese Krankheit in Athembeschwerden,
verbunden mit Stimmlosigkeit und Starrsucht in Folge einer Er-
krankung des Uterus
Dem Leiden gehen in der Regel voraus: häufiger Abortus,
Frühgeburt, lange Wittwenschaft, Zurückhaltung der Menstruation
und Beschränkung der gewohnten Conception, Windsucht der
Gebärmutter. Ist die Krankheit auf ihrem Höhepunkte, so treten
folgende Symptome auf: Verlust der Stimme, Schwerathmigkeit,
Starrsucht — (y.axoyrj) Zähneknirschen und Kieferklemme (Tris-
mus), krampfhaftes Zusammenziehen der Extremitäten, bisweilen
jedoch nur eine Schwäche derselben, Gasauftreibung der Hypo-
chondrien, Aufsteigen der Gebärmutter, Anschwellung der Brust,
Strotzen der Gesichtsgefässe, Frieren, Schwitzen, vollständiges
Aufhören des Pulsschlages oder doch nur schwacher Pulsschlag,
auch erholen sich die Kranken von der Ohnmacht in der Regel
bald und berichten dann gewöhnlich über das, was ihnen zu-
gestossen ist, ferner schmerzen Kopf und Halsmuskeln, manche
Kranke phantasiren auch.
§ 27. Mit der Hysterie sind wegen Verlust der Stimme und
Starrsucht verwandt: Epilepsie, Apoplexie, Katalepsie, Lethargie
und die durch Würmer veranlasste Stimmlosigkeit. Doch ist bei
der Diagnostik eine Verwechselung der Hysterie mit diesen
Krankheiten leicht zu vermeiden, denn bei diesen findet sich der
Uterus in normalem Zustande oder leidet wenigstens nicht erheb-
lich, bei der Hysterie dagegen ist er stark entzündet und seiner
Lage nach nach oben gestiegen, ferner erzählen in der Regel
die Hysterischen nach Beendigung des Anfalles, was sie gelitten
haben, was bei anderen Kranken nicht der Fall ist, sodann
klagen die an Hysterie Leidenden über den Uterus als veran-
lassende Ursache, während unter den verwandten Krankheiten
der durch Würmer veranlassten Stimmlosigkeit Schmerzen in
den Eingeweiden und im Magen , den übrigen Kopfschmerzen
vorangehen, auch ist bei Epileptischen Auftreten von Schaum
und gesteigerter ( o(pvy/.iwv /ueyedog) Pulsschlag charakteristisch,
bei Hysterischen bleibt dies fort, auch bei Apoplexie ist der Puls
voll, bei Plysterie dagegen nur klein. Die Katalepsie aber kommt
nur bei Fieberkranken vor, ist mit Offenstehen der Augen und
Zähneknirschen verbunden, und zwar tritt sie ein vor der höch-
sten Steigerung des Fiebers und lässt nach, sobald das Fieber
De nature femin. § 48. Wenn sich die Mutter gegen den Kopf wendet, so
hat die Frau Schmerzen an den Adern der Nase und unter den Augen. Dann muss
eine Waschung mit warmem Wasser gemacht werden; man begiesst sie mit Decoct
von Lorbeer oder Myrthe, man salbt sie mit Rosenöl ; macht wohlriechende Rauche-
rungen; sie soll Kohl essen und Kohlbrühe trinken. § 49. Kehrt die Mutter sich
gegen die Beine, so entstehen Schmerzen an der grossen Zehe. Warme W aschung,
Dampfbäder, übelriechende Fumigationen, Salben mit Rosenöl.
113
seinen Höhepunkt erreicht hat, bei der Hysterie ist dagegen
kein Fieber vorhanden und die Augen sind geschlossen. Die an
Lethargie Leidenden fallen während des Fiebers in Schlaf und
haben vollen Puls, was bei hysterischen Krämpfen nicht der Fall
ist; diejenigen endlich, welche an einer durch Würmer veran-
lassten Aphonie leiden, schreien in Pausen laut auf und haben
einen ungleichmässigen und intermittirenden Pulsschlag.
§ 28. Damit ist der Unterschied zwischen der Hysterie und
den verwandten Leiden klargestellt. Die Hysterie selbst ist ihrer
Gattung nach ein auf Zusammenziehung beruhendes (oveyvdv)
heftiges, bald akutes, bald chronisches Leiden. Diesen Eigen-
schaften muss sich nun auch die Therapie anpassen. Im Augen-
blicke, wo sich der hysterische Krampfanfall einstellt, ist die
Kranke in einem mässig erwärmten und sonnigen Zimmer ins
Bett zu legen und sanft aus ihrer Ohnmacht zu erwecken; man
bewege zu diesem Zwecke die Kinnbacken, lege wärmende Um-
schläge (/ueodv ronov}), löse sanft jeden zusammengezogenen Theil,
lege die einzelnen Extremitäten fest, erwärme durch Berühren
mit gleichfalls erwärmten Händen jeden kalten Körpertheil und
wische sodann mit einem Schwamm, welcher zuvor in warmem
Wasser anzufeuchten ist, das Gesicht ringsum ab. Denn das
Abwischen mit dem Schwamme vermag den Lebensfunken
wieder anzufachen. Dauert dann die Stimmlosigkeit noch an, so
gebrauchen wir kleine Schröptköpfe für die Leisten, den Venus-
berg und die benachbarten Körpertheile, dann legen wir weiche
und gereinigte Wolle darauf, besprengen längere Zeit hindurch
reichlich und ohne Unterbrechung jene Theile mit süssem Oele
und umhüllen die äusseren Theile insgesammt mit Wolle. Denn
die Erschlaffung der äusseren Theile pflanzt sich bis zur Mitte
fort. Sodann ist auf die krampfhaft geschlossenen Kiefer warmes
Wasser zu träufeln, bald darauf auch ein Honiggemisch und
zugleich ist der Patientin in einer Hängematte Bewegung zu
verschaffen. Nach der Beendigung des Anfalls ist, falls nicht
Schwäche daran hindert oder die Kranke lange nicht gegessen
hat, ein Aderlass vorzunehmen, sodann süsses und warmes Oel
zu injiciren und damit zu besprengen, zum Spülen und Trinken
ist warmes Wasser zu reichen und bis zum dritten Lage Fasten
zu verordnen; am dritten Tage selbst ist zunächst die Abreibung
mit Oel ( dnod-SQOTda ) zu beginnen, danach eine Suppe zu reichen
und von da ab immer einen um den andern Tag die Suppe zu
geben, bis die Gefahr für die Gebärmutter ganz geschwunden ist.
Ferner sind Umschläge, wie wir sie bei der schmerzvollen Men-
struation verordnet haben, warme Bähungen mit Schwämmen,
erschlaffende Sitzbäder, deren Ingredienzen wir bereits erwähnt
haben Mutterzäpfchen aus Talg, Mark, Bockshorn, Malve, Lilien-
oc er Kyprinosöl, Injektionen von Oel oder Oelwasser mit einem
Soranus, Uebcr die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. o
114
Klystier, zumal wenn Stuhlgangbeschwerden vorhanden sind, an-
zuwenden. Denn es drücken die Kothmassen auf die Gebärmutter.
Beginnt die Krankheit abzunehmen, so verordnen wir Wachssalbe
und Mutterzäpfchen, welche in höherem Grade aufweichen, sodann
gemischte Kost, dann ein Bad und noch später Wein. Folgt auf
die Reconvalescenz wiederholt ein Rückfall und wird somit das
Leiden chronisch, so empfiehlt es sich, während der Anfälle die
erwähnte Behandlung eintreten zu lassen, während der Zwischen-
pausen aber die Kranke zuerst wieder Kräfte sammeln zu lassen
durch mannichfaltige Bewegung, Spazierengehen, Lesen und
lautes Reden, durch Salben, gymnastische Uebungen, Bäder und
mannichfaltige Speisen, sodann den Körper umzustimmen durch
Genuss scharfer Speisen, durch die Pechmütze, Schröpfköpfe, Er-
wärmen der Haut, starkes Reiben einzelner Theile, Pudern, Sitz-
bäder aus scharfen Substanzen, reizende Mutterzäpfchen und Um-
schläge, Senfpflaster und die cyklische Kur. Lässt der Zustand so
noch nicht nach, so errege man zunächst durch Rettige Er-
brechen und danach durch Genuss von weisser Niesswurz starkes
Würgen; ferner sind Reisen zu Wasser und zu Lande und natür-
liche Brunnen zu empfehlen. Ueber die richtige Anwendung aller
dieser Mittel haben wir in unseren Kommentaren über die Therapie
ausführliche Anweisung gegeben.
§ 29. Die meisten alten Aerzte, obwohl sie meistens nicht
miteinander übereinstimmen , pflegten stinkende Riechmittel zu
gebrauchen, wie verbrannte Haare, eben erloschenen Lampendocht,
Räucherung mit Hirschhorn, verbrannte Wollflocken, Leder und
Lumpen, Bibergeil, mit dem sie die Nasenlöcher und das Ohr
salbten, Theer, Cedernharz, Asphalt, zerquetschte Wanzen, Bären-
klau, Peucedanum, kurz alles, von dem sie annahmen, es sei von
starkem üblen Gerüche, als ob der Uterus vor schlechten Ge-
rüchen fliehe. Aus gleichem Grunde räucherten sie zugleich von
unten mit wohlriechenden Sachen und gebrauchten daneben Mutter-
. Zäpfchen aus Narde und Storax, damit die Gebärmutter, vor jenen
fliehend und zugleich von diesen angelockt, sich aus der oberen
Gegend nach unten begeben. Ausser dieser Kur liess Hippokrates
bald ein Dekokt aus Kohl, bald Eselmilch trinken, führte, ganz
als wenn die Gebärmutter wie der Darm bei Ileus erkrankt sei, die
Röhre eines Blasebalges in die Vagina ein und versuchte durch
Blasen eine Erschlaffung des Uterus zu erzielen. Diokles da-
gegen schliesst, wie er in dem dritten Buche seiner Gynäkologie
demonstrirt, die Nasenflügel, öffnet den Mund und benützt ein
Niesmittel; ferner drängt er durch Druck auf den Unterleib mit
der Hand den Uterus tiefer und begiesst die Schenkel mit warmem
Wasser. Mantias aber lässt die Kranken Bibergeil und Asphalt
in Wein trinken, bei Eintritt der Schlafsucht nimmt er zu Flöten-
spiel und Pauken seine Zuflucht. Xenophon zog das helle Fackel-
115
licht heran, liess die Musik noch rauschender ertönen, indem er
auf kupferne Kessel schlagen und Darmsaiten streichen liess.
Asklepiades aber wendet Niesmittel an, schnürt den Unterleib
mvUKiemeh zusammen, ruft der Kranken in die Ohren und bläst
Weinessig in die Nase ; während die Krankheit pausiert, empfiehlt
er geschlechtlichen Verkehr und Wassertrinken .... Wir können
das Verfahren aller dieser Aerzte nur tadeln, denn sie reizen so-
fort die entzündeten Stellen und veranlassen durch die Entwick-
lung übler Gerüche tiefe Betäubung. Nicht wie ein Thier aus
seiner Höhle kriecht die Gebärmutter hervor, ergötzt von Wohl-
gerüchen und den Gestank fliehend, sondern es bilden sich da-
durch, dass der Uterus in Folge der Entzündung kontrahirt wird,
Geschwüre. Auch ist es gefährlich den Magen, welcher bei der
Entzündung in Mitleidenschaft gezogen ist,, durch Genuss von
Arzneien und scharfen Stoffen zu schädigen. Das Hineinstecken
des Blasebalgs in die Scheide und die Aufblähung spannen den
Uterus noch mehr an als er schon an und für sich in Folge der
Entzündung ist. Der Gebrauch von Niesmitteln aber bringt durch
die Erschütterung und die Schärfe der Arzneien die chronisch
gewordenen Leiden zur Metasynkrisis. Aus demselben Grunde
wird aber beim Anfalle selbst der Zustand gesteigert, da dieser
keine gewaltsame, sondern eine milde Behandlung erfordert. Un-
angenehm wirken auch Lärm und Schlagen der kupfernen Kessel
und regen nur noch mehr die Kranken auf, welche an der Ent-
zündung schon genügend leiden. Es bekommen ja selbst Gesunde
von dem Lärm Kopfweh. Auch der eingeblasene Weinessig wirkt
schädlich. Denn alles Adstringirende steigert ebenso die inneren
wie die äusseren Entzündungen. Schädlich wirkt es auch, den
entzündeten Uterus von aussen mit Darmsaiten und Binden zu
umschnüren, denn dieser vermag wegen der Anspannung, welche
durch die Quetschung verursacht wird, nicht einmal einen Umschlag
ohne Schmerzen zu ertragen. Wasser trinken aber nützt über-
haupt nicht, wirkt sogar bisweilen schädlich, denn die Kranke
bedarf der Stärkung und inneren Umstimmung, was nur erreicht
werden kann, wenn man zu der Mischung von Wein und Wasser
übergeht. Beischlaf schwächt überhaupt; deswegen taugt er nicht,
da er keine Besserung schafft, sondern vielmehr den Körper ent-
kräftet. Den Kopf endlich mit kaltem Wasser zu begiessen, da-
mit die Aphonie nachlässt, ist offenbar nicht kunstgemäss. Denn
wenn der Körper durch Kälte dicht zusammengezogen wird, so
lässt . sich wegen der Steigerung der Entzündung derselbe noch
schwieriger aus der Betäubung erwecken.
8*
116
Kapitel V.
Die Anspannung des Uterus.
§30
Kapitel VI.
Anfüllung des Uterus mit Luft.
§ 31. Eine Anfüllung des Uterus mit Luft tritt nach der
Geburt ein, wenn der Muttermund in Folge von Erkältung, von
Absterben der Leibesfrucht oder in Folge einer Schwergeburt
verschlossen und von geronnenem Blut verstopft ist, wie es sonst
vorkommt
indem er bald auf die rechte, bald auf die linke Leiste drückt.
Die Schmerzen erstrecken sich ferner bei manchen auch auf die
inneren Lendenmuskeln und die Hüften und es zeigen sich Merk-
male dafür, dass noch andere Theile vom Uterus her in Mitleiden-
schaft gezogen sind, wie Schmerzen in den Muskeln, Kopfweh u.s. w. ;
beim Druck der Finger gibt die Stelle nach, um gleich wieder
anzuschwellen, beim Anschlägen mit der Hand entsteht ein tym-
panitischer Schall, bald auch kolikartige Schmerzen, flüchtige
Stiche und Pulsationen. Bei Anwendung wärmender Mittel ist
zunächst eine Erleichterung bemerkbar, doch bald folgen Ver-
schlimmerung, Rauschen und Gurren im Leib, welches den An-
schein erweckt, als ob Luft durch den Leib nach aussen gehe.
Der Samen, welcher sich beim Koitus hinein ergiesst, wird auf-
gelöst. Die Anschwellung aber bleibt bei einigen bestehen, bei
andern ist sie temporär.
§ 32. Die Therapie ist dieselbe wie bei Verstopfung, es sind
Injektionen mit erschlaffenden Mitteln, Umschläge, kleine Schröpf-
köpfe mit Scarifikation und andere derartige Mittel anzuwenden.
Die Kranke darf nichts essen, was schwer verdaulich und scharf
ist und Blähungen verursacht, dagegen alles, was sie leicht ver-
dauen kann. Liegt Blutgerinnsel im Muttermunde, so führe die
Wehemutter den Finger, welchen sie vorher mit Oel bestreichen
muss, ein, erfasse das Gerinnsel, wenn es zufällig nahe liegt, löse
es sanft und veranlasse so eine schmerzlose Entleerung desselben.
Dauert der Zustand der Anfüllung des Uterus mit Luft länger
an, so gebrauchen wir zur Zeit des I-Iöhepunktes des Uebels
117
Mittel, welche in höherem Grade erschlaffen. Denn bei den An-
fällen und den Verschlimmerungen wenden wir gleiche Mittel an.
Ist ein Nachlass eingetreten, so suchen wir den Körper zu kräf-
tigen durch warme Salbungen und Frottiren der Schenkel und
der kranken Körpertheile, welches überall und lokal bald mit den
blossen Händen, bald mit roher und trockener Leinwand zu ge-
schehen hat. Dabei geben wir gemischte Kost, bisweilen auch
scharfe Speisen. Die Hüfte und das Epigastrion bestreichen wir
mit Pechpflaster, bestreuen sie mit Natron oder erwärmen sie
oberflächlich, auch reizen wir die Haut mit Senf und getrockneten
Feigen und wenden Umschläge an, welche aus Gerste mit ge-
kochten Feigen, Raute, Isop und Honig bereitet sind. Ferner
legen wir auf ein Mittel aus Natron, Feigen und Wermuth oder
geschrotenes Mehl aus ungeröstetem Getreide zusammen mit ge-
kochten Feigen und Isop oder ein weiches Pflaster aus Samen
bereitet, oder das Polyarchion genannte Pflaster oder das erste
Lorbeer-Pflaster mit Wachssalbe; auch jedes für sich. Auch be-
reiten wir gleichartige Sitzbäder, indem wir in Wasser den Pa-
stinak, die kretische Rohrrübe und Polei abkochen. Dauert der
Zustand fort, so nehmen wir noch Artemisia, Isop, Marrubium,
Lorbeer oder die Frucht desselben-, Kasienlorbeer und Narde.
Dazu fügen wir noch in gleicher Weise wirkende Mutterzäpfchen
aus Raute (und Polei), Honig und Natron, ferner aus Terpentin-
harz, Galbanum, Iris, Raute, Isop und Stiergalle, welche Sub-
stanzen zu gleichen oder ungleichen Theilen untereinander ge-
mischt werden. Ein ähnliches äusseres Mittel setzt sich folgender-
massen zusammen :
Rp. i Drachme fetter Feigen, die derartig zerrieben werden,
dass die Körner verschwinden.
2 Drachmen der glatt geriebenen Saubrodwurzel.
i Drachme weissen Aphronitrons (Mauersalz).
Damit die grosse scharfe und beissende Wirkung geschwächt
werde, ist das Mutterzäpfchen vorher in Milch zu tauchen und
dann zu appliziren. Ausserdem setze man an den Sitz der Krank-
keit Schröpfköpfe, lasse diese tüchtig ziehen, bisweilen mit Scari-
hkation. Auch sind alle Mittel anzuwenden, welche die innere
Leibeskonstitution umzustimmen vermögen, wie natürliche Ther-
men, Douchen und Schwimmbäder, im Anfang warme, später
auch kalte, indem der Körper nach und nach daran zu gewöhnen
ist das kalte Bad zu ertragen, und so die leidenden Körpertheile
sich kräftigen. Von Speisen sind solche gestattet, welche mager
machen und die Darmgase treiben. Man kann auch das soge-
nannte Diospohtikon, bisweilen das Kalaminthenmittel anwenden
118
§ 331)- Heftiger wirkende Arzneien verschmähen wir wegen
der drohenden Umkehrung des Magens, ebenso die Räucherungen
von unten mit aromatischen Stoffen. Denn dadurch wird der
Kopf eingenommen und sie schaden mehr als sie nützen. Auch
verwerfen wir adstringirende Umschläge, wie z. B. die, welche
mit Quitten, thebaischen Datteln, herbem Wein, Weinblüthe
(Oenanthe), Akazie, Granatäpfeln gemacht werden. Denn die
durch die Verstopfung eintretende Luftanfüllung wird nicht durch
Adstringentia, sondern durch erweichende und erschlaffende Mittel
beseitigt.
Kapitel VII.
Oedem des Uterus.
§ 34. Bei Oedem des Uterus zeigt sich eine Anschwellung
von gelblicher Farbe, etwas schwammig, weich anzufassen, der
Berührung durch die Finger nachgebend und sofort wieder zu-
rückschnellend. Das Epigastrium nimmt dieselbe Farbe an und
folgt dem Zuge der Finger. Hierfür ist nun dasselbe anzuwenden,
was wir bei der Füllung des Uterus mit Luft empfohlen haben;
nämlich lokale Injektionen zunächst mit warmem Oel und dann
mit Cypernöl oder Irisöl und Mutterzäpfchen von gleicher Zu-
sammensetzung wie bei der Füllung des Uterus mit Luft.
Kapitel VIII.
Scirrhus und Scleroma uteri.
§ 35. Eine partielle oder totale Verhärtung der Gebärmutter
tritt nach vorausgehender Entzündung auf. Es zeigt sich eine
harte, dem Drucke widerstehende Geschwulst, die bei kräftigerem
Druck ein Gefühl von Taubheit (Einschlafen) erregt. In den
Hüften, den Leisten, dem Epigastrium ist derselbe Schmerz fühl-
l) Oribas. II, 424 aus Antyllus. Anwendung bei hysterischen Krämpfen, bei
Epilepsie, Migräne, Asthma, Spasmus cynicus. Bei Hysterie räuchert man mit Myrrhe,
Weihrauch oder Bdellium; wenn die Frau sitzen kann, so placirl man sie auf den
Geburtsstuhl und bedeckt sie ganz , mit Ausnahme des Gesichtes. Bei \ orfall der
Mutter räuchert man mit stinkenden Sachen, z. B. Blutegel, die man verbrennt, ebenso
mit verbrannten Federn, Haaren, AVolle, Schwämmen etc. — Angabe eines Apparats,
der aus einem Topf mit Deckel und Röhre besteht. Bei Epileptischen räuchert man
mit Gagates (Tet).
119
bar, wie er bei Hüftscbmerzen empfunden wird, wenn man herum-
wandelt und sich bückt
Kapitel IX.
Die Mola.
§ 361). Die sogenannte Myle (mola) oder Mylos, wie andere
sie nennen, ist eine Verhärtung des Uterus, die durch eine voraus-
gegangene Entzündung hervorgerufen wird , bald auch ein ört-
liches Geschwür mit Fleischwucherung. Es heisst Mylos wegen
seiner Schwerbeweglichkeit und seines Gewichtes. Diese Krank-
heit sitzt bisweilen nur in einem Theile der Gebärmutter, z. B. im
Muttermunde und in dem Halse des Uterus, in welchem Falle
man beim Touchiren auf eine Geschwulst stösst, welche mit seiner
ganzen Schwere in der Tiefe liegt; für gewöhnlich aber nimmt
sie die ganze Gebärmutter ein und zeigt sich dann ganz deutlich
im ganzen Umkreise des Epigastrium eine harte , steinige Ge-
schwulst, welche die darüber liegenden Hypochondrien herabzieht
und mit Abmagerung, Blässe und Appetitlosigkeit verbunden ist.
1) Oribas 111,65 — 67. Es kommt vor, dass Frauen, die in der Meinung leben,
empfangen zu haben, etwas gebären, was man „uoXif)“ nennt. Der Leib nimmt zu,
aber wenn der Termin herankommt, bleibt die Geburt aus. Eine solche Frau blieb
in diesem Zustande 3 bis 4 Jahre und endlich wurde ein grosses Stück fleischige
Masse ausgestossen. Bei einigen Frauen dauerte die Krankheit bis ins höhere Alter,
ja bis zum Tode. Es handelt sich um ein Produkt, bei dem die Mitwirkung des
Sperma virile ausgeblieben ist. Die Mole kann so hart werden, dass man sie nicht
mit einem Beile zu zertheilen vermag. Die Molen gehören zu den seltenen Krank-
heiten.
Bei Galen (X. 987 Kühn) heisst sie äSiänXaaTO? aäp$, d. h. ein unorganisches
Fleisch.
Die Schilderung, die Soranus gibt, legt auch den Gedanken an einen Tumor
uteri nahe, besonders etwa an das Myom (Fibroid). Ohne Zweifel wurden unter
dem Namen püXrj allerlei Zustände konfundirt , als wirkliche Placentarpolypen und
Neoplasmen.
Bei Hippokrates (de morb. femin. Lib. I, cap. 71 (Littre VIII, 149) wird die
Bildung der Mola dadurch erklärt, dass bei starker Menstruation ein kranker Samen
in geringer Menge dazu kommt; alsdann gibt es keine richtige Konzeption; der
Leib wird voll wie bei Schwangeren; aber es bewegt sich nichts im Bauche, es
bildet sich auch keine Milch in den Brüsten. Dieser Zustand könne 2 — 3 Jahre
währen. Bildet sich nur eine einzige Fleischmasse, dann unterliegt die Frau, bilden
sich mehrere, dann kommt es zu reichlicher Blutung, bei dessen Nachlass sich die
Frau erholen kann; doch bei Fortdauer kann es zu letalem Ende kommen, Räucherung
ist anzuwenden, auch ein Klysma, das reichliche Blutung bewirken wird. Auch
Injektionen kommen in Gebrauch, kräftige Mutterzäpfchen mit Buprestis; innerlich
gibt man kretischen Diktamnus in Wein , auch Castoreum , auch setzt man in die
Seiten und in die Gegend des Uterus Schröpfköpfe.
120
§ 37- Es entsteht zuerst der Verdacht der Schwangerschaft,
denn es unterbleibt die Monatsreinigung, es schwellen die Brüste
an, es entsteht Brechreiz, es werden die Hüften schwerer und es
schwillt der Unterleib auf. Allmählich unterscheidet es sich durch das
Auftreten von stechenden Schmerzen, ohne dass aber Bewegungen
wie bei Schwängern sich zeigen. Wenn sich dann in der Folge
der ganze Körper ausdehnt und die Anschwellung immer stärker
wird, denkt man an Wassersucht. Doch es ist dieser Zustand dadurch
unterschieden von der Wassersucht, dass beim Drucke der Hand
kein Nachgeben erfolgt weder ein tympanitischer Schall, noch Fluk-
tuation sich zeigt, wie es bei Wassersucht der Fall ist. Bisweilen
kommt es jedoch vor, dass in Folge langer Dauer und Erkältung
der Leber Wassersucht hinzutritt. Einige Aerzte berichten auch
von Fällen, in denen ein Fleischauswuchs von der Grösse einer
Nuss durch die Scham ausgetreten sei, bei einigen alle Monate,
bei anderen alle zwei bis drei Monate.
§ 38. Manche hfelten den in Rede stehenden Zustand für
unheilbar und behandelten ihn gar nicht, andere wieder wandten
nur im Beginne der Krankheit Mittel an. Wir dagegen behandeln
den Zustand als eine chronische Krankheit. Man darf die Krank-
heit nicht leicht nehmen, sondern muss sofort, wenn die Anfälle
auftreten, die sich durch das Gefühl der Schwere und Schwindel
oder durch schlechte Verdauung und Schlaflosigkeit, Symptome,
welche ohne sichtbaren Grund eintreten, offenbaren, zu warmen
und erschlaffenden Umschlägen, Schröpfköpfen , Scarifikationen,
Blutegeln, Bähungen, erschlaffenden und lindernden Injektionen,
erweichenden Mutterzäpfchen, Sitzbädern, zur Wachssalbe mit ge-
kochter Althaea, süssem oder Kyprinosöl, zum Diachylon-Pflaster
oder zu dem sogenannten Mnaseas-Pflaster, zu saft- und geschmack-
vollen Speisen seine Zuflucht nehmen; zu empfehlen ist ferner
die Anwendung einer Leibbinde (über die Schultern gehend), wo-
durch die Beschwerden, welche das Herabdrücken verursacht,
gehoben werden. Ebenso ist bei Verschlimmerungen zu verfahren,
in den freien Intervallen dagegen stärken wir (vorbauend) den
Körper durch Salben, Schaukeln, Spazierengehen, Baden, lautes
Reden, durch Trinken eines leichten Weines und Genuss einer
guten und gemischten Nahrung; die primär ergriffenen 1 heile
suchen wir zu verbessern durch Pechpflaster, durch Erwärmen,
Sonnen, Aufstreuen von Natron und Salz und Frottiren, auch
empfehlen wir wohl Hautröthung vermittelst Senf und getrock-
neten Feigen, weiche Umschläge von Samen und Lorbeer, das
Polyarchion, das nach Kephisophon benannte Pflaster und ähnliches,
Sitzbäder und Dampfbäder, welche umstimmend wirken können,
wie die Bäder in gesottenem Meerwasser, in einem Dekokt aus
Lorbeerblättern, Lorbeeren, Polei, Isop, Salbei, Marrubium, Arte-
121
misia, Diptam, Centaurion, Polium, Skordium, und zwar ist dabei
folgendermassen zu verfahren: man setze das Gefäss mit dem
Dekokt unter den Stuhl, füge eine Röhre in den Deckel, in den
zu diesem Zwecke ein Loch zu bohren ist und lasse dann durch
diese Röhre die Dämpfe emporsteigen. Ferner gebrauchen wir
Mutterzäpfchen aus Butter, Isop, Gänse- und Hühnertalg, Mark
oder Gehirn vom Hirsch, Honig, dem Fleisch der fetten Feigen,
Rosinen zusammen mit altem Oel oder Kyprmosöl oder Iris oder
Sampsychosöl oder Majoranöl oder Lilienöl oder Betelöl. Von
gutem Nutzen sind auch scharfe Speisen, zumal wenn das Leiden
Fortschritte macht, ferner die cyclische Kur (Ermerins CVIII V.
Rose 394, der Gebrauch natürlicher Thermen, Douchen und
Schwimmbäder in der See oder in natürlichen Wassern, Erzeugen
von Erbrechen vermittelst Rettige oder, falls der Kräftezustand
es zulässt, auch vermittelst Nieswurz.
§ 39. Andrerseits kann man wieder nicht genug vor zu
scharfen Mutterzäpfchen und zu scharfen Sitzbädern warnen, denn
durch den fortwährenden Gebrauch derselben verschwären un-
merklich die Verhärtungen und das Leiden wird bösartig. Aus
demselben Grunde, wie bei den Krankheiten, welche wir bereits
besprochen haben, verwerfen wir auch Räucherungen mit Safran,
Storax, Harz und Myrrhe, das Einathmen von Dämpfen aus
Artemisia, Polei, Marrubium und Knoblauchstengeln, das Trinken
von Weinhonig in einem Dekokt aus Nasturtium und Polei. In
der Regel tritt durch die eben besprochene Kur plötzlich eine
reichliche Entleerung geronnenen schwarzen Blutes ein und da-
mit Heilung.
Kapitel X.
Haemorrhagia uteri.
§ 40 J). Blutfluss aus dem Uterus kann zur Ursache haben:
Schwergeburt, Abortus, ulcerative Zerstörung, Bersten von Ge-
l) Mu 1 1 e r s p i e g el , SmtTptoao?. Bei den älteren Historikern gilt mit Un-
recht Paulus von Aegina (650 p. Chr.) als Erfinder des Speculums. Dieses wird in
seinen Schriften zweimal erwähnt: Lib. III, cap. 65 de abscessu uteri etc. und Lib.
VI, cap. 73 über dasselbe Thema, wo allerdings die Besprechung ziemlich eingehend
ist „instrumento exploralerio, dioptra appellato, pro aetate convenienti exploret“ etc.
Soranus ed. Dietz p. 119. Der Chirurg soll zuerst „8iä tt)? Stou-toa?“ die Ur-
sache der Dystokie erforschen; besonders Auswüchse (Lnot) etc. Diese Stelle soll
aus 1 hilumenos stammen und ist in der Ausgabe von Roso nicht aufgenommen.
Binden der Glieder. Diese Encheirese soll von Chrysippus von Knidos
erfunden worden sein (350 a. Chr.) und wurde als Ersatz der Venaeselction vielfach
angewendet. Hierüber Galen, des venaesectione adversus Erasislratum Cap. 1. Dieses
Binden der Glieder d7tcSjai<r, 8ia8e<j|AOs) wurde an vielen Stellen des Leibes
122
/
fassen. Das Leiden ist sofort an dem starken und unmässigen
Blutausguss kenntlich, zugleich befällt die Kranken Schwäche.
Erschlaffung (Collapsus), Abmagerung, Blässe und andauernde
Appetitlosigkeit. Bisweilen tritt das Leiden periodisch auf. Der
Zustand bietet sehr viele Schwierigkeiten, denn es ist nicht mög-
lich, die Finger darauf zu drücken, Haken anzubringen, Charpie
einzuzwingen, mit Schlingen die Wunde zusammenzuschnüren
oder sie zu nähen. * Auch fliesst das Blut nicht bloss aus dem
Uterus, sondern auch aus den äusseren Theilen (alöoiov j. Manche
Aerzte, die durch Zeichen den Ort des Leidens festzustellen sich
bemühen, behaupten, das Blut, welches aus den äusseren Geni-
talien fliesse, sei dünn, gelblich und warm, dasjenige, welches aus
dem Uterus fliesse, dagegen viel dicker, schwärzer und kälter.
Doch bei weitem sicherer lässt sich der Ort des Leidens durch -
den Mutterspiegel feststellen.
§ 41. Für die Behandlung ist es gut, wenn die Kranke sich
in einem kleinen, dunklen und mässig abgekühlten Zimmer auf
ein festes und unbewegliches Bett so legt, dass die Füsse höher
liegen, dann ruhig in derselben Lage verharrt, weil jede Bewegung
Fliessen hervorruft, die Schenkel anzieht und sie kreuzweis legt.
Man lege dann breite, gereinigte und weiche Schwämme, nachdem
sie in kaltes Wasser oder ein Essiggemisch oder auch reinen
Essig getaucht sind, auf die Scham, den Mons Veneris, die Hüften
und die Rollhügel, später auch auf die Brust unter wiederholter
neuer Anfrischung. Die Extremitäten sind recht fest zu binden,
denn die Verdichtung, welche durch den Druck veranlasst wird,
pflanzt sich bis zum Orte des Leidens fort. Empfehlenswert!! ist
ferner, das Gesicht in kaltes Wasser zu stecken oder es mit
einem in reinem Wasser angefeuchtetem Schwamme abzuwischen
und in Pausen zu begiessen, den Kopf mit kaltem, frisch ge-
presstem Oele zu befeuchten, Essig zu schlürfen, sich bis zu den
Leisten in kaltes Wasser oder in ein Essiggemisch oder in reinen
Essig oder in ein Dekokt zu setzen von Myrten, getrockneten
Rosen, unreifen Galläpfeln, Myrrhe und Linsen, Meerzwiebel,
Granatäpfeln, Brombeerlaub, Eichenblättern, Weide oder des
Gerbersumachs. Sollte durch erneute Blutung der Zustand be-
denklich werden, so injizire man vermittelst des Klystirs oder der
Mutterspritze den Saft irgend einer der genannten Pflanzen oder
den der Schafzunge, des Polygonum, von Seris, Nachtschatten,
Flohkraut oder Perdikium. Wenn anch nach Gebrauch dieser
Mittel der Blutfluss weiter besteht, so gebrauche man noch den
Saft von der Hypokistis und Akazie und Opium , alle drei zu-
geübt: Achsel, Arme, Schenkel, Leisten etc. Besonders Erasistratus hat auch diese
Methode aus Scheu vor Blutentziehungen lebhaft empfohlen. (R. Fuchs, Erasistratea,
Diss. Lipsiae 1892.)
123
gleich oder jedes für sich in Essig gelöst, oder ca. zwei Maass
aus unreifen Trauben gepressten Weines. Auch ist weiche Whlle,
welche zuvor mit irgend einem der aufgezählten Säfte ange-
feuchtet werden muss, vermittelst des hingers oder der Sonde
in den Mund des Uterus zu appliziren, und zwar auch, wenn da-
durch der Blutfluss stärker wird. Denn entspringt der Fluss aus
den oberen Theilen, so hemmt die eingekeilte Wolle den Fluss und
das abgesonderte Blut bleibt im Hohlraum des Uterus. In diesem
Falle ist es nöthig, ein weiches und gereinigtes Schwämmchen
von länglicher Gestalt, welches mit denselben Säften angefeuchtet
ist, soweit als möglich nach innen einzuführen, damit es das er-
gossene Blut aufsauge und so verhindere, dass das Blut gerinne
und dadurch noch weitere Leiden und Entzündungen veranlagst.
Dieses Schwämmchen ist bisweilen zu wechseln. Heilsam wirkt
auch das Ansetzen von Schröpfköpfen auf die Hüften, die Leisten
und die Weichen, womöglich auch in die Rollhügelgegend unter
starker Erwärmung; diese müssen eine ziemlich lange Zeit darauf
liegen bleiben und sind dann sanft wegzunehmen. Auch sind zu
Umschlägen an denselben Theilen, auf welche die Schwämme ge-
legt sind, Datteln zu verwenden, welche mit einem herben Weine
oder Essig durchtränkt sind, zusammen mit Wachssalbe, bereitet
aus Rosen oder Quitten, mit glatten Myrthenblättern, Mispeln,
Alaun, Aloe, Weinblüthe, Hypokistis, Akazie, unreifen Galläpfeln
und frisch gepresstem Oele, mit Oel von Rosen, Myrrhen, Mastix-
baum, Quitten; ebenso sind förderlich Umschläge mit irgend einem
adstringirenden und kühlenden Kraut, wie z. B. Portulak, Bilsen-
kraut, Schafzunge, Flohkraut, Nachtschatten, Perdikium , Poly-
gonum, Seris, vermengt mit feinem Gerstenmehl und Essig oder
mit Datteln. • Auch diese Umschläge sind oft zu wechseln. Ferner
sind recht kräftig zusammenziehende Mutterzäpfchen, zu denen man
z.B. nimmt Galläpfel, W eihrauchkörner, V itriolerz, welche Substanzen
zu gleichen Theilen mit süssem Weine zu mischen sind, oder Asche
oder Theer (!), mit dem die zum Autlegen bestimmten Schwämme
benetzt werden und das dann auch innerlich eingeführt wird
oder trockene Hefe mit irgend einem adstringirenden Safte zu
gebrauchen. Bei ulcerativer Zerstörung wenden wir den schwarzen
Trochiscus (dicc xccqzov) mit Essig oder einen von den Trochislcen
an, die gegen Ruhr verordnet werden. Wenn auch hierdurch
eine Aetzung veranlasst wird, so ist doch diese leicht zu beseitigen,
falls die Kranke überhaupt am Leben bleibt. Es ist Speise zu
reichen, nachdem zuvor das Gesicht mit kühlem Wasser abge-
wischt ist. Die Nahrung bestehe in Reis, der mit kaltem Wasser
oder dem Essiggemisch zu bereiten ist, in Spelt, Brot und weichen
Eiern mit Essig. Später, nach Verlauf einiger Tage, darf ge-
nossen werden : Seris oder Schafzunge in Essig und wenig frisch
gepresstem Sumachsaft, gut gekochtes und frisch gepresstes Oel,
124
•Quitten geröstet oder Eppich gekocht, ein Stückchen Brustfleisch
ivriner W1 den kaube> gekocht in Essiggemisch oder o-efülh
mit Myrten oder von Rebhuhn, Haselhuhn oder ähnlichem Ge!
ugel. Ist die /eit des allgemeinen Leidens vorüber, so kann
man auch einen leichten Wein und später, wenn die Kräfte
wieder genügend zugenommen haben, auch ein Bad gestatten.
den §Ad2' iViele AerZtS und U1lter ihnen auchThemison wandten
den Aderlass wegen seiner Eigenschaft, den Stoff abzuführen
g rne an doch missbillige ich dies. Denn der Aderlass erschlafft’
wahrend doch der am Blutfluss leidende Theil eine Stärkung und
Zusammenziehung erfordert ; der Stoff ist nicht abzuführeng son-
dern festzuhalten. Ja, der Aderlass bringt sogar Gefahr. Wenn
nämlich durch den Aderlass der Blutsturz nicht gehemmt wird
so muss noth wendiger weise der Tod schneller an die Kranke
herantreten da dann ihre Kraft durch doppelten Blutfluss ver-
geudet wird. Ist aber auch der Blutfluss durch den Aderlass ge-
hoden’ £° kehrt doch die Entzündung später in Folge des Ein-
griffs ( Trauma) in stärkerem Masse zurück und bringt ent-
sprechende Gefahr. Denn wenn wir eine Ader öffnen würden, würden
wir nach dem Aderlass und dem Blutfluss die Frau sofort tödten
B alls wir jedoch andererseits wieder bei einer starken Entzündung
™?ht durch Aderlass Blut entzögen, würden wir die Kranke ohne
Hulte lassen. Denn nichts beseitigt so leicht die Gefahr, welche
in der Entzündung liegt, als ein Aderlass.
Viele schreiben auch antipathischen Mitteln einige Wirkung
zu, so dem Magnetstein, dem Schlamm und dem Lab eines Hasen
und manchen anderen Amuleten, welchen wir keine Heilkraft
beimessen können. Lnd doch darf man den Gebrauch derselben
nicht wehren. Denn hilft das Amulet auch nicht direkt, so richtet
doch die Hoffnung, welche die Kranke auf dasselbe setzt, ihren
Muth auf.
Kapitel XI.
Der Ausfluss aus den weiblichen Geschlechtstheilen.
§ 43- Der sogenannte weiblicheFluss ist nach älterer Definition,
wie sie uns Alexander Philalethes in dem ersten Buche seiner
Gynäkologie darlegt, „der Erguss einer grösseren Mcng'e Blut
durch die Gebärmutter während einer längeren Zeit“, nach der Defini-
tion des D emetr io s, des Anhängers des Herophilos, dagegen
„der Erguss von P Bissigkeiten durch die Gebärmutter während
einer längeren Zeit, denn es flössen nicht nur Blut, sondern zu
verschiedenen Zeiten auch ganz verschiedene Stoffe aus. Wir
125
definiren ihn als einen chronischen Ausfluss aus dem Uterus, wo-
bei die Aussonderung einer grösseren Quantität Flüssigkeit wahr-
genommen wird.
Asklepiades und noch einige andere Aerzte unterschieden
zwei Arten von Ausfluss: einen rothen und einen wässerigen,
weissen Fluss. Demetrios macht dagegen Unterschiede nach
der Farbe und Wirkung (dvva/uis)- Nach der Farbe unterscheidet
er einen weissen, wie Gerstenschleim (Decoct), einen wässerigen,
einen rothen, einen schwarzen, einen blutigen, einen fleischwasser-
ähnlichen, einen ungleichartigen, einengelblichen. Was die Wirkung
betrifft, so fliesse er bald nur reizlos, ohne Jucken und sonstige
Schmerzen, bald mit Jucken, Schärfe und schmerzvoller Mitem-
pfindung zur Zeit der Absonderung. Ferner behauptet er, der
eine Fluss komme aus dem ganzen Körper, ein anderer aus dem
Uterus, andere aus anderen Theilen des Körpers, und er erörtert
dann genau die verschiedenen Merkmale dieser Ausflüsse, deren
Aufzählung jedoch unnütz und weitläufig wäre. Denn jeder
Fluss, mag er aus dem ganzen Körper oder nur aus einem Theile
desselben, wie aus dem Uterus kommen, muss der Kur unter-
worfen werden. Man sagt von dem weissen hluss, er sei schwerer
zu behandeln als der rothe, weil er engeren Kanälen (Gefässen)
entströme. Im Allgemeinen werden wir für den Fluss als Merk-
male aufstellen: andauernde Nässe an den Geschlechtstheilen,.
wobei die Feuchtigkeit verschiedene Farben aufweist, Blässe,
Abmagerung und Appetitlosigkeit der Kranken, häufig auftretende
Athembeschwerden beim Gehen, Anschwellung der Füsse.
§ 44 x). Im Besonderen ist das Leiden verschieden, je nach-
dem es ohne' Schmerzen oder mit Schmerzen, ohne Geschwür
l) -/.ata x’jy.Xov a^TY]» die cyldische Kur der Methodiker bei Soranus auch II,
32 und 38 erwähnt.
Caelius Aurelianus , der spätere lateinische Editor unseres Soranus, schildert
in Chronic. Lib. I, Cap. I die Kur ausführlich. Zuerst kommt der Cyklus resum-
tivus: Am ersten Tage wenig oder nichts geniessen, am zweiten Tage Körpermotion
und Salbung, als Nahrung das Drittel der gewohnten Ration, als Speise Brod, Eier,
allerlei Gemüse, zarte Fische, Drosseln (turdi, ficedulae), Hirn von Schwein oder
Zicklein. Damit wird 2 — 3 Tage fortgefahren unter Beobachtung des Kräftestandes.
Hierauf wird das zweite Drittel der bisher verminderten Ration erlaubt, ein Brei
aus Drosseln, jungen Tauben etc. Nach abermals 3 bis 4 Tagen wird das letzte
Drittel beigefügt und Brei von Hasen, Reh. Nach wieder so viel Tagen Brei von
Schweinefleisch. Bezüglich des Weines findet dieselbe allmähliche Mehrung der
Dosis statt, bei grossem Durst wird Wasser empfohlen.
Auf den resumtiven Cyklus folgt nun der umstimmende (Metasincriticus). Hier
spielen scharfe, salzige Speisen die Hauptrolle (Kappern mit Senf, grüne eingemachte
Olivenkolymbades genannt), Zwiebeln etc. sind aber verboten. Nebenbei ähnliche
Speisen, wie im ersten Cyklus. Die Kur mit gesalzenen Speisen heisst Drimyphagia.
An diesen Cyklus schliesst sich eine Kur mit Vomitiven an. Das Genauere
lese man bei Cael. Aurelianus nach.
(Ulceration) oder mit Geschwür auftritt, welch’ letzteres mit einer
Entzündung verbunden, jauchig oder rein sein kann. (Geht der
Ausfluss ohne Geschwürsbildung und ohne Schmerzen vor sich,
so sind alle Mittel anzuwenden, welche wir bei dem Blutfluss
aufgezählt haben), will man noch Heiltränke verordnen, so dürfeu
dies nicht solche sein, welche scharfe Pflanzenstoffe enthalten,
sondern milde . . . . , wie z. B. ein Aufguss von geschnittenen
Lotosblumen, allein oder in Verbindung mit 2 Obolen samischer
Erde in 2 Cyathi Wasser, und wenn die Zeitumstände es gestatten,
auch mit einem herben Wein, ferner mit letzterem zusammen
das Lab eines Hasen, Kalbes, Lammes oder Hirsches, denn dieses
wirkt zusammenziehend, weiche Weinbeerkerne, Myrthenbeeren,
Granaten, Fichtenrinde oder ähnliche Stoffe, von denen als
Maximum 2 Drachmen in einen Trank zu mischen sind, das
Dekokt von Theba'ischen Datteln oder Quitten. Ist der Aus-
fluss mit Schmerzen verbunden, so soll man vermittelst der Mutter-
oder Klystierspritze einen Aufguss aus Tragus, Spelt oder Gersten-
graupen injiciren, auch sind nach Möglichkeit warme Umschläge
aufzulegen und warme und leichte Speisen zu verabreichen. Bei
dem Flusse mit Geschwürsbildung ist im Falle der Entzündung
dasselbe Verfahren einzuschlagen, wie bei dem Ausflusse, der
mit Schmerzen, doch ohne Geschwür auftritt. Ist der Ausfluss
jauchig, wie weinhefefarbig, so gebrauchen wir, wie bei der
Dysenterie, bald Mittel, die reinigen, bald solche, welche die
Vernarbung herbeiführen. Alle diese Mittel werden wir später
in dem Kapitel über die Geschwüre der Gebärmutter aufzählen.
AVenn der Fluss chronisch geworden ist und bald zunimmt,
bald abnimmt, so sind in den Zeiten der Zunahme einfache Lin-
derungsmittel, in den Zeiten des Nachlasses dagegen solche Mittel
zu gebrauchen, welche sätrken und zugleich den Körper um-
stimmen, wie mancherlei passive Motion , Spazierengehen, Dekla-
miren, fleissiges Salben, Baden, Trinken eines leichten Weines
und Genuss gemischter Kost, oberflächliches Erwärmen, Sonnen,
Schröplköpfe, welche umstimmen, Pechpflaster, Frottiren mit der
blossen Hand oder mit roher Leinwand, Enthaarungsmittel (Rusma
Turcarum?) oder Salben, welche den Körper umstimmen, Senf-
pflaster, Erregen von Erbrechen durch Rettige, Essen scharfer
Speisen und die cyclische Kur (cf. Ermerius CAIII. V. Rose p. 394^>
Untertauchen und Douchen in natürlichen Gewässern, Luftver-
änderungen zu Wasser und zu Lande, Sitzbäder und Mutter-
zäpfchen, welche reizend ( a/.tvooeiv ) wirken.
Die sonst wohl bei dem blutartigen Ausfluss übliche A enae-
sektion am Ellbogen, der Nase oder der Stirne missbilligen wir
aus den bereits oben angeführten Gründen auch hier, es sei denn,
dass ein gar heftiger Schmerz sie indicire. Denn die Krankheit
127
verlangt Zusammenziehung, nicht Eerschlaffung, wie sie die Ent-
ziehung des Blutes natürlich herbeiführen muss.
Kapitel XII.
Die Gonorrhoe.
§ 45 1). Die Gonorrhoe kommt nicht nur bei Männern, son-
dern auch bei Frauen vor. Sie besteht in einer Samenentleerung,
welche ohne Geschlechtslust und Blutwallung (evraoig) erfolgt
(Hippokr. IX. 189) und welche in kleinen Zwischenräumen auf-
tritt, wobei der Körper Farbe und Kraft verliert und abzehrt.
Denn auch die Gebärmutter wird schlaff, die Kräfte nehmen ab und
der Körper magert ab. Es fliesst nämlich allmählich der Stoff
aus dem Körper zur Gebärmutter und erleidet in den Geschlechts-
theilen eine kleine Veränderung, wie bei Augenkranken die Thräne.
Auch ist die Krankheit ihrer Art nach ein Ausfluss (Katarrh)
und pflegt langwierig zu sein.
§ 46. Solange die Krankheit noch im akuten Stadium sich
befindet, ist lindernd vorzugehen. Die Kranke soll sich in ad-
stringirende und ziemliche kalte Abkochungen setzen, wie solche
von Rosen, Myrthen, Mastix, Brombeeren und ähnlichen Pflanzen
gemacht werden, und den Unterleib und die Leisten mit dem
Safte der Akazie und der Hypokistis, vermischt mit herbem Wein
und mit ähnlichen Stoffen, salben. Auch kann man Umschläge
und Salben aus Datteln, Quitten und Myrthen gebrauchen, eine
breite und dünne Bleiplatte lege man des Nachts unter die Hüften,
man benutze altgewaschene Bettdecken, auch die Unterbetten
dürfen nicht weich sein. Brechmittel sind anzuwenden nach dem
Essen, besonders aber bei nüchternem Magen. Die oberen Theile
sind möglichst lange zu massiren und zu reiben, dagegen dürfen
die kranken Theile selbst keineswegs geölt oder erwärmt werden.
Zu trinken darf man geben: eine Drachme von der im Schatten
getrockneten Alikakabonwurzel mit Wasser, oder das gleiche
Quantum von Keuschlamm-, Hanf- oder Rautensamen, von Speisen
müssen alle vermieden werden , welche dünn und brühig* sind,
1) Gonorrhoe. Ableitung von fovr) Samen und p'eiv fliessen (Galen, de loc.
affect. Lib. VI bei Kühn VIII 439). Zunächst handelt es sich um Samenausflüsse,
wenn auch der Ausdruck später auf diverse Urethralaffektionen ausgedehnt wurde.
Während die Gonorrhoe der Männer von den alten Autoren (man sehe die Zusammen-
stellung von Puschmann in Alexander von Tralles I, 274) vielfach erörtert wurde,
ist die der Weiber spärlicher bedacht. Auch in der monographischen Arbeit des
Rufus von Ephesus über Satyriasis und Gonorrhoe ist nur von Männern die Rede.
Ueber Semen muliebre sehe man oben p. 18.
128
Samen erzeugen und reizen, vielmehr ist trockene Kost zu
empfehlen, gebratenes Geflügel uud ein wenig saurer Wein.
Ueberhaupt ist auch sonst alles zu vermeiden, was geschlechtlich
aufregen kann, so darf man der Kranken keine Gemälde mit
schönen Gestalten zeigen, noch mit ihr vom Beischlaf reden, son-
dern das Gespräch, die Lektüre und sonstige Beschäftigung muss
ernst sein ! ! Dauert der Zustand schon länger, so sind auch gym-
nastische Uebungen, Schwitzen, Frottiren und kalte Bäder anzu-
wenden, auch sind Unterleib und Hüften mit Rosenöl fleissig zu
bestreichen. Schliesslich sind auch hier dieselben Mittel am Platze,
welche für Männer gegen Gonorrhoe und nächtliche Ergiessungen
(oveiQUigts) verordnet werden. Lässt die Krankheit nach, so ge-
brauchen wir Mittel , welche lokal und konstitutionell kräftigen
und umstimmen, deren Stoffe weiter oben aufgezählt sind.
Kapitel XIII.
Atonie des Uterus.
§ 47 *). Wie jeder andere Körpertheil, so leidet auch die
Gebärmutter bisweilen an Erschlaffung und Schwäche. Bei den be-
troffenen Frauen zeigen sich Widerwille gegen den Coitus, Abgang
von Gasen, wiederholt auftretende Menstruation, indem nämlich
zwei- oder dreimal im Monat in unregelmässiger Weise eine
schwarze und wässerige Masse zum Vorschein kommt, und die
Unfähigkeit den männlichen Samen festzuhalten. Dieser fliesst
vielmehr wieder heraus und zwar bei manchen sofort nach dem
Coitus, bei anderen wenige Tage später, bei manchen erst nachdem
er bereits eine embryonale Form angenommen hat, bald abgestorben,
bald schlecht entwickelt, und zwar unzeitig, so dass Ausfliessen,
Fehlgeburt und Frühgeburt entsteht. Unter Ausfluss (e'y.Qoia) ver-
steht man das Ausstossen des Samens am ersten oder zweiten
Tage nach dem Coitus, unter Fehlgeburt ( extqioois ) versteht man
das Absterben des Embryo im zweiten oder dritten Monat, unter
Frühgeburt die Geburt eines fast reifen Kindes nahe dem natür-
lichen Termine. Falls im letzteren Falle der Embryo nicht todt
ist, so ist er doch schlecht genährt und sehr schwach. Zur
Zeit der monatlichen Reinigung tritt Schwere im Unterleib, .in
den Hüften und Schenkeln auf. Besonders übel daran ist der
Magen, da aus ihm bisweilen Ausdünstungen zum Kopfe empor-
1) Der Begriff „Atonie des Uterus“ fällt vielfach mit dem Bilde des habituellen
Abortus zusammen. Die als regelmässige, jedenfalls häufigste Ursache desselben,
die Lues wurde von den Alten natürlich nicht berücksichtigt, wenn wir auch an-
nehmen dürfen, dass sie in den Grossstädten der alten Welt gewiss nicht selten war.
129
steigen, so zeigen sich bei solchen Kranken auch jene Symptome,
welche wir bei den hysterischen Stickkrämpfen erwähnt haben,
bisweilen zeigt sich auch melancholische Geistesstörung und Tob-
sucht. Das Leiden entsteht in Folge häufiger Schwangerschaft
und Ausdehnung des Uterus und besonders leicht, wenn der
Embryo stark entwickelt ist.
§ 48. Für die Therapie sind unter den in den früheren Kapiteln
erwähnten Mitteln diejenigen hier zu gebrauchen, welche die leiden-
den Theile stärken können. Denn dies Leiden ist genau so zu
behandeln wie ein langwieriger Fluss. Wir gebrauchen somit
zur Zeit der Anfälle zusammenziehende, zur Zeit des Nachlassens der
Krankheit kräftigende und umstimmende Heilmittel. Ist der Samen
nach dem Coitus nicht sofort wieder ausgestossen worden, so ist
die Conception möglichst zu fördern, wie wir bereits im ersten
Theile unseres Werkes dargelegt haben. Wenn ein Absterben
der Frucht zu erwarten steht, dessen Merkmale wir bereits in
einer früheren Betrachtung aufgezählt haben, und zu denen noch
das widernatürliche Einschrumpfen der Brüste, wie Hippokrates
anführt, und das Kaltwerden der Schenkel, welches Merkmal
Diokles- angiebt, hinzuzufügen sind, oder wenn der Embryo be-
reits todt ist, gilt es die Ausscheidung zu unterstützen, wozu vor
allem die Ruhe, eine hohe Lage und Auflegen von Schwämmen,
welche in Essigmischung ausgedrückt sind, auf Schamberg und
Llüften förderlich sind. Oft wurde schon so eine Fehlgeburt ver-
hindert, wenn einmal diese Behandlung bei einer frischen Trennung
der Frucht vom Uterus sofort angeordnet wurde. Das voll-
ständige Ausstossen der todten Frucht ist durch erschlaffende
Mittel zu fördern es sind ferner adstringirende, doch lau-
warme Halbbäder zu nehmen, in den Uterus warmes Rosenöl,
Narcissos-, Lilien- oder Quittenöl zu injiciren, und Unterleib und
Hüften mit gleichen Stoffen zu salben. Auch ist der ganze Körper
durch Turnübungen, welche der weiblichen Natur angemessen
sind, fleissig in Thätigkeit zu halten. Essen soll die Patientin
nur wenig und nur fleischige und leicht zusammenziehende Speisen,
ebenso darf man ihr einen zusammenziehenden und mässig herben
Wein geben. Doch darf sie nur wenig trinken, denn Durst leiden
passt für den Zustand besser. Zu verbieten sind alle Speisen,
welche mit Milch und Käse zubereitet werden, auch ist jedes
Laxiren und Purgiren zu meiden.
Kapitel XIV.
Paralyse des Uterus.
§ 49- Lähmung der Gebärmutter wird ausser anderen Anlässen
zumal durch schnell auf einander folgende Fehlgeburt hervorge-
Soranus: Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. Q
130
rufen. Die Kranken befällt Widerwille gegen den Coitus, der
Gebärmuttermund wird kalt, dünn, schlaff und ganz runzelig, auch
die Cervix klafft und wird unempfindlich. Beim Gehen erweckt
es das hindernde Gefühl, als ob ein fremder Körper drinnen wäre,
auch wird beim Coitus die Conception unmöglich, indem der
Samen entweder überhaupt nicht von der Gebärmutter erfasst oder
im andern Falle doch sofort wieder wie aus einer todten Höhle
ausgeworfen wird. Die monatliche Reinigung bleibt bisweilen
ganz aus, bisweilen nimmt sie einen unregelmässigen Verlauf,
auch erfolgt bisweilen unter Mitleidenschaft der benachbarten
Theile eine unfreiwillige Ergiessung von Urin und Koth und Ge-
fühl von Schwere im Mastdarm. Die Krankheit beruht auf der
straffen Faser (GTsyvdv) und ist chronisch, bald zu-, bald ab-
nehmend. Die Zunahme macht sich durch Schwere, Gefühlslosig-
keit und stärkeren Fluss bemerkbar, im entgegengesetzten Falle
hat die Krankheit nachgelassen.
Die Therapie verwendet hier dieselben Mittel, welche bei dem
Ausbleiben der Menstruation und bei der Dysmenorrhoe besprochen
wurden.
Kapitel XV.
Ueber Lateralflexion, Version und Elevation
des Uterus.
§ 50 1). Gleich gekrümmten Fingern erfahren Mund und
Hals des Uterus verschiedene Lageveränderungen, bald nach den
Seiten hin, bald nach vorne und oben, bald nach hinten und unten
sich neigend, bald weichen sie auch zurück. Diese Lagen erkennt
man einmal durch Touchiren mit den Fingern — denn durch die
Betastung finden wir die Richtung, nach welcher die Lagever-
änderung geht — dann an den Begleiterscheinungen. Bei einer
seitlichen Neigung erfolgen nämlich im entsprechenden Schenkel
Spannung, Schmerz und Gefühl von Taubheit, bisweilen auch
Atrophie, Kältegefühl und Unmöglichkeit zu gehen oder zu stehen.
Bei einer Neigung der Gebärmutter nach vorne und oben zeigen
sich Harnbeschwerden und allseitige Anspannung über den Scham-
berg, in manchen Fällen tritt noch die Unfähigkeit zu stehen
dazu. Bei einer Neigung der Gebärmutter nach hinten und unten
1) Ein Fragment des Diokles von Karystus beweist, dass dieser giosse Aizt
bei Sektionen von Mauleseln oft eine Schiefheit des Fruchthalters gesehen hat,
woraus der Schluss gezogen wird, dass ein ähnlicher Zustand an der Sterilität der
Frauen die Schuld trage. (Galen, de histor. philosoph. bei Kühn XIX. 329> e'ne
wohl unechte Schrift.)
131
endlich treten erschwerte Koth- und Gasentleerung und Schwierig-
keiten beim Sitzen ein , Erscheinungen , die um so stärker zum
Vorschein kommen, je mehr die Gebärmutter nach dem Mastdarm
sich hin neigt.
Dies sind alles Symptome einer pathologischen Straffheit
{gte yiöoewg). Denn diese treten immer auf, wenn eine Entzündung,
Verhärtung oder eine partielle Stenose zu Grunde liegen. Manche
geben als Grund der Neigung an
Unserer Ansicht nach ist das Augenmerk lediglich auf den
Zustand der Kranken zu richten, ganz gleich, ob eine Entzündung
oder im Allgemeinen eine straffe Faser (oTeyvcooig) vorliegt. Es
sind bei erneuerten, starken Anfällen alle scharfen und reizenden
Mittel zu vermeiden, dagegen solche anzuwenden, welche lindern
und erschlaffen, zur Zeit des Nachlasses ist dann zu stärkeren
Mitteln überzugehen. Hat das Leiden schon längere Zeit ge-
währt, so sind endlich umstimmende Mittel zu wählen. Die Roh-
stoffe und die Anweisung zum rechten Gebrauche derselben sind
aus den früheren Kapiteln zu entnehmen.
Kapitel XVI.
Impotenz und Sterilität.
§ 51—52
Kapitel XVII.
Von der schweren Geburt.
. ? 53 *)• Pie Anhänger des Herophilos, und besonders De-
metnos.’ definiren die Dystokie als einV'schwere Geburt, andere
vs*) Vor wasser, auch für Chorion (I. 57. 69). Sind die Ei
so steht 1St die Formrestitutionskraft (S c ha tz) des Uterus beträchtlich
so steht auch das Vorwasser unter gleich hohem Druck und der Knnf L-a„„ • Cl
vorwärts rucken, weil das Vorwasser nicht ausweichen kann.“ (Win ekel p ”nq)
II. 56- Xttu»v Trpopprjyixatoc i<rXuP6? zu grosse Resistenz der Eihäute P' 39
ri- ? vaSu ?1C Frucht oline Zerreissung der Eihäute“ etc dh in He
creduhs vendunt, si quidem causidici hoc iuvari dicun^ Ae i T advocat!s
Anton. Diadumen can a nie J aicuntur. Aelius Lampridius in
aaumen, cap. 4. _ Die Italiener sagen hier „nascer vestito“ , die Fran-
9*
V
dagegen als eine mit Hindernissen verbundene Geburt. Diese
Definitionen scheinen mir ungenügend und ich definire deswegen
so: die Dystokie ist eine aus irgend einem Grunde entstandene
Schwierigkeit beim Gebären
Diokles von Karystos behauptet in dem zweiten Buche seiner
tGynalcologie, dass die Erstgebärenden und jüngeren Frauen schwer
gebären; leicht hingegen die Mehrgebärenden; eine Dystokie
entstehe zunächst dann, wenn der Muttermund nicht in gerader
Richtung liege, verhärtet und verschlossen sei und nicht leicht
nachgebe, auch eine sehr grosse Frucht veranlasse sie. In dem
dritten Buche seiner Gynäkologie zählt er zu den Ursachen der
Dystokie noch mangelhaft entwickelte und todte Früchte. Nach
seiner Behauptung gebären auch die leukophlegmatischen und
hitzigen Frauen schwer. Darin irrt er aber , dass er nicht den
Ursachen der schweren Geburten nachforschte. Ferner ist es
doch lächerlich, den Grund der Dystokie in der Konstitution der
Mutter zur Zeit der Schwangerschaft zu suchen.
Kleophantos sagt in dem elften Buche seiner Gynäkologie
zunächst, dass die Erstgebärenden schwer gebären, und fügt
dann hinzu: ,,es gebären ferner alle Frauen schwer, welche
breite Schultern und enge Hüften besitzen. Denn bei solchen
pflege das Vorwasser nicht vor dem Eintritt der Wehen zu
springen und es erfolgt daher eine Schwergeburt. Ich be-
merke nebenbei, dass er mit Hydrops das bezeichnet, was ich
„Vorwasser (Prorrhegma)“ nenne. Ferner behauptet er, dass alle
Frauen schwer gebären, bei welchen das Kind nicht mit dem
Kopfe, sondern mit den Füssen vorliegt oder gedoppelt, d. h. in
den Hüften gebogen oder schief liegt oder den Kopf gegen die
Leistengegend, die eine Hand oder den einen Schenkel an der
Brust anliegend hat
oder welche eine unthätige Lebensweise führen. Denn Mangel
an Thätigkeit veranlasst Dystokie, während gymnastische Be-
schäftigungen eine leichte Geburt und gute Ernährung der Frucht
fördern. An dieser Ausführung ist zu tadeln, dass nicht alle
Ursachen der Dystokie aufgezählt sind.
Herophilos erwähnt in seiner Geburtshilfe , dass Dystokien
vorkämen auch wegen häufiger Schwangerschaft. So sah man,
zosen ne coiffe. Man sehe Grimm, Deutsche Mythologie p. y2®> 4- Auf!., fernei
H. E. Meyer, Deutsche Mythologie 68. In England soll die Glückshaube heute noch
in den grössten Zeitungen für Geld feilgeboten werden. Birlinger, aus Schwaben
II. 234.
Kleophantos. Sonst wenig genannt (cf. Hecker I, 327 und Biograph. Lexikon,
Nachtrag 880; bei Siebold nicht bekannt); einArzt dieses Namens wird bei Rufus
v. Ephesus erwähnt. ^ ,
Andreas von Karystos, Biogr. Lexik. I, 14° u- Nachtrag 4I2> Arzt des
Ptolemäus Philopator, vielgenannter Pharmakolog.
133
dass die Ivebsin des Simon von Magnesia unter fünf Geburten
dreimal schwer geboren habe. Eine Dystokie trete ein bei der
schiefen Lage des Embryo, bei nicht ausreichender Weite des
Mutterhalses oder Muttermundes oder wenn die den Embryo um-
hüllende Haut an der Stelle, wo das Fruchtwasser sich an-
sammelt, zu dick ist und daher vor der Geburt nicht reissen
kann. Auch behauptet er, es sei durch Augenschein bewiesen,
dass die Frucht auch ohne Zerreissung der Eihaut gekommen
sei. Solche Embryonen werden aber schwierig geboren. Eine
Dystokie werde ferner durch zu grosse Schwäche der Gebär-
mutter oder des Körpers (oco/na) veranlasst. Die Sterilität be-
ruht aber auf Schwäche (Schlaffheit) der Gebärmutter in dem
Leibe. Auch äussere Einflüsse und Ursachen, ferner blutige und
wässerige Ausflüsse können zur Dystokie führen. Wenn ferner
die Gebärmutter durch den Embryo zu sehr gespannt ist, entsteht
noch ein Grund zur Schwergeburt; weitere Ursachen sind: Kälte,
Hitze, Geschwülste oder Abscesse in den Eingeweiden, im Epi-
gastrium. Auch Verkrümmung der Lenden- und Brustwirbel-
säule erschweren die Geburt, ebenso Fettansatz im Bauche und
im Becken, indem dadurch der Uterus gedrückt wird, schliesslich
noch der Tod des Embryos. Dies ist die Ausführung des Hero-
philos. Andreas aber in dem Briefe an Sobios stimmt den An-
sichten des Herophilos bei und fügt noch Lähmung und Schrumpf-
ung der Frucht hinzu. Denn die mangelnde Schwere solcher
Fötus veranlasse eine Dystokie.
§ 54. Der Schüler des Herophilos Demetrios führt dagegen
aus, die Ursachen der Dystokie liegen tfieihTm der Mutter, theils
im Kinde und theils in den Gebärorganen. Die Ursachen der
Dystokie, welche von der Mutter ausgehen, liegen entweder in
ihren psychischen oder in ihren animalischen, d. h. leiblichen
Fähigkeiten (resp. Qualitäten). Derartig wirkende psychische
Zustände sind Betrübniss, Freude, Schrecken, Furcht oder allzu-
grosse Empfindlichkeit (Weichlichkeit), Ohnmacht. Denn manche
brauen verweichlichen in Schwelgerei und verlernen die An-
strengung. Sie vermögen daher auch nicht die Wehen zu ver-
arbeiten, und können somit nicht gebären. Auch umflortes Be-
wusstsein ist ein Grund der Dystokie, indem der Schmerz nur
schwach gefühlt wird. Dies kann man bei den Frauen annehmen,
welche von Apoplexie und Lethargie befallen sind. Auch die
Einbildung der Frau, sie habe gar nicht empfangen, wirkt er-
schwerend auf die Geburt. Physische, in dem Zustand des
Körpers begründete Ursachen sind: mangelnde Verdauung,
Appetitlosigkeit, Abzehrung, erschwertes Athmen, hysterische
Beschwerden.
134
Physische Ursachen für das Eintreten der pathologischen
Schwergeburt liegen ferner vor in Fällen, wo der Körper zu
mager ist, weil er dann durch seine Schwäche nicht im Stande
ist mitzuempfinden oder wo er zu fleischig ist, denn dann sind
die Gefässe ( noqot ) zu enge. Eine Dystokie tritt auch wohl dann
ein, wenn bei schwachen Konstitutionen zu starke Schweissab-
sonderung stattfindet, wenn die Gefässe eng sind und die Säfte
zurückgehalten werden. Denn die von Natur mit Säften über-
füllten Körper sind kraftlos und wenn ein Druck hinzukommt,
so werden die Geburtswege zu eng. Scharfe oder im Gegensätze
dazu schwach wirkende, den Körper nicht reizende und dicke
Säfte veranlassen in ähnlicher Weise Dystokie, indem sie ent-
weder zu viel oder zu wenig Pneuma führen. Elochgewachsene
Weiber und solche , die oben breiter und unten schmal sind,
gebären ebenfalls schwer, denn es fehlen ihnen die richtigen
Proportionen. Auch Krankheit der Gebärmutter veranlasst Dys-
tokie, wie z. B. eine Schwergeburt ein treten kann, wenn die
Gebärmutter kongestionirt, entzündet oder erhitzt ist, wenn sie ge-
lähmt, erschlafft oder der Empfindung beraubt ist. Diese Ur-
sachen nennt er körperliche, weil sie vom Körper ausgehen.
§ 551). Die Ursache der Dystokie kann so in der Schwängern
selbst liegen, das Kind aber bewirkt sie, wenn es einen zu grossen
Körper im Allgemeinen hat oder einzelne Theile desselben un-
verhältnissmässig stark entwickelt sind, wie z. B. wenn der Kopf
zu gross, die Brust zu breit und der Unterleib zu stark ausge-
dehnt ist, wie auch bei Wasserköpfen. Denn es werden nicht
nur Kinder geboren , bei denen die Grösse ihres Körpers und
seiner Theile ganz physiologisch ist, sondern auch solche, bei
denen sie pathologisch ist. Auch die Zahl der Früchte ist
von wesentlichem Einflüsse, z. B. wenn zwei oder auch drei
Kinder zu gleicher Zeit eintreten und in dem Mutterhals einge-
keilt sind. Ferner veranlassen noch Dystokie ein todtes Kind,
da es bei der Geburt nicht mitwirken kann, ja sie auch durch
Aufschwellen nach dem Tode erschwert, und eine regelwidrige
Lage des Kindes. Natürlich ist die Lage des Kindes, wenn es
1) ijßTf)? öaxcüv. Der Autor nimmt an, dass bei den Weibern die Symphyse
nicht eine Harmonie-Naht bilde , sondern dass ein starkes Band vorhanden sei. —
Rufus Ephesius in seiner Schrift über die Knochen sagt: Von jeder Seite des Os
sacrum erstrecken sich die Darmbeine; da wo ihre Enden vorn sich treffen, sind
sie durch einen Knorpel vereint, (zaxa xi earjßatov.)
Kindslage und Haltung. Von der normalen Haltung des Fötus im Uterus
hatte der Autor nur sehr unvollkommene Vorstellungen. Er lconstruirt sich theore-
tisch gewisse Haltungen und Lagen, die in der Praxis kaum möglich sind, z. B. die
Haltung mit gespreizten Beinen ; auch der Vorfall beider Hände könnte doch nur
bei unreifen Früchten denkbar sein. Ueber diese Vorstellungen abenteuerlicher Lagen
sehe man die in V. Rose’s Edition beigegebenen Tafeln. — Man vergleiche Muscionis
Gynäcia p. 76.
135
mit dem Kopfe vorliegt, die Hände neben beiden Schenkeln aus-
gestreckt sind und der Embryo sich gerade aus bewegt, wider-
natürlich ist sie, wenn der Kopf nach der rechten oder linken
Seite des Uterus sich stemmt oder die eine oder auch beide
Hände nach aussen vorfallen, während die Schenkel gespreizt
sind. Unter den übrigen Lagen ist die weniger gefährliche die
Fusslag-e, zumal dann, wenn die Hände neben den Schenkeln
liegen und das Kind so gerade herauskommt. Ist der eine
Schenkel vorgefallen, während der andere noch innen ist, oder
liegt der Fötus gedoppelt oder stemmt er sich auf irgend einen
Theil des Uterus, so sind die Lagen zu verbessern, was auch
dann nothwendig ist, wenn die Hände aus einander gespreizt sind.
Unter den weiteren zwei Lagen ist die Schieflage die günstigere.
Die Schieflagen können dreifacher Art sein, je nachdem eine der
beiden Seiten (und die Hüften) oder der Bauch vorliegen. Besser
ist die Seitenlage, denn sie giebt der Hand der AVehemutter Raum,
das Kind auf den Kopf oder auf die Füsse zu wenden.
Die gedoppelte Lage ist von allen die ungünstigste und im
höchsten Grade ungünstig dann, wenn die Hüften vorliegen.
Auch die Doppellage ist dreifacher Art. Entweder liegen Schenkel
und Kopf oder der Bauch oder die Hüften auf dem Muttermunde.
Besser ist es hierbei, wenn der Bauch auf dem Muttermunde liegt.
Denn nachdem wir die Bauchhöhle eröffnet und die Eingeweide
herausgenommen haben, fällt der Körper zusammen und die
AVendung gelingt leicht.
Eine Dystokie tritt auch bei Schwangerschaft mit Missge-
burten ein und auch dann, wenn der Embryo keine AVeichtheile
mehr besitzt und seine Knochen die Gebärmutter durchbohren.
Die Knochen des Embryo können in Folge Verfaulung der
Weichtheile entblösst sein, ein Fall, der selten vorkommt, oder
was häufiger geschieht , es werden bei ungeschickter Extraktion
mittelst des Hakens die AVeichtheile entfernt und die entblössten
Knochen verletzen dann die Gebärmutter.
In den Geburtswegen liegt die Ursache der Dystokie, wenn
der Uterus einen zu engen oder einen zu kleinen Mund oder Hals
hat. Dieses beruht auf mancherlei Ursachen. Sie zeigt sich zu-
nächst bei Frauen, welche vor der Erlangung der Reife heirathen,
concipiren und gebären zu einer Zeit, wo der Uterus nocht nicht
seine natürliche Grösse erreicht hat und die Uterushöhle noch
nicht das richtige Kaliber besitzt. Bisweilen ist sie auch in der
besonderen natürlichen Anlage und Konstitution der Frau begründet,
denn manche haben von Natur einen kleinen Uterus, wie es auch
bei anderen Theilen vorkommt. Ueberhaupt besitzen die wegen
ihrer Jugend noch nicht ausgewachsenen Frauen eine den son-
stigen Organen entsprechende Gebärmutter. Dystokie entsteht
ferner bei schiefer Stellung des Mutterhalses, oder wenn ein
136
pathologisches Fleischgewächs im Halse oder Muttermunde sich
gebildet hat, ferner bei Entzündung, Abscess oder Verhärtung-
dieser 1 heile, oder wenn die Eihaut, welche das Vorwasser ent-
halt, so dick ist, dass der Embryo sie nicht zu zerreissen vermag.
Auch wenn das Fruchtwasser vorzeitig abgeht, bleiben die Theile
im Augenblicke der Geburt trocken und dürr, während doch diese
b euchtigkeit dazu bestimmt ist, dem Embryo einen schlüpferigen
und leichten Durchgang zu verschaffen. Auch Conception nach
einer langen Wittwenschaft , sowie vorgerücktes gebrechliches
Alter machen die Geburt schwierig. Ferner gebären bisweilen
solche schwer, welche als Erstgebärende sich aufregen und in
ihrer Unerfahrenheit dem Körper nicht die richtige Lage zu geben
vermögen. Alles dies sind Momente, welche eine Dystokie ver-
anlassen können. Auch entstehen Schwierigkeiten durch den
Druck von Kothmassen oder Harn und durch das Vorhandensein
von Blasensteinen, da eine Kompression des Cervix dadurch er-
folgt. Ein weiterer Grund ist , dass die Eihaut sich nur schwer
zerreissen lässt oder nicht genügende Flüssigkeit enthält, um den
Kanal schlüpferig zu machen. Schwierig- wird die Geburt dann
auch dadurch, dass die Schamknochen derartig verwachsen sind,
dass sie bei der Geburt nicht auseinander zu gehen vermögen.
Bei den Frauen sind nämlich die Schamknochen nicht wie bei
den Männern zu einer unbeweglichen Gelenkverbindung ver-
wachsen, sondern ein starkes Band vereinigt sie. Schliesslich ist
noch die Lordose der Lendenwirbel gefährlich, weil der Uterus
auf die eine oder andere Seite gedrängt werden kann.
§ 57- Beim Körper sind innere oder äussere Verhältnisse von
Einfluss, wenn nämlich die Gebärende zu fleischig und fett ist.
Ausserhalb des Körpers liegen die Gründe, wenn z. B. die Frau ihre
Geschlechtstheile nicht g-enügend vorbereitet hat, (oder weil das
Fraueng-emach nicht hinreichend vorbereitet wurde (V. Rose) oder
weil sie vorher sich zu wenig gymnastisch geübt hat (Ermerins)
oder übermässiges Weintrinken oder Nachtwachen gewohnt ist, oder
wenn der Geburtsakt zu einer sehr kalten Winterszeit, weil dann
die Gefässe verengt sind, oder zu einer" sehr warmen, erschlaffenden
Sommerzeit eintritt, oder wenn die Wehemutter oder der Arzt
unerfahren sind. Dystokie entsteht ferner durch die Wehen, wenn
der Uterus sehr gespannt ist oder das Chorion von der Gebär-
mutter abgetrennt ist oder ganz plötzlich austritt oder theilweise
die Gebärmutter quetscht; ferner auch dann, wenn das Blut nicht
durch die Gebärmutter sich in das Chorion ergiesst, sondern in
den Venen und Arterien des Uterus selbst bleibt und die Ge-
fässe erweitert. Auch andersartige Schmerzen veranlassen Dystokie,
wie wir bereits erwähnten. Wie bisweilen Windsucht schmerz-
haft ist, so können auch durch Blähungen Wehen erregt werden.
137
Gegen diese ätiologischen Momente lässt sich nichts sagen,
und es dürften anderweitige Ursachen kaum durch Zeugnisse
festzustellen sein. Doch damit möchten wir die Schüler des
Herophilos zurechtweisen, dass in einer Abhandlung über Krank-
heiten unbekannten Ursachen kein Platz gehört. Auch sind sie
ja Betreffs der Existenz derselben uneinig.
§ 58. Die aufgezählten Ursachen der Dystokie sind theils ganz
leicht, theils weniger leicht auffindbar. Uebermässige Trauer,
welche schlaff und matt macht , sowie die übrigen psychischen
Ursachen können anamnestisch als der Geburt hinderliche Momente
erhoben werden. Schlafsucht und Lethargie sind leicht zu kon-
statiren. Auch sind die Anzeichen dieser Gemüthsbewegungen
in dem Buche über die akuten Krankheiten nachzulesen. Die
Grösse des Embryo als Ursache der Dystokie erkennt man an
dem Umfang des Bauches. Wenn beim Austritt (der Frucht) nicht
in gleichem Verhältniss damit sich die Anschwellung des Bauches
vermindert, so kann man das Vorhandensein mehrerer Embryonen
annehmen. Die Seitenlagen, das Hervorstrecken der Hände, über-
haupt die Lage des Kindes lässt sich durch Touchiren feststellen.
Wenn das Kind am Leben ist, so hat die Kreissende Wehen
und der Leib spannt sich, das Epigastrium wird warm befunden,
ebenso auch der Embryo beim Anfühlen und letzterer auch frisch
(evdvd-eg). Ist das Kind todt, so hat die Kreissende nicht so hef-
tige Wehen, ihr Unterleib ist kalt, beim Einführen der Finger ist
am Embryo weder Wärme noch Athmen zu spüren; fällt ein
Theil desselben hervor, so sieht er schwarz und abgestorben aus.
Krankheiten der Gebärmutter erkennt man durch Manualunter-
suchung, wobei wir uns auf die oben besprochenen Zeichen be-
ziehen. Leidet die Frau bei der Geburt, so ist die Grösse der
Gefahr aus dem Pulsschlag und der Respiration zu erkennen,
den nahenden Tod zeigen Schwäche des Pulses und andere Todes-
zeichen an.
Kapitel XVIII.
(Fortsetzung.)
$ 59 *)• Der Arzt hat sich zunächst bei der Wehemutter
betreffs der schwer gebärenden Frau zu erkundigen. Sei es nun,
dass Straffheit und Enge der Geburtswege , oder Kälte oder
Wärme der Umgebung, oder derbe Beschaffenheit des Körpers
1) •/.oiXrjv elvat tov 6a<püv , wörtlich: wegen Hohlsein der Lendenwirbel: hier
kann wohl die nach aussen gleichsam hohle, konkave Lordose gemeint sein.
Ermerins übersetzt lumbi excavati. Dieser Zustand ist bekanntlich bei der Scoiiose
(auch Kyphose) der Brustwirbel eine nothwendige Kompensation.
138
überhaupt, oder Lordose der Lendenwirbel, oder mangelhafte Ent-
wickelung der Gebärmutter, oder frühzeitige Empfängniss, oder
lästige Fettsucht und beengende Ausdehnung des Leibes, oder
Trauer oder Angst, Schief läge des Mutterhalses, oder eine Ent-
zündung, oder Trockenheit, oder ein sonstiger Grund vorliegt,
stets soll der Arzt zunächst die Erschlaffung und Entspannung-
begünstigen, er darf nicht sofort zum operativen Verfahren seine
Zuflucht nehmen, ebensowenig zulassen, dass die Hebamme den
Uterus misshandelt (zerfleischt). Wenn die Dystokie durch Lor-
dose der Lendenwirbel veranlasst wird, so soll die Kreissende die
Knielage einnehmen, damit der Uterus sich gegen den Bauch
senke und in gerade Richtung mit dem Mutterhalse komme.
Die gleiche Stellung- haben auch fette und fleischige Frauen
einzunehmen. Wenn der Muttermund geschlossen ist, so muss
man ihn mit fettigen Substanzen aufweichen, z. B. unaufhör-
lich süsses und warmes Oel, auch ein Decoct aus Bocks-
horn , Malve oder Lein, wohl auch Eiweiss injiziren. Auf
solche Weise wird nämlich jeder Druck gelindert und die
schwierige Passage schlüpfrig und leicht gemacht. Danach sind
die Gegend über der Scham , der Unterleib und die Hüften mit
Leinsamen oder Bockshorn in Oel und Honigwasser zu bähen,
auch Halbbäder mit Oel zu gebrauchen, oder mit Schwämmen
stark zu wärmen, wobei die Feuchtigkeit sofort mit Leinwand
fortzuwischen ist. Solchen, welche sich bereits im Stadium der
Wehen befinden, sind auch Blasen voll warmen Oeles oder Säck-
chen mit warmem, geschrotenem Mehle aufzulegen. Geht dies
nicht an, so soll die Kreissende vermittelst des Tragsessels in
einer mässig warmen Luft Bewegung erhalten, wobei man ihrem
Kopfe eine höhere Lage zu geben hat. Denn eine sanfte unmerk-
liche Erschütterung kann Entleerung veranlassen.
Einige haben auch starke Erschütterungen zur Anwendung
empfohlen. So Hessen z. B. manche Geburtshelfer das Kopfende
der Bettstelle hoch stellen, banden die Patientin mit einer Binde
fest, welche in den Bettstollen befestigt und ihr über die Brust
gelegt wurde, und befahlen sodann der Dienerin, das Fussende
des Bettes aufzuheben und dann auf den Boden herabfallen zu
lassen, andere empfahlen dazu den Gebrauch einer kleinen Leiter,
noch andere nöthigten zum Spazierengehen oder Treppen auf-
und abzusteigen, wiederum andere Hessen jemanden hinter die
Gebärende treten, die Arme unter ihre Achseln legen, sie so in
die Höhe heben und tüchtig schütteln. Alle derartigen gewalt-
thätigen Erschütterungen kann ich nicht billigen. Denn eine Ver-
letzung der Gebärmutter führt in der Regel auch ein Zerreissen
von Gefässen in anderen Theilen herbei und zieht sie in Mitleiden-
schaft. Man soll das oben erwähnte Verfahren einschlagen,
der Kreissenden Muth zusprechen und ihr die Sache als ganz
139
o-pfahrlos vorstellen: Frauen, welche früher noch nichts mit Ge-
burtsschmerzen zu thun gehabt haben ist der Rath ^ ^enTu
die Luft möglichst zurückzuhalten und dann m die \\ eichen
treiben- Ohnmächtige sollen durch milde Riechmittel gestärkt
werden’ Frauen, welche durch andauerndes Leiden geschwächt
sind, haben in den Augenblicken, wo eine Erlei^erUn| ro®
eine geringe und einfache Kost zu bekommen, etwas Brot eine
Melone, Gerstenschleim, einen Apfel und alle ähnlichen Dinge.
Denn nehmen sie reichlichere Nahrung zu sich so steht zu be-
fürchten, dass diese in Folge der Aufregung schlecht verdaut wird
Wenn danach die geschlossene Cervix durch aufweichende
Salben geöffnet ist, muss man den Gebärmutterhals, falls er schie
liegt, in gerade Richtung bringen, und wenn eine Anschwellung
vorhanden ist, sie durch Einsalben beseitigen, oder falls dies nicht
möglich, sie auf chirurgischem Wege entfernen, mag nun das
Hinderniss eine Feigwarze, ein Geschwulst (Tumor), ein Fleisch-
auswuchs oder anderes derartiges sein. Zurückgehaltene ba-
kalien sind durch Klystiere aus Oelwasser oder Honigwasser, m
der Blase angehäufter Urin durch Applikation des Katheters zu
entfernen. Bildet ein Blasenstein die verschliessende Ursache, so
muss er mit Hülfe des Katheters vom Blasenhalse nach der Höhle
der Blase gestossen werden. Ist das Chorion nicht offeiT, so ist es
mit dem kleiner Messer (xaridg) sorgfältig zu trennen , nachdem
man es vorher mit dem Pinger eingedrückt hat. "Wenn das AVasser
früher, als es Regel ist, abgeflossen ist, so müssen Oelinjektionen
mit der Klystierspritze in die Scheide gemacht werden.
§ 60. Abnorme Lagen des Embryo sind in normale zu ver-
wandeln. AVenn der Kopf des Kindes zur Seite liegt, so soll der
Arzt die mit Oel bestrichene linke Hand einführen. Zuvor hat
er die Fingernägel zu beschneiden, damit sie bei Ausstreckung
der Finger nichts verletzen, und die Finger sind nach innen an
einander zu legen, so dass die Hand vorne eine spitze Form er-
hält und somit die Einführung ohne Gefahr vor sich gehen kann,
wenn der Muttermund in normaler Weise sich öffnet, damit nicht
bei geschlossenem Muttermund und grossem Widerstand die Hand
eingeführt werde. Den Fötus soll man ergreifen und dem Ori-
ficium gerade gegenüber stellen, wobei man die Lageveränderung
des Kindes durch eine entsprechende Lagerung der Mutter zu
fördern hat. Die Kranke hat nämlich stets die entgegengesetzte
Lage einzunehmen, sie werde auf die rechte Seite gelegt, wenn
das Kind auf der linken liegt, auf die linke hingegen, wenn der
Embryo nach der rechten Seite neigt, nach hinten geneigt und
abschüssig sei ihre Lage, wenn das Kind nach vorne und gegen
den Bauch hin gelegen ist, die Knielage soll sie einnehmen, wenn
das Kind mehr nach innen und nach dem Kreuzbein zu liegt.
140
Wenn eine Abweichung- des Kopfes zugdeich mit einer Einklem-
mung desselben verbunden ist, so muss man den Embryo erst
zurückschieben und nach oben drängen, so dass er vom Mutter-
munde entfernt ist, und so in gerade Richtung bringen.
Wenn eine Hand vorgefallen ist, so darf man sie nicht er-
greifen und daran ziehen. Denn dadurch wird leicht eine Ein-
keilung zu Wege gebracht, indem der Kopf nach oben gebogen
und geneigt wird , oder es tritt eine Verrenkung ein, es kommt
auch vor, dass sie abgerissen wird. Vielmehr stemme man die
Fingerspitzen gegen die Schulter des Embryo, dränge ihn nach
oben , richte den im Ellenbogengelenk gebeugten Arm gerade,
lege ihn an die Seite und die Schenkel, damit das Geburtshinder-
niss gehoben werde. Wenn beide Hände vorgefallen sind, so
muss man die Fingerspitzen an beide Schultern anlegen und so
das Kind zurück und in die Höhe heben, sodann die Arme weg-
ziehen, im Ellenbogengelenk biegen, dann ausgestreckt mit den
Händen (des Kindes) an die Schenkel legen und nun erst darf
man den Kopf ergreifen und sanft hervorziehen. Ist aber bei
Vorfall beider Hände der Kopf nur klein, so braucht man das
Köpfchen nur zurückzubiegen und gerade zu richten, sodann kann
man beide Hände zugleich ergreifen und das Kind herausziehen.
Denn bet einem kleinen Kopfe tritt eine Einklemmung nur
selten ein.
Wenn bei Fusslage eine laterale Abweichung vorhanden ist,
so ist die Lage in ähnlicher Weise wie bei der Kopflage zu
ändern und gerade zu richten. Wenn der eine Fuss vorgefallen
ist, so darf dieser ebenfalls nicht hervorgezogen werden. Denn
eine Einklemmung tritt dann um so leichter ein, wenn der andere
Fuss gebeugt ist. Die Fingerspitzen sind an den Damm zu legen,
der Fuss in die Uterushöhle zurückzuführen, alsdann mit der Hand
die Extremität zu strecken und neben die erste zu legen. Wenn
aber beide Füsse vorgefallen sind, wobei die eine Hand oder auch
beide Hände rückwärts gebogen sind, so muss wiederum der Em-
bryo auf gleiche Weise zurückgebracht und die Hände gelöst
(herab geholt) werden. Wenn die Füsse im Uterus gespreizt sind,
w^obei sie nach verschiedenen Seiten sich anstemmen, so müssen
sie zusammengelegt und in die Richtung des Muttermundes ge-
bracht werden. Liegt das Kind mit den Knieen vor, so muss
man es zurückbringen , die Schenkel strecken und das Kind an
den Füssen herausziehen. Bei Steisslage endlich muss man es
ebenfalls zurückführen, dann die Schenkel strecken, die Hände an
die Schenkel legen und so das Kind an den Füssen hervorziehen.
Bei einer Querlage (sei es Bauch- oder Rückenlage), soll
man das Kind mit den Fingern sanft auf die Seite legen, damit
zur Einführung der Hand Platz gewonnen wird. Wenn das Kind
schon auf der Seite liegt, soll man es mit der eingeschobenen
141
Hand sanft wenden. Besser ist immer die Kopflage, bei welcher
die breiteren Körpertheile zuerst hindurchgehen , ohne dass die
Hände zurückgebogen werden müssen.
AVenn das Kind gedoppelt liegt, die Doppelung nach oben
(konvex) gerichtet ist, die Extremitäten aber parallel liegen,
so soll man das Kind strecken, indem man vorher die Schenkel
(Beckengegend) aufwärts drängt. Ist die Doppellage ungleich-
mässig, so soll man es so drehen, dass die Konvexität gegen den
Fundus gerichtet ist, alsdann strecken, wie wir beschrieben haben.
Wenn mehrere Embryonen zugleich eintreten sollten, so muss
man sie zurückbringen, nach der Uterushöhle zurückdrehen und
sie dann einzeln hervorschaffen.
Alles dieses hat man mit ruhiger und sicherer Hand zu thun,
damit keine Quetschung verursacht werde, auch sind unaufhörlich
die Geschlechtstheile mit Oel zu besprengen, auf dass die Ge-
bärende keine Schmerzen erleide und auch die Frucht erhalten
werde. Die Erfahrung lehrt uns, dass bei solcher Behandlung
viele Kinder, die durch eine Schwergeburt das Licht der Welt
erblickten, am Leben geblieben sind.
Kapitel XIX.
(Fortsetzung.)
§ 6 1 . Wenn nun aber auch dann noch die Grösse des Kindes,
sein Tod oder irgend eine Einkeilung es unmöglich machen, dass
das Kind dem Zuge der Hände nachgiebt, so muss man zu
energischeren Mitteln greifen, zu der Embryulcie und Embryo-
tomie. Hierbei gilt es die Rettung der Mutter, mag auch das
Kind verloren gehen. Auch muss man die drohende Gefahr an-
künden, wenn Fieber und nervöse Zustände, sowie mitunter auch
Entzündung auftreten, und offen erklären, dass hinzutretender
Brand nur geringe Hoffnung auf Rettung g'iebt, wenn sich Ohn-
macht, Schweiss und Kälte, schwacher Puls, hohes Fieber, De-
lirien und Konvulsionen einstellen. Doch auch in diesen Fällen
darf man nicht von einer Hilfeleistung abstehen.
Die brau liege dabei in abschüssiger Lage auf einem ge-
nügend harten Bette, damit nicht die Hüften dem Eindrücke
na.chgeben, die Schenkel gespreitzt (abduzirt) und an den Unter-
leib gezogen und die Füsse gegen das Bett gestemmt, zu beiden
Seiten sollen erfahrene und kräftige Frauen stehen, um ihren
Körper zu stützen und festzuhalten. Sind letztere nicht zur Hand
so kann man auch den Brustkorb mittelst Binden fest an das
Bett anschnüren, auf dass nicht bei den Traktionen am Kinde
142
;
zugleich der Körper der Patientin diesen folge und so die Kraft
des Zuges aufhebe. Der Arzt selbst setze sich der Frau gegen-
über, doch um so viel tiefer, dass seine Hände mit den Füssen
der Gebärenden auf gleicher Höhe sind. Während dann durch
eine Gehilfin die Schamlippen nach beiden Seiten auseinander
gezogen werden, führe der Arzt die linke Hand — diese ist
nämlich weicher als die rechte und leichter mit Anstand einzu-
führen — durch den offenstehenden Gebärmuttermund ein , zu
welchem Zwecke er die Finger der Hand konisch zusammenlege
und sie tüchtig einöle. Ist der Muttermund nicht offen , so er-
weiche er ihn erst durch Reiben und wiederholte Oelinjektionen.
Sodann muss man versuchen, den zur Seite geneigten Theil des
Kindes gerade zu wenden , und den Ort suchen, wo das Instrument
(Perforatorium) eingebohrt werden kann, ohne dass es leicht
wieder herausfällt.
§ 62. Die zur Perforation geeigneten Stellen sind bei Kopf-
lage die Mundhöhle, nämlich vom Gaumen und von der Kinn-
gegend aus, die Augen, das Hinterhaupt, die Schlüsselbein-
gegend und die Gegend unterhalb der Rippen, aber niemals
die Achselhöhlen; denn wenn beim Extrahiren die Arme aus-
einanderstehen, so wird der Umfang des Embryo derartig er-
weitert, dass eine Einkeilung eintritt. Ebensowenig sind die Ge-
hörgänge zur Perforation geeignet, denn wegen ihrer Krüm-
mung und grossen Enge sind sie schwer zu fassen. Bei Fuss-
lage sind dagegen am besten die Schambeine, die Interkostal-
räume und das Sternoclaviculargelenk. Ist es unmöglich eine der
angeführten Stellen zu finden , so wird eine solche zum Zwecke
der Perforation dadurch geschaffen, dass mit dem Messer ein
Einschnitt gemacht wird. Das Instrument (E/u^Qvov'^y.os), welches
zuvor in Oel zu wärmen ist, werde in der rechten Hand gehalten,
seine Krümmung, die mit den Fingern bedeckt wird, werde mit
der linken Fland sanft eingeführt und an einer der bezeichneten
Stellen eingestossen , bis man keinen Widerstand mehr fühlt.
Zugleich werde noch ein zweiter, dem vorigen entgegengesetzter
Theil des Körpers angebohrt, damit die Traktion in gerader
und nicht in schiefer Richtung gemacht werde und der Embryo,
wenn der Theil nach der Seite hinneigt , nicht eine Einkeilung
erleide. Sodann gebe man die Instrumente einem erprobten Ge-
hilfen in die Hand und ermahne ihn, dass er sanft und allmählich
den Embryo anziehe, dass er beim Ziehen weder reisse noch
plötzlich nachlasse — denn im letzteren Falle geht auch der be-
reits hervorgekommene Theil wieder zurück — , sondern vielmehr
nach Umständen mit dem Zug nachlasse, die Instrumente in der
vorigen Lage zu erhalten suche und dass er ferner nicht nur in
gerader, sondern auch in seitlicher Richtung ziehe wie bei dem
143
Verfahren, welches beim Extrahiren der Zähne angewendet wird.
Denn dadurch, dass auf solche Weise durch Hebel Wirkung fort-
während die Lage des Embryo verändert wird, erweitert sich der
Kanal (zünoi) und kann die Extraktion leicht von statten gehen.
Während einer solchen geschickten Unterstützung muss man den
Zeigefinger zwischen Muttermund und den eingeklemmten Körper-
theil einbringen, ihn rings herum führen, als wolle man demselben
gewissermassen die Haut abziehen, und die Abweichung korrigiren,
dabei muss man die Stellen mit warmem Oele oder einem der
angegebenen schleimigen Decocte benetzen. Wenn der Embryo
nicht sogleich dem Zuge der Haken ganz folgt, sondern nur wenig
und entsprechend der Zugkraft, so muss man den ersten Haken
weiter oben einsetzen und dann ebenso auch den zweiten , und
so fährt man fort, bis der Körper des Embryo ganz entwickelt
ist. Ebenso ist das Verfahren bei Fusslage.
§ 63. Wenn bei Vorfall eines Armes sich dieser wegen
starker Einkeilung nicht zurückbringen lässt oder der Embryo
bereits todt ist, was daran zu erkennen ist, dass der sichtbare
Theil weder geröthet, noch warm ist, noch pulsirt, sondern livid,
kalt und ohne Pulsschlag ist, so hat man den vorliegenden Arm
mit Leinwand zu umwickeln, damit er einem nicht ausgleitet, ihn
ein wenig anzuziehen, damit er deutlicher zu sehen sei und ihn
dann am Schultergelenk abzuschneiden. Dasselbe hat auch bei
Vorfall eines Schenkels zu geschehen. Sodann führt man mit
den Fingern den Rest des Körpers zurück und extrahirt ihn ver-
mittelst Perforirens mit den Haken. Wenn aber beide Arme vor-
gefallen sind und sich nicht zurückbringen noch durch Ziehen
herausschaffen lassen, so sind beide an der Schulter abzutrennen.
Wenn durch übermässigen Umfang des Kopfes die Einkeilung ver-
ursacht ist, so muss man ihn mit dem Embryotom oder dem
Polygonmesser, welches während des Einführens zwischen dem
Zeigefinger und dem kleinen Finger versteckt zu liegen hat,
durchtrennen, (was unter anderm geschieht, wenn das Kind einen
Wasserkopf hat), damit durch Entleerung der Flüssigkeit der
Umfang des Kopfes zusammensinkt; wenn jedoch der Embryo
von Natur grossköpfig ist, so muss man den Kopf mit der Hand
zerdrücken, was leicht zu machen ist, da der Körper des Embryo
noch weich ist. Geht dies nicht an, so zertheile man den Schädel
mit dem Messer am Scheitel oder allenfalls an einer anderen
Stelle. Denn ist erst das Gehirn herausgeflossen, so fällt der Kopf
zusammen. Die Ränder der Wunde sind auseinander zu legen und
so die Kopfknochen mit der Zahnzange (ödovzdyqa) oder einer
Knochenzange (uGzdyQa) zu zermalmen. Wenn nun auch so noch
nicht der ganze Körper wegen seiner Grösse hervorzubringen
ist, weil die Schultern an die Seitentheile der Gebärmutter sich
144
stemmen, so stosse man das Messer so lange in die Kehle des
Embryo, bis man keinen Widerstand mehr findet. Denn nach
Entleerung des Blutes schrumpft der Körper zusammen, danach
ist auch der ganze Kopf und nach Durchtrennung der Interkostal-
räume auch die Lunge zu durchschneiden. Denn diese ist oft
mit Wasser angefüllt und dadurch wird der Thorax breiter. Die
durch Bänder vereinigten Theile der Brust muss man ablösen,
indem man mit den hingern das Schlüsselbeingelenk am Brust-
bein eröffnet und, wenn es nicht nachgiebt, zerreisst. Denn die
Brustgegend fällt ein, wenn sie von den Clavikeln nicht mehr
gestützt wird. Weicht das Kind auch so noch nicht, so eröffne
man das Abdomen, ebenso handle man bei Wassersucht des
Embryo. Denn nach Ausleerung des Wassers verkleinert sich
der Umfang des Körpers. Wenn aber die Gedärme eine Ver-
grösserung des Unterleibes verursachen, so soll man diese sammt
den Eingeweiden zuerst herausziehen und dann erst den ganzen
Körper hervorholen.
§ 64 *). Dasselbe Verfahren wird bei Fusslage beobachtet.
Die nach oben zurückgeschlagen liegenden Hände sind abzu-
schneiden und ein allzu grosser Kopf wiederum zu zerquetschen,
was bei dieser Lage schwieriger ist, weil der nachfolgende Kopf
nicht so zugänglich ist. Auch wird es erforderlich sein, mit der
rechten Hand die Füsse zu ergreifen und daran zu ziehen, und
mit der linken inwendig den Kopf gerade zu richten, Denn wenn
derselbe im Mutterhalse gebogen liegt, so wird er leicht abge-
rissen. Es ist aber schwer verständlich, dass die linke Hand zum
Ziehen geeigneter sein soll, weil die Schlangen ebenfalls mit der-
selben ergriffen werden. Doch dieses ist beides nicht richtig. Sie
ist vielmehr ganz besonders dazu brauchbar eingeführt zu werden,
wie wir früher bereits gezeigt haben.
Wenn bei der Quer- und Doppellage der Embryo sich nicht
in eine bessere Lage bringen lässt, so soll man die nächsten
Theile durchbohren, wie z. B. den Unterleib, die Achselhöhlen,
die Interkostalräume und die Theile neben den Nieren bis zu den
Weichen. Ist der Embryo todt und übermässig gross, so ist es
immerhin gefährlich, den ganzen Körper drinnen zu zerschneiden,
dagegen förderlicher, die zu Tage getretenen Theile zu trennen.
Diese Abtrennung hat in den Gelenken zu geschehen, denn die
Knochen sind an ihrem Ende leicht aus ihrer Verbindung zu lösen.
1) öcfstc, Schlangen, hiezu sehe man Plinius XXVIII, 33. „Serpentes aegre
praeterquam laeva manu extrahi“.
Hier hat Rose eine vielleicht korrupte Stelle, welche Ermerins gestrichen hat,
„uelut/.&toi; h's rou aropaou xauxä noiEiv raus p etu toO ^opiou StSaaxsiv jiiXXou.sv.“ Venn
aber der Muttermund verengt ist, soll man so handeln, wie wir es bezüglich des
Chorion lehren werden. Dieses bezieht sich wohl auf das verlorene Kapitel XX.
145
Die herausgeschafften Theile soll man dann Zusammenlegen, da-
mit man sich überzeuge, dass nichts vom Kinde im Mutterleibe
zurückgeblieben ist.
Nicht selten wird bei Fusslage durch ungeschicktes Ziehen
der Kopf abgerissen, und dann ist dieser wegen seiner Rundung
und, weil er wieder in die Uterushöhle zurückgeht, schwer zu
fassen. In solchem Falle führt Sostratos in ähnlicher Weise
wie bei der Steinoperation den Zeigefinger der linken Hand in
den After ein und versucht zugleich durch Druck mit der rechten
Hand den Kopf nach unten zu treiben, wobei es ihm ganz ent-
geht, dass im Rektum der Finger gar nicht an den Kopf heran-
kommen kann. Denn da die Harnblase näher bei der Hand ist,
so weicht der Uterus zurück, wie wir früher gezeigt haben. Des-
wegen müssen wir die Hand einführen, den Kopf fassen und ihn
bis zum Uterushalse vorwärts drehen (spiralig), sodann den Haken
(Embry ulkus) hineinstossen und den Kopf entwickeln.
§ 65 J). Wenn nach der Embryulcie und der Embryotomie
durch das örtliche Trauma Entzündung hervorgerufen ist, so soll
man diese durch Irrigationen mildern und lindern. Tritt Hämor-
rhagie ein, so sind die dazu bestimmten Geg-enmittel anzuwenden.
Daneben noch Mittel, welche den Verlauf der Geburt beschleunigen,
zu verordnen, wie es ausser den Schülern des Hippokrates noch
viele andere gethan haben, zeugt von grosser Leichtfertigkeit.
Denn weder trockene Lorbeerblätter mit warmem Wasser, noch
Diptam oder Stabwurz, Cedernharz und Anis zusammen mit süssem,
altem Oele, noch der Same der Feldgurke, noch Dattelcerat
um die Hüften gelegt, vermögen die Entbindung zu beschleunigen.
Dagegen beseitigen die früher erwähnten Mittel das Leiden und
die aus demselben erwachsenden Beschwerden.
Kapitel XX.
[Die zurückgehaltene Nachgeburt.]
i) Die Stelle der Hippokratischen Kollektion findet sich im Buche über Weiber-
krankheiten I, 77 (Littre VIII, 171), wo fast genau die bei Soran erwähnten Mittel
Vorkommen.
Soranus: Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes.
IO
Kapitel XXI.
Abscesse an den Genitalien.
Kapitel XXII.
Geschwüre im Uterus.
Kapitel XXIII.
Carcinome der Gebärmutter.
Kapitel XXIV.
Fistelgeschwüre der Gebärmutter.
Kapitel XXV.
Abnorme Grösse der Clitoris.
147
Kapitel XXVI.
Cercosis (schwanzförmiger Auswuchs an den
Genitalien).
Kapitel XXVII.
Warzen an den Genitalien.
Kapitel XXVIII.
Risse.
Kapitel XXIX.
Condylome (Feigwarzen).
Kapitel XXX.
Hämorrhoiden im Uterus.
IO*
148
Kapitel XXXI.
Vorfall der Gebärmutter.
§ 84 1). Unter Vorfall der Gebärmutter versteht man das
erste Stadium (dnsdij) der Inversion. Es trennt sich nämlich nicht,
wie manche glauben, die Gebärmutter vollständig von ihrer Um-
gebung (Bändern) und fällt ganz heraus; auch kann der Uterus
nicht wieder in integrum restituirt werden (bezüglich der Lage).
Das vorfallende Stück ist ungefähr so gross wie ein Straussenei,
bald grösser, bald kleiner, je nachdem die Dislokation mit grösserer
oder geringerer Kraft vor sich geht. Der Vorfall ist zwar selten,
wird aber durch viele Ursachen veranlasst. So tritt er ein, wenn
eine Frau von einer Höhe herabfällt und dabei auf den Steiss zu
sitzen kommt, indem dadurch die Bänder (Häute, wörtlich) reissen,
welche den Uterus mit seinen benachbarten Theilen verbinden,
ferner bei zu heftigen Traktionen, bei der Entfernung der Nach-
geburt, was besonders bei Fehlgeburten leicht vorkommt. Auch
ungeschickte Embryulcie hat schon dies Leiden veranlasst. Andere
Ursachen sind: Anhalten des Athems, Springen, Heben von
Lasten, ein Stoss, bisweilen auch Ansammlung einer grösseren
Menge zäher Flüssigkeit, wobei der Fundus durch die dauernde
Befeuchtung erschlafft und nachgiebt. Der Vorfall tritt aber auch
nach Gemüthsaffekten auf, wie solche bei der Nachricht vom Ver-
lust der Kinder, oder vom Anmarsch der Feinde, oder bei starken
Stürmen auf dem Meere hervorgerufen werden. In solchen Fällen
wird der Vorfall dadurch veranlasst, dass durch Entkräftung der
ganzen Körperkonstitution auch die Gebärmutter herabgleitet.
Manchmal tritt das Leiden auch ohne einen derartigen Anlass nur
bei allgemeiner Schwäche des Körpers, Abspannung der den
Uterus stützenden Bänder und Lähmung der Muskeln ein, wie es
vielfach bei Greisinnen der Fall ist. Zu Anfang der Krankheit
tritt Blutfluss ein, dann Schmerz in den Weichen, in den Hüften,
im Unterleib und in der Scham, auch können bei örtlicher Er-
kältung leicht Krämpfe dazu kommen. Wenn dann mit der Zeit
der Körper an den Zustand gewöhnt ist, schwinden Gefahr und
Schmerzen.
§ 85. Manche behaupten, es falle der Uterus ganz vor, in-
dem die ihn stützenden Bänder (Häute) und Muskeln in Folge
1) Prolapsus Uteri. Hippocrat. de morb. mulier. Lib. II, § 144 (Littre VIII,
317, 323). Als Ursache wird Körperanstrengung nach der Entbindung angenommen.
Oie Therapie kommt auch hier auf die Methode mit der Leiter zuiück, auch die
übelriechenden Fumigationen von unten werden genannt.
Oribas Synopsis IX, 55 (ed. Daremberg V, 547). Das Kapitel über Mutter-
vorfall ist offenbar ein kurzer Auszug aus Soran.
149
eines Stosses oder eines ähnlichen Anlasses rissen, schlaff würden
oder eine Art Lähmung erführen. Die Schüler des_ Hippokrat_es
und T-T erophilos dagegen sind der Ansicht, dass nur der Mutter-
mund vorfalle. Man erkennt denselben daran , dass ein weiches
Organ, wie der Kopf eines Polypen, vorfällt, wie Herophilos.
sagt, welches bei Sondirung schmerzt. Andere sagen, dass auch
der Muttermund nicht ganz vorfalle, denn es könne etwas nicht
theilweise sich abtrennen, und die entzündete Vaginalportion
täusche einen Prolapsus vor. Andere wieder rneinen, der Vorfall
geschehe in der Art einer Auswärtskehrung {ey.rqoiirj, Ektropium),
dass bald die äussere bald die innere Haut vorfalle. Es sei näm-
lich eine zwiefache Haut vorhanden, eine äussere, welche mit
den darüber lagernden Theilen verwachsen sei, und eine innere,
welche mit jener Zusammenhänge; der Vorfall geschehe in Folge
von Erschlaffung dieser Häute. Manche nehmen einen voll-
ständigen Vorfall in Folge von Zerreissung oder Lähmung und
einen theilweisen, eine Einstülpung in die eigene Höhle, an. Wenn
nun, so lautet ihre Behauptung, ein Vorfall durch Zerreissen be-
wirkt sei, so wird er von starken Blutungen begleitet sein; nach
Vorausgang von Fall, Gewaltthat, Schlag. Wenn er aber die
Folge von Erschlaffung und Lähmung ist, so ist er nicht blutig
und nicht verdickt, der äussere Anlass ist meist unbekannt, doch
wird bisweilen die Lähmung durch ähnliche Unfälle, wie oben
angeführt, bewirkt. Bei einem theilweisen Vorfall endlich zeigen
sich, wie beim Mastdarm ringsum vorgefallene Partien. Wenn
aber das gesammte Organ austritt, so findet man eine runde
Geschwulst, ähnlich einem Ei, vorgefallen; diese bleibt entweder
in der weiblichen Scheide, oder sie tritt bis vor die Schamlefzen
hervor; im Anfang erscheint sie roth, später weisslich.
Mag man immerhin die Möglichkeit eines vollständigen und
theilweisen Vorfalles zugeben, verwerfen müssen wir doch das
Verfahren desEuryphon, der die Kranke einen ganzen Tag und
eine ganze Nacht hindurch mit den Füssen an eine Leiter hängt,
sie dann rücklings zurückfallen lässt und zur Nahrung ihr kalte
Gerstengraupensuppe giebt. Denn das Aufhängen ist unerträg-
lich und jene Nahrung verursacht Blähungen. Auch ist die Be-
rechnung der Tage, welche er für geeignet hält, nicht kunst ge-
mäss. Euenor aber legt ein Stück Rindfleisch auf die weibliche
Scham. Er übersieht dabei ganz, dass die durch Verfaulen er-
zeugte Jauche leicht fressende Geschwüre erzeugt. ^Diokles treibt
zunächst, wie er in dem zweiten Buche seiner Gynäkologie be-
richtet, mit einem Schmiedeblasebalg Luft in den Uterus ein und
bringt ihn so in die richtige Lage, dann führt er Granatäpfel ein,
welche er zuvor abschälte und in Essig tauchte. Durch das Ein-
blasen der Luft erregt er Kolik, durch den Granatapfel, welcher
hart ist und zusammenzieht, aber verursacht er Druck. Manche
appliziren auch einen Beutel aus Haaren an den Uterus, damit
durch den Reiz der Haare die schmerzende Gegend zusammen-
gezogen wird. Sie beachten dabei jedoch nicht, dass die ge-
lähmten Theile überhaupt nicht schmerzen, die schmerzenden
aber dadurch nur für kurze Zeit zusammengezogen werden und
dann doch wieder vorfallen Doch die Mehrzahl der Aerzte ver-
ordnet wohlriechende Arzneien und räuchert von unten mit wider-
lich riechenden Substanzen, indem sie meinen, der Uterus fliehe
als lebendes Wesen vor allen üblen Gerüchen und lasse sich von
Wohlgerüchen anziehen. Auch dem _Straton können wir nicht
zustimmen, wenn er die Scheide mit feuchter Asche anfüllt und
Bibergeil hinzufügt. Denn die Asche ist von zu scharfer Wirkung
und Bibergeil macht eingenommenen Kopf.
§ 86. Wenn der Vorfall noch frisch ist und Blutfluss aus
dem Uterus bemerkt wird, ohne dass Entzündung vorhanden ist,
so wird es gut sein, Umschläge mit kaltem Wasser oder einem
Gemisch aus Essig und Wasser auf das Organ zu machen und
dann mit den Fingern die Gebärmutter zurückzubringen zu ver-
suchen. Denn im Anfang lässt sie sich leicht wieder richten
(zurückbringen). Geht dies nicht, so vollführt man die Reposition
mit einem runden Schwamme, der eingeführt wird, während die
Schenkel von einigen geschickten Gehilfen aus einander und
hoch gehalten werden. Nach geschehener Reposition soll ein
Schwamm oder Wolle (Tampon) in eine Mischung aus Essig und
Wasser getaucht in die Scheide gesteckt, die Schenkel zusammen-
gebunden und ausgestreckt werden. Die Hüftgegend soll durch
ein untergelegtes Kopfpolster unterstützt oder das Fussende des
Bettes hochgestellt werden. Die Kranke soll bis zum dritten Tage
fasten, dann gebe man ihr wenige und einfache Speise; und dann
immer einen um den andern Tag. Hat sich die Reposition ge-
festigt, so kann die Frau unter der nöthigen Achtsamkeit wieder
empfangen, sofern es das Lebensalter noch ermöglicht.
§ 87. Es lässt sich nämlich auch bei älteren Frauen die Ge-
bärmutter wieder zurückbringen, doch fällt sie leicht wieder vor.
Wenn Ivoth im Rektum angehäuft ist, so ist er durch ein ein-
faches Klystir zu entfernen. Ebenso ist Harn in der Blase durch
den Katheter fortzuschaffen. Denn bei Vorfall des Uterus wird
beides (Harn und Koth) zurückgehalten, weil der Uterus durch
seine Lage in der Mitte zwischen dem Rektum und der Blase
die natürliche Ausleerung verhindert, indem er die Lokalität be-
engt und Druck ausübt. Danach legen wir die Kranke auf den
Rücken mit erhöhten Hüften, gebogenen Knieen und gespreizten
(abduzirten) Schenkeln. Sodann soll man den vorgefallenen Theil
der Gebärmutter mit reichlichem warmen Oel stark befeuchten. Man
mache sich dann .aus Wolle einen Pfropf (Tampon), welcher der
151
Gestalt und dem Umfange nach in die weibliche Scheide passt,
lege von aussen um diesen Wollpfropf reine Charpie von feinster
Sorte, tauche ihn dann schnell in das Gemisch von Essig und Wasser
oder in ein warmes Decoct aus Myrte, Mastix, Brombeeren,
Granaten oder Rosen, sodann in den Saft der Akazie oder Hypo-
kistis, welche in Wein aufgelöst ist, lege ihn auf den Uterus und
drücke den vorgefallenen Theil sanft hinaufschiebend, bis die
Gebärmutter an ihren richtigen Platz zurückgegangen ist und die
ganze Wollmasse in der Scheide, d. h. in der Scham steckt.
Dann lege man auch äusserlich- Wolle darauf, welche mit herbem
Wein durchtränkt ist, bedecke auch den Unterleib, den Scham-
berg und die Hüften mit Schwämmen und Wolle, welche in
Oxykrat ausgewrungen sind, befestige sie durch Binden und strecke
die Schenkel der Frau derartig aus, dass der eine auf dem andern
liegt. Danach soll man recht warme Schröpf köpfe auf den Nabel
und an beide Weichen setzen und unablässig wohlriechende
Substanzen unter die Nase halten. Wenn die Wolle drei läge
in der Scheide gelegen hat, soll die Frau ein Halbbad nehmen
in schwarzem, herben Weine, der ein wenig angewärmt ist, oder
in einem Decoct aus Brombeeren, Myrte, Mastix oder Granat-
äpfeln, Nach dem Sitzbade ist die Patientin wieder auf den
Rücken mit rückwärts geneigtem Oberkörper und erhöhter Hilft -
gegend zu legen, dann die noch in der Scheide befindliche Wolle
herauszunehmen und frische, welche mit denselben Heilmitteln
durchtränkt ist,, einzuführen. Auch sind auf den Unterleib Um-
schläge aus Datteln, Gersten graupen, Granaten, Linsen zusammen
mit Honig und Essig zu machen. Diese Kur ist alle drei Tage
zu wiederholen, bis vollständige Pleilung eingetreten ist.
§ 881). Wenn aber der Vorfall schon längere Zeit aussen
sichtbar gewesen und offenbar bereits ganz kalt ist, oder auch
wenn augenscheinlich Entzündung vorliegt und starke Schmerzen
vorhanden sind oder der Vorfall durch Paralyse bewirkt ist , so
soll man Einspritzungen mit warmem Wasser, mit Oel und Wasser
oder mit dem Safte aus gekochtem Bockshorn , Leinsamen oder
Malve machen und so den Uterus wieder reponiren. Auch ist
zum Aderlass zu schreiten, wenn die Höhe der Entzündung es
erfordert, und wegen der Lähmung sind auch noch sonstige er-
schlaffende Mittel anzuwenden. Wenn aber eine lange Zeit hin-
durch der Vorfall sich immer wieder zeigt, so soll die Kranke
sich fleissig mit warmem Oxykrat waschen und eine angemessene
Zeit hindurch Halbbäder in Oxykrat nehmen , sodann die schon
früher verordneten Mittel anwenden, als da sind: kleine Schröpf-
i) Paralysis. Hierzu vergleiche man Cael. Aurelianus, Chron. Lib. II, cap. 1:
„si e versio vel inclinatio fuerit matricis, eidem consequenter ordinata adhibebimus,
sicut muliebrium passionum libris docuimus.
— 152 —
köpfe und Umschläge aus Datteln, Quitten und allen sonstigen
schon für sich adstringirenden Substanzen oder aus Weiden und
anderen in derselben Weise wirkenden Mitteln. Dann muss man
auf die Kräftigung der ganzen Konstitution bedacht sein, und
zwar zunächst unter Anwendung der analeptischen , dann der
metasynkritischen Heilmethode. Die Gegend über der Scham,
die Hüften und der Unterleib sind mit Rubefacientien zu be-
handeln, leicht zu erwärmen, mit Salben, milden Reizmitteln zu
röthen und Mutterzäpfchen aus Natron, Rosinen, Salz und aus
allen übrigen, den Körper umstimmenden Stoffen. Es kommt
manchmal vor, dass übergrosse Empfindlichkeit der Theile den
Gebrauch von Essig verbietet. In diesen Fällen sammle ich die
an Wasserlinsen befindliche schwarze Erde, löse sie in warmem
Wasser auf und befeuchte tüchtig damit, was ausserordentlich
nützlich ist. Nach der Befeuchtung pflege ich dann die oben er-
wähnte Kur zu verordnen. Wenn aber die Schlüpfrigkeit das
Zurückbringen erschwert, so bestreiche man die Theile mit Asche
von Weinhefe, mit Nitron oder Kalklauge und bähe sie mit Ad-
stringenden oder mit der geseihten obengenannten schwarzen Erde
und behandle sie mit Bleiwasser vermischt mit Myrten oder mit
Stimmi1), danach wird der Vorfall, wie vorher erwähnt, in die
Scheide zurückgehen. Die meisten Aerzte appliziren bei wieder-
holtem Vorfall Salz oder Natron und versuchen so das vorgefallene
Organ zu reponiren. Dieses Verfahren billigt in konsequenter
Weise auch Thessalos. Die metasynkritischen Mittel sind besser
in der Rekonvalescenz als in dem Augenblicke anzuwenden, wo
die Gebärmutter gerade vorgefallen ist.
§ 89. Wenn aber in Folge längeren Verweilens ausserhalb
des Körpers der vorgefallene Theil der Gebärmutter schwarz ge-
worden ist, so muss man die gegen die fressenden Geschwüre
gebräuchlichen Mittel anwenden, wiewohl manche von krauen zu
berichten wissen, die noch lange mit vorgefallenem Uterus ge-
lebt haben. Nützen diese nichts, so muss der schwarz gewordene
Theil abgeschnitten werden, wie wir ja auch den in Folge von
Vorfall schwarz gewordenen Leber- oder Lungenlappen abschnei-
den. Ist der ganze Uterus schwarz geworden, ist er auch ganz
herauszuschneiden. Wir thun dies nicht bloss im Vertrauen auf
die Autorität jener bereits oben erwähnten Aerzte, welche be-
richten, das Ausschneiden sei gefahrlos, sondern auch weil das
abzuschneidende Glied nicht mehr ein nothwendiger Bestandtheil
sondern zum Fremdkörper geworden ist. Wenn bei wieder-
holtem Vorfall das vorgefallene Stück durch Geschwürsbildung
mit den Schamlippen zusammen wächst, was nach den Berichten
mancher Aerzte vorkommt, so soll man diese widernatürliche
1) Spiessglanz
153
Verbindung mit dem Messer in derselben Weise durchtrennen,
wie man die Gedärme vom Peritoneum trennt. Sicherer und
besser ist es, wenn von den Schamlippen etwas an der Gebär-
mutter hängen bleibt, falls man die Trennung nicht gleichmässig
vollziehen kann.
Kapitel XXXII.
Phimose der Gebärmutter.
Kapitel XXXIII.
Atresie des Uterus.
Honiggeschwülste, Breigeschwülste und Speck-
geschwülste an den äusseren Genitalien.
Kapitel XXXIV.
Die Anwendung des Mutterspiegels.
iki,'u^?mer^Un^: Abbildungen alter Specula findet man in : Vulpe, Napoli 1847,
Abbild, d. in Pompeji etc. ausgegrabenen Instrumente, und in der Celsus- Ausgabe
von de Renzi 1851—52. — Als Ersatz für das verlorene Kapitel kann die latein.
.Bearbeitung des Muscio dienen, die wir in Rose’s Edition pag. 117 finden.
Die Materia medica et diaetetica des Soranus.
I. Pflanzen und ihre Produkte.
Abkürzungen: D. = Dioscorides, Materia med. mit Commentar von Sprengel.
G. — Galenus, ed. Kühn.
Plin. = Plinius.
Flückiger = Pharmacognosie d. Pflanzenreichs. 3. Aufl. 1891.
Hehn, Kulturpflanzen. 5. Aufl. 1887.
^Aßqörovov = Artemisia Abrotanum L. und A. campestris.
I. 52. Mit Absinthium bei Kissa. I. 86. Soll dem Kinde nicht mit
Butter gereicht werden.
D. III. 26. Als Emmenagogum gerühmt.
’ Ayvog = Vitex agnus castus.
II. 46. Samen derselben bei Gonorrhoe.
D. I. 134. genituram exsolvit. Billerbeck, Flor. dass. 164.
Die Frauen gebrauchten den Strauch bei den Thesmophorien als Lager
zur Förderung der Keuschheit. D. 1. c.
’! 'Aiqa = Lolium ?
I. 125. Die Ferkel von Muttersauen, die die Pflanze gefressen haben,
werden blind.
D. II. 122 = Thyaron.
Kobert (Histor. Studien I. 29) versucht mit Gelehrsamkeit die Aira auf
Secale cornutum zu deuten.
' Ay.ccy.ia = Mimosa nilotica.
II. 41. 46. Bei Uterusblutung mit Hypocystis und Opium injicirt.
D. I. 133. sistit fluxum muliebrem.
1 Alorr
I. 50. Trockene Aloe bei Kissa. II. 41. bei Metrorrhagia nebst Alaun,
üenanthe, Hypocystis.
D. III 22. vim habet adstringendi et siccandi.
Das Historische bei Flückiger, Pharmacogn. 215.
' Ahxccxaßos = Physalis Alkekengi L. Judenkirsche, Vesicago.
II. 46. Bei Gonorrhoe, die Wurzel.
D. IV. 72 o~p6y\0i ctAt/.dxajJof. Paulus Aeginet. VII. 12 vesicago.
Plin XXI 177. Vesicaria. G. XIII. 835. Pastilli ex vesicaria.
Aretaeus 327. — Marcellus 269 Herba lysalidis.
Die Pflanze ist wegen ihrer Kelchbildung nicht leicht mit andern zu ver-
wechseln.
155
"Ah^ = Speltgraupe.
II. 44. "AXwo« yAU. Sehr oft bei Alexander v. Tralles erwähnt.
Oribas I. 561 (Note von Daremberg).
'Aiöaia = Eibisch.
I. 64. Zum Bad mit Malva etc. zu Abortivzwecken.
D. III. 153. lochia ducit. Flückiger 1. c. 375.
Bei Theophrast als pa^axir] Grfpta.
"riftdQay.ov, cfr. 2iau(fvyav. (II. 38.)
'A[tvydala (amara nach Kobert).
I. 51. 123. (opux-d) bei Husten.
D. I. 146. gegen Husten. Oribas I. 68. 234. Paul. Aeg. I. 81.
Hippocr. VI. 564 (de victus ratione).
"Avioov, Anis.
II. 65. Mit Oel wirkungslos als geburtsbeförderndes Mittel.
D. III. 58. dolores leniens.
'Avdqdyyi] = Portulaca.
I. 51. 76. 121. II. 41. als nia GT'jcpouar].
Als Gemüse bei Pica. Zur Unterdrückung der Milchsekretion.
Aeusserlich bei Hautleiden.
D. II. 150. Vim habet refrigerantem et subadstringentem.
’Amov = Pirus communis. L.
I. 51. Mit Mispeln bei Kissa. Oribas I. 64.
'AQrefiiGia — Artemisia arborescens L.
I. 64. Bad für Abortus. I. 71. Fumigation bei Retentio mensium.
D. III. 117. ad extrahendas menses, partus, secundasque.
^Agttccqcc'/os (dygiog) = Asparagus officinalis L.
I. 51. Speise bei Kissa.
D. II. 15 t. Ziemlich gute botanische Beschreibung.
Oribas I. 82. nach Galen. Note von Daremberg p. 583.
’ 'AipiSiov = ? Artemisia Absinthium L. oder A. pontica L.
I. 52. Als Abortifaciens.
D. III. 23. menses trahit. Note von Sprengel.
Rufus von Ephesus p. 6. n. 15. 29.
'AQvoy/MOGOv, Plantago (asiatica oder lagopus nach Fraas).
I. 5 t. bei Kissa I. 125. bei Kinderdurchfall. II. 41. äusserlich bei Me-
trorrhagie.
D. II. 152. mit Kommentar 2. Bd. 165. Rufus 73 (de gonorrhoea).
Kobert, Studien, I. 227.
' 'Ae('C({>ov , Sedum rupestre oder reflexum?
I. 12 1. extern bei Exanthemen.
D. IV. 89. vis perfrigerans et adstringtns.
Büros (1 9aXXoi), Rubus, ßrombeerstaude.
II. 41. bei Metrorrhagie II. 46. Gonorrhoe II. 87. Decoct bei Prolapsus.
D. IV. 37. adstringit et siccas. Evang. Marc. 12, 26 (Dornbusch des
Moses).
Bohßog ? Sium bulbocastanum Spr. ? Hyacinthus comosus L.
I. 110. Ueberschliige auf den Nabel.
Robert, Studien I. 99. Hippocr. Epidem. VII.
Th\yii)v = Mentha Pulegium L. Polei.
I. 67. Riechmittel b. d. Geburt. II. 82. zu Mutterzäpfchen. II. 39.
Eh HI- 33- zu allerlei gynäkologischen Zwecken, gegen Nausea.
riv/.vQQl'Ca = Liquiritia.
I. 123. bei Husten (yuXoc).
D. III. 5. gegen rauhen Hals.
rÖQig Weizenmehl.
I. 118. Kataplasma. II. 11.
Athenaeus Deipnosoph. III. 115.
yJd(fvrn Laurus.
I. 85. die Blätter zum Lager des Kindes. II. 32. 38.
D. I. 106. calefaciens et molliens. Hehn, Kulturpflanzen.
z! cc cpvig II. 38. quid?
zJiy.xaf.ivog , Origanum Dictamnus L.
I. 71. Euryphon gab ihn zur Entternung der Secundae; Diureticum.
D. III. 34. fetus emortuos ejicit.
Rufus 29 bei Lithiasis.
zlqvg , quercus.
II. 4t. Blätter, bei Metrorrhagie.
D. I. 142. Quercus omnis adstringentem vim habet et siccantem.
Robert I. 1 1 6 (in d. Collectio Hippocratica).
Javy.og (y.Qtjxixog), Athamanta cretensis L. ? Seseli ammoi'des?
II. 32. bei Tympanites uteri.
D. III. 76. menses, partus et urinas pellit.
” Elaiov , Oleum.
I. 69. Olivenöl. Hehn 83.
^Eleliocpaxog, Salvia pomifera oder S. calycina?
I. 71. Von Euryphon und Dion bei Retentio placentae vorgeschlagen.
D. III. 35. vim urinas mensesque ciendi. Theophrast VI. 1. 2.
Robert, Studien I. 230.
’ ElleßoQog Jzvxog Veratrum album L. Germer.?
II. 28. Bei Hysterie durch Niesswurz starkes Würgen zu erregen.
D. IV. 148. Vomitionibus humores extrahit. Menses pellit.
Rufus 268. 330. 369, 442.
Alex. Trall I. 552 (Anmerkung v. Puschmann).
Robert, Studien I. 97 zweifelt nicht, dass die weisse Niesswurz der Alten
das Veratrum sei.
157
'EUeßooog tueXag, Helleborus officinahs oder orientahs
TT io als bluttreibendes Mittel. Theophrast, Hist, plant. IX. io, 4-
Kobert, Studien I. 89. Historische Notizen von Interesse
Oribas II. 800; wichtiger, gründlicher Excurs von Daremberg.
D. IV. 149.
'Eyeßivdog, Cicer arietinum L.
I. 122. Mass für Dosis der Terebinthine.
I. 63. Grössenmass für die Dosis des Succ. cyrenaicus.
D. II. 126 (Cicer).
Viktor Hehn, Kulturpflanzen. 5. Aufl. p. 178.
Kobert, Studien I. 131.
EvCio/.iov , Eruca sativa L.
I. 63. euCuj^ov G7i£p[J.aT0^ oßoXov sva als aTGXtOV.
D. II. 169. Aplirodisiacum.
'EXarfQiov, Momordica Elateriurn L. (oixvog äyQiog, oixv?]).
H. 12. von den Weibern als bluttreibend und Abortivmittel gebraucht.
D. IV. 155. menses eiet, partus enecat, in pesso subditum.
Köhler in Vircliows Archiv Band 49.
Kobert, Studien I. 91.
Zr/yißeQig, Zingiber officinale Roscoe. — Ingwer.
I. 61. zum Pessar (dxoxiov).
D. II. 189. Flückiger 357. (Ausführlich.)
1 ELhoTQÖmov , Croton tinctorius ? ?
I. 124. Bei Siriasis werden die Blätter auf den Scheitel gelegt.
D. IV. 190. stimmt vollkommen damit.
lHdvoO(.tov, Mentha?
I. 77. Auf die Mamma als Ivataplasma, nebst Selinon etc.
D. III. 36. Vim habet calefacientem, adstringentem et exsiccantem.
v. iQig (WivQixjj), Iris florentina L.
I. 71. Euryphon zu Pessarien. II. 32 bei Tympanites Uteri.
D. I. 1. hiezu der Kommentar von Sprengel nachzusehen.
Rufus 6. 7.
’/rea, Salix.
II. 41. Blätter, bei Metrorrhagie.
II. 88. Adstringens.
D. I. 135. styptische Kraft.
” loyag , getrocknete Feige, Ficus carica L.
I. 61. Fleisch der Feigen mit Natrum, als Atokion.
Als toya? wird auch eine Euphorbia bezeichnet.
D. I. 183. Zur Maturation von Abscessen mit Natrum.
Flückiger 1. c. 857.
Kalcif-iivÜri, Thymus ? Melissa ?
II. 32. Tympanites uteri.
D. III. 37. Hat drei Arten. Uterinmittel.
KäXaf.iog, Schilfrohr.
I. 80. zum Abschneiden der Nabelschnur.
I. 52. darauf gelegtes Obst wird gedämpft.
Kavaßig (auch Kctvvaßig), Cannabis sativa L. Hanf.
II. 46. Samen bei Gonorrhoe.
D. III. 155. semen genituram enstinguit. — Ausführliche Notizen von
Sprengel im Kommentar.
Kobert, Studien I. 190.
KannaQis, Capparis spinosa L. Kappernstrauch.
I. 98. Die Schüler des Moschion gaben Kappern bei zu dicker Milch.
Die Hippokratiker benützten die Rinde der Wurzel.
D. II. 204. Ausführliche pharmakologische Betrachtung.
Oribas I. 70. diätetische Qualitäten.
KaQda^iov , Lepidium sativum? Nasturtium?
I. 65. zu Pessum. I. 86. verboten wegen Schärfe (für Säuglinge).
D. II. 184. Der Same ist hitzig, scharf, tödtet die Fötus.
Kaoia (auch Kaaoia), Cinnamomum Cassia Blume.
I. 71. nach Strato zu Fumigationen bei Retentio mensium.
D. I. 12 (xaaaia).
Rufus 8. diuretisches Mittel.
Das Historische genau bei Flückiger 594.
KeÖQog, Juniperus Oxycedrus L., oder Juniperi species?
I. 61. -/.$8pta, das Harz an den Muttermund applizirt hindert die Conception.
D. I. 105. Verendae parti ante co'itum circumlita conceptionem impedit.
Dazu ausführlicher Kommentar Sprengels.
Oribas II. 814. Ausführlicher gelehrter Exkurs von Daremberg.
Koloy.vvd ')], Cucurbita species, nach Andern: Cucumis.
I. 124. Ueberschläge bei Siriasis, zur Kühlung.
D. II. 1 6 1 . Sprengel deutet den Namen auf Cucumis sativa.
Orib. I. 304 u. Anm. 620. — Hehn 252.
Kolv{ußadsg ( eXaicu ), Olivae muriä conditae.
I. 51. mit Salz eingemachte Oliven bei Pica.
Cael. Aurelian Chron. I. i. § 24. olivas ex viridi novitate messas.
Oribas I. 609. Exkurs von Wichtigkeit.
D. I. 138. stomacho utilis, alvo incommoda.
Krjy.ig , Galla quercus (auch omphacitis), Gallae halepenses?
I. 81. Aeusserlich bei Neugeborenen, von Soran getadelt.
I. 61. zu Mutterzäpfchen. II. 41. Metrorrhagie.
D. I. 146. in usum vocandae, si quid adstringendum est.
Flückiger 270 (Historisches).
KißwQiov , Nymphaea Nelumbo L ?
I. 57. Die Placenta wird mit dem Blatte verglichen.
Ktaoog, Hedera.
I. 77. Decoct auf die Mamma.
I. 48. etymologischer Nexus mit Kissa.
D. II. 210. scharf, styptisch.
159
KitQog, Citrone? Limone?
I. 67. Riechmittel bei Geburten bereit zu halten.
Otribas I. 72. D. . 166. (Mala medica).
Flückiger 843.
K6(.if.u, Gummi Acaciae senegalensis.
I. 61. Granaten mit Kommi local, als Atokion.
D. I. 33. Acacia.
KövvKa (leTCTÖffvllog) PErigeron graveolens, PInula saxatilis.
II. 16. Retentio mensium.
D. III. 126. ad menses pellendas in vino.
KoQiavÖQog (von y.ÖQig Wanze, wegen des Geruchs).
Bei Hippokrates : xoptavo", bei Galen -zoptocvvov. D. III. 64. xopcov.
I. 35. Suppositorium zur Diagnose der Fertilität.
I. 76. auf die Mamma als Antigalacticum.
Rufus 42. Kataplasma bei Blasenblutung.
Kozvlrfiiov, Cotyledon umbilicus veneris?
I. 12 r. bei Exanthemen, externe.
D. IV. 90. inflammationibus utiliter imponitur. Rufus 37 , bei Diabetes.
Plin. XXV, § 159.
KQccfißi 1, Brassica spec.P
I. 77. Kataplasma d. Mamma.
II. 29. Von Hippokrates als Decoct bei Hysterie.
D. II. 146. folia valent ad omnes inflammationes et oedemata.
Decoctum menses eiet.
Kqi&i], Hordeum.
I. 5°. (zpt&tvtuv dXs'jpiuv) Gerstenmehl, Anwendung bei Pica.
D. II. 108. Farina abscessus et inflammationes discutit.
Kqöy.og, Safran.
I. 50. bei Pica. I. 77. externe ad mammas mit Kyperos-Salbe.
I. 120. bei Aphthen. II. 39. Fumigation.
D. I. 25. collyria ad aurium orisque affectus.
Rufus 39 mit Opium, id 55 radix, diuretisch. — Hehn 210.
KQOfifivov, Cepa hiemalis = Allium cepa L.
I. 46. bei Gravidis zu meiden I.
D. II. 180. — Kobert, Studien I. 163.
Kvdtöviov fLrjlov , Cydonia, Quitte.
I. 51. bei Pica. I. 67. Riechmittel b. d. Geburt.
D. I. 160. stomacho conducunt et urinas pellunt.
Oribas I. 63. Hehn 198.
Kvfuvov , Cuminum Cyminum L. Mohrenkümmel.
I. 77. 82. als scharfes Mittel zu meiden.
I. 1 1 9* <rup.TtAY]pum*ov. Von Ammen bei Mandelentzündung benützt.
D. III. 61. Bei Hippokrates z'Jptvov guÜuutuxov.
Hehn p. 171.
160
KvnsQog. Cyperus rotundus L. mit wohlriechenden Rhizomen.
I. 76. Salbe auf die Mamma.
D. I. 4. -/unEipo?. Yis calefaciens, menses evocans.
KvxXd/uivog, Cyclamen persicum L. ?
II. 32. Mutterzäpfchen bei Tympanites uteri.
D. II. 193. Miscetur et medicamentis fötum evocanlibus. Die botanische
Beschreibung ist ziemlich gut.
ylddavov , Cistus ladaniferus? creticus?
I. 122. bei Exanthemen, im späteren Stadium.
D. I. 128. cicatricibus decorem facit.
Rufus 292.
Asvxuiov, Cheiranthus ?
I. 63. Samen zur Verhütung der Conception, Trank aus Levkojen- und
Myrten-Samen.
D. III. 128. pellens.
slivov , Linum usitatissimum L. Flachs, Lein.
II. 32. rohe trockene Leinwand.
Ueber ojuoÄtvov : Oribas I. 650. Exkurs.
Leinsamen (livoa-äppov) bei Soran. I. 60. 56. 76. zu äusserlichen Gebrauch.
Flückiger 979. Hehn 135.
Atozog, Ceitis australis, Zürgelbaum.
II. 44. TtpiairaTa Xojtoü = rasura ligni loti.
D. I. 171. Ligni scobis decocta — - auxiliatur fluxui muliebri.
Aißavog, Thus, Weihrauch von Boswellia; Amyris Kafal.Forsk.
I. 120. Rinde des Strauches bei Aphthen.
D. I. 81. mit genauem Kommentar Sprengels.
Rufus 42. AißavuiTOü cpXoio? bei Blasenblutung.
Flückiger 49. (Olibanum) ausführliche Darstellung.
MaXd ßad qov — Cassia.
D. I. 11. cfr. Sprengels Kommentar.
II. 38. Oel davon.
MaXdyjrj, Malvae species? Althaea?
I. 56. 76. 82. Die Decocte aus Foenum graecum. Malve und Leinsamen
kommen sehr olt zur Anwendung (Species emollientes).
D. II. 144. nach Sprengel: Malva sylvestris.
Mdvva, cfr. Aißavog.
II. 41. manna thuris, pollen, Mehl.
D. I. 83.
Maoziyt], Harz von Pistacia lentiscus (oylvog).
I. 50. Mastix- Oel bei Vomitus gravidarum, extern II. 41.
D. I. 51. Ueber das Mastix-Oel.
Oribas II. 630 u. Anm. 903.
161
MeXav&iov, Nigella sativa ? ?
I. 71. Räucherung bei Retentio placentae.
Robert, Studien, I. 123 vermuthet Secale cornutum. (Ausführlich.
Simeon Seth 65.
Meomkos, Mespilus germanica L.?
I. 51. bei Pica. II. 41. Haemorrhagia uteri, Umschläge.
D. I. 169. 173.
MeXiXcorog , Melilotus officinalis?
I. 121. Aeusserlich bei Dermatosen.
D. III. 41.
M/jxcov, Papaver.
I. 1 1 5 . Mohnsamen zum Brote für Kinder verboten.
Galen, Alim. facult. I. cap. 31. — Plin. XIX. 168.
Robert, Studien I. 108.
MrjXivov elcuov — Oleum cydoniarum. 1. 50.
D. I. 55. über die Bereitung.
31vQiy.j 7, Tamarix gallica.
I. 120. Aphthen.
D. II. 11 6. ad oris oculorumque medicamenta.
Robert vermuthet, dass die mit Gallen besetzten Theile verwendet werden.
ßlvQoivT], Myrtus communis; /iivQzog die Beere, n. 41.
I. 50. 56. 81. 85.
D. I. 155. vis adstringens.
Rufus 37. Decoct der Beeren bei Diabetes. 59. bei Psora vesicae.
Rufus 14. zum Kataplasma bei Niereneiterung.
Billerbeck, Flora classica p. 122 ff. — Hehn 183.
Mvqos ovQLCcxög. Mutterpflanze? Amyris?
I. 64. Injektion der Fruchttödtung.
D. I. 18. nebst Kommentar v. Sprengel. — Theophr. Hist. pl. IX 6
Plin. XH. in. ff.
Galen XIV. 7.
Nanv , Sinapis, Brassica nigra.
I. 52. 11. 15. II. 38.
D. II. 183. IthvTjTu 7] vartu. Flückiger 1030.
Nccqöos, ? Valeriana jatamansi.
I. 50. bei Pica. I. 52. syrischer Nardus.
D. I 6. gegen Nausea, cfr. auch Sprengels Kommentar.
NaQxiooog, Narcissus poeticus.
II. 48. Narcissenöl als Injektion bei Atonia uteri.
D. IV. 158. mit guter Beschreibung.
p-ufus 269. Zwiebel als mildes Emeticum bei Gicht.
Galen XVI. 143. Emeticum, Komment, zu Hippokr. de humoribus.
Olvdv&rj = Vitis silvestris fructus, dum floret. D.V. 5. (Kommentar!)
I. 50. adstringens.
Alex. Trall. II. 327 (Pflaster). Oribas V. 105. 12 1. 865. Aetius IX. 50.
Soranus: Ueber die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. H
162
’ O/iiffdxiov • Succus acerbae uvae.
I. 46. Oel damit bereitet. I. 50. Adstringens bei Pica. I. 56. Cerat.
D. V. 6 u. 12. — Oribas I. 384. — Alex. Trall I. 300.
Omov = onctg [ttjxiijvog.
Kobert, Studien I. 108.
II. 41. in Essig gelöst bei Metrorrhagie.
D. IV. 65. de papavere sativo.
Rufus 8 (d’uoü pinx cuvoc).
'Ommavaig PFerula Opopanax Sprengel (Kommentar zu Dioscorides).
I. 63. Mit kyrenaischem Saft als Atokion.
D. III, 48. äyet epßp'ja.
’ Ortoßdlaa/iiov , Amyris opobalsamum L.P
I. 61. Atokion, lokal.
D. I. 18 (Baisamum).
’ Orcug xvqrjvaxixög. Thapsia Silphium? Ferula?
I. 63. Emmenagogum.
D. III. 84. Potus cum pipere et myrrha menses eiet.
Alex. Trall. I. 406 (mit Litteratur). Kobert, Studien I. 90.
^Oqv^cc, Reis.
II. 41. bei Metrorrhagie als Nahrung.
I. 51. itoTroc, bei Pica.
D. II. 117. mediocriter alit.
''Oqoßog, Ervum ervilia L.
I. 6t. Pessars von der Grösse eines opoßo;.
Rufus 6. 14. Mehl davon (äXeupov). Hehn 138. Schuchardt, Deutsch.
Archiv XI. 316.
Ildvatg, cfr. ononavedg.
I. 61. Wurzel mit Terra kimolia als Pessar, Atokion.
ndnvQog.
I. 69. das Neugeborene soll auf Blättern des Papyrus empfangen werden.
D. I. 115. bei Fisteln.
IlensQi , Piper.
I. 63. Die Samen des weissen Pfeilers.
D. II. 188. Abortivum. — Oribas II. 904. (Exkurs.)
IleQÖtxiov , Parietaria officinalis?
II. 24. 41. (yuXoi) Themison wird getadelt, weil er das Mittel bei Metritis
giebt.
D. IV. 86. styptisclies Mittel.
Billerbeck, Flor. dass. 35. 245.
IJevxedavov , Peucedanum officinale L.P
II. 29. Räucherung bei Hysterie.
D. III. 82. Datur et olfactum in strangulatu hysterico.
1G3
Ilqyavov. Ruta graveolens.
I 35. n. 46. bei Gonorrhoe.
D. III. 45- Genituram exstinguit ruta.
Rufus 431. verdickt das Sperma, gegen Pollutionen.
,sour herb ol grace“ Shakespeare, Richard II. Act. III
Sc. 4.
nixvg.
I. 61. Rinde, lokal als Atokion. II. 44- bei Po0s-
Hehn 241.
Üolvyovov , Polygonum aviculare L. ?
II. 41. Adstringens.
D ~IV. 4. hat styptische und kühlende Kraft.
Rufus’ 37. 42. — Alex. Trall. I. 431- Hämophilie.
JJqccoov, Allium Porrum, Lauch.
I. 46. Verboten in der Gravidität.
Oribas I. 89 (Literatur).
D. II. 178.
IIquoiov , Marrubium vulgare L.? Flückiger 742.
I. 71. Von Straton zu Fumigation bei Retentio mensium empfohlen.
D. III. 109. als Emmenagogum bezeichnet.
IIvQeÜQOV, PLigusticum? Umbellifere!
II. 12. Pellens, zu Abortivzwecken.
IIvqüs, Triticum.
I. 50. Ungesiebtes Weizenmehl. I. 94. Brot für die Amme dno crpaviuiv
'Tt’JpdiV.
‘ Pcccpavog , Raphanus.
I. 52. 94. 98. Gilt als schwerverdaulich. Für die Amme verboten. Von
Moschion bei Versiegen der Milch unrichtig gepriesen. I. 44. als Emeticum.
<Pudos, Rosa.
I. 50. Rosenöl gegen Vomitus. I. 120. Blätter und Blüthe gegen Aphthen.
II. 4t. Rosen-Cerat bei Uterusblutung.
lPoia, Malum punicum. Granate, man sehe auch ,ßidiovu.
I. 5r. 162, 120. II. 85.
D. I. 1 5 1 . Adstringens.
Hehn, Kulturpfl. 192.
<Povq, Rhus coriaria. Sumach.
I. 62. zur Verhinderung der Syllepsis. II. 41. frisch gepresster Saft in
kleiner Dosis innerlich.
Die Hippokratiker verordnen das Mittel in Feigenabkochung als Gargarisma.
Hehn, Kulturpfl. 343.
—dfiipvyßv, Origanum maru. L. (teste Sprengel).
II. 38. rnit Oel bei Mola. D. III. 41. = ä[j.obazov des Theoplirast.
1 1*
164
Zehvov, Petroselinum sativum HofFm. (im Text ungenau von uns
mit „Eppich“ übersetzt.
L 71. Dion bei Retentio placentae. I. 77. II. 24. Oel damit benetzt.
D. 111. 07. Urinas et menstrua pellit.
Hippocr. de nat. mul. VIII. 325, Emmenagogum. — Flückiger 940.
~£Qts, Cichorium Intybus? (Cichorie.)
I. 51. bei Pica. II. 41. Nahrung bei Metrorrhagie
D. II. 159.
2ijoa/iiov, Sesamum orientale ?
I. 77. Ueberschläge auf die Mamma.
D. II. 121. Zertheilende Wirkung.
JSidiov, Malicorium, Fructus putamen. Die Schale der Granate.
I. 50. 60. zu Pessis, Atokion. II. 87. Adstringens bei Prolapsus.
D. I. 153. styptische Kraft.
Flückiger 518. Im Mittelalter als Cortex psidii oder Malicorium allein
officinell.
Billerbeck, Flor. dass. p. 124.
2lxvov nemov, Cucurbita.
I. 52. 67. bei der Geburt bereit zu halten, als Erfrischung. II. 59. leichte
Nahrung.
D. II. 163.
2ixvov äyQiov , Momordica Elaterium L. (cfr. Köhler in Virchows
Archiv, Bd. 49.)
II. 65. Saft mit Cerat local nach Soran unnütz zur Förderung der Geburt.
D. IV. 132. — In Collectio Hippocr. sehr oft als Pessum (VII. 363. 423.
VIII. 155. 177. 397. 443. 479).
vivant g = vanv.
II. 15. Als Rubefaciens II. 28. bei Hysterie.
Cael. Aurelian. Chron II. 35. — Oribas II. 885. Exkurs von Daremberg.
Erste Anwendung des Sinapismus durch Heraklides von Tarent.
JZigccqoVi Pastinaca sativa L. (Sprengel, Kommentar).
I. 51. als Speise bei Pica.
D. II. 139. Radix ori grata et stomacho utilis.
^xafifiovia, Convolvulus farinosus, nach Sprengel.
I. 125. Wirkung bei Ziegen auf die Jungen, die saugen.
D. IV. 168. mysisches und syrisches. — Rufus 361.
2Sxüqoöov, Allium sativum L. Knoblauch.
I. 35. Fumigation zur Graviditäts-Diagnose. I. 46. bei Gravidis zu meiden.
D. II. 181. Menses secundasque extrahit. Hehn 159.
^ivQvrj, Myrrhe.
I. 63. 71. Von Dion bei Retentio placentae.
D. I. 77. treibt die Menses und die Leibesfrucht.
Theophr. Hist. pl. IX. 4. 3. 5.
Flückiger 41.
165
JSovgßog, Sorbus domestica L.
I. 51. Bei Pica empfohlen.
D. I. 173 (uept oücuv).
^ovoivov ( elaiov ) Lilienöl, von Lilium candidum L.?
I. 71. Straton zu Fumigation. II. 48. Injektion bei Atonia Uteri.
D. I. 62. (ixept zp'tvo'j.) Unguentum matricis durities molliens.
~id<fig, uva passa.
I. 77. Ueberscliläge auf die Mamma nach Entfernung der Kerne.
II. 16. bei Amenorrhoe.
2:zafpvb], uva.
I. 51. bei Pica, frisch oder vorher aufgehängt.
D. V. 3. Galen, Alim. facult. II. 9.
^iQÖßilog, Frucht von Pinus Pinea (nach Sprengel : Pinus Cembra).
I. 123 8ta crcpoßtLtov /uXoc.
Oribas II. 901. mit krit. Exkurs von Daremberg, welcher hervorhebt, dass
Pinus Cembra nicht in Griechenland vorkommt.
— tvQa!;, Storax.
II. 39. Fumigation bei Mola. D. I. 79. Ciet menses pota apposituque.
JSzQObfhov, Mutterpflanze? Gypsophilae species?
I. 71. Mutterzäpfchen. D. II. 192. menses trahit, fötus necat.
Kobert, Studien I. 128 fl.
^zQvyvog, Solanee? S. nigrum?
I. 124. Saft externe bei Siriasis II. 24. 41.
Kobert, Studien I. 120.
JSqtovdvhov, Unbekannte, wohlriechende Umbellifere!
I. 60. II. 29. Riechmittel bei Hysterie.
D. III. 30. iarat uatspt/.rjv uvtya.
2%Zvos, vergl. Art. Metern/?; (Pistacia Lentiscus L.).
I. 121. II. 41. 46. 87. — Kobert, Studien I. 1 1 8. — Hehn 343.
2vxog, Ficus.
I. 77. Getrocknete Feigen als Kataplasma. II. 32. gekochte Feigen.
D. I. 183. zu erweichenden Umschlägen. Oribas II. 353. Ausführlich
über Feigenkataplasma. — Hehn 79.
TeQeßivöos, Pistacia Terebinthus L. — D. I. 91. zsq^uv9v g.
I. 122. Das Harz mit Honig zu Suppositorien.
II. 32. Bei Tympanites uteri.
TiJÄig, Foenum graecum von flrigonella Foenum graecuin.
I. 56. 60. 76. 82, meist mit Malve und Leinsamen verbunden.
Rufus 5, dieselbe Kombination wie bei Soran, hier als ßooxsoac.
D. II. 124. molliendi et dissipandi vim habet. 1
Flückiger 992. Historisches.
TQayoQiyavov , eine wohlriechende Labiate ?
I. 52. bei Pica ein Absud des kretischen Tragoriganon.
D. III. 32. bei Nausea und Magenleiden.
TQtßolog, Trapa natans L. Wassernuss.
I. 77- Umschläge auf die Mamma mit grünen Tribolen.
D. IV. 15. (svu&poc) die Beschreibung passt gut auf Trapa.
Theophr. Hist. pl. IV. 9. 2. (Gute Beschreibung.) Kobert, Studien I. 235.
Hippocr. VII. 347. VIII. 179. 183. (ed. Littrö), Emmenagogum.
TQayaxäv&t], Astragalus creticus.
I. 123. Husten der Kinder.
D. III. 20. hierzu Sprengels Kommentar.
" Yaaionog , Labiate, vielleicht Origani species. (Sprengel.)
I. 52. bei Pica mit Senf. II. 16. 32. 38.
D. III. 27. verdünnende, erwärmende Kräfte.
‘Ynoxioug, Cytinus hypocistis L. , auf den Wurzeln von Cistus
schmarotzend.
I. 50. bei Pica. II. 46. Gonorrhoe. II. 87. Prolapsus.
D. I. 127. adstringens, bei Fluss der Weiber (Sprengel II. 401. Kommentar).
Alex. Trall. II. 427 im Trochiscus dysentericus.
<Dax6g, Lens, Linse.
I. 120. 122. ext. b. Exanthem. II. 41. 87. Kataplasma. Hehn 176.
Oribas I. 569. Exkurs. D. II. 129. ad pustulas et herpetes.
<Pax>7, Lemna?
D. IV. 87. de lenticula stagnina.
II. 88. Die an der Pflanze hängende schwarze Erde benützt.
&olv£%, Dattelpalme.
I. 50. 76. II. 41. 46. 87. bes. die thebaische (II. 44).
D. I. 149. Hehn, Kulturpfl. 216.
Xalßdvi], Galbanum; spec. Ferulae?
I. 61. Atokion I. 71. Fumigatio bei Retentio mensium II. 32.
D. III. 87. menses ac foetus prolicit.
Rufus 6. (Kataplasma Chrysippi.)
Wv?Mov, Plantago psyllium L. et arenaria Kit.
I. 76. II. 41. Antigalacticum.
D. IV. 70. Vis refrigerans. Plin. XXV. § 140.
Rufus 287. bei Gicht. Alex. Trall. II. 86.
II. Thierreich1).
1. Mammalia.
’ Al £, Ziege.
I. 125. cfr. oben SxajAutlma.
I. 95. Milch weniger mündig und stopfend.
Ueber Ziegenmilch: Oribas I. 92. 95. — Galen VI. 765.
l) Die citirte Edition des Aristoteles ist die von Aubert und Wimmer, Aristoteles Thierkunde.
Leipzig 1868. 2 Bde.
167
'AQ/jv, Lamm.
II. 44 (jrjTta). Oribas I. 92-
Bovg, Rind.
I. 94. Fleisch der Amme verboten. II. 85. Euenor legte
Rindfleisch auf die Yulva. — Oribas I. 91.
bei Prolapsus
rcdathjvos, Milchschwein. 1. 125.
JÖQxag, Gazelle.
I. 51. xpsa? SozäSstov. I. 95- für üie Amme.
1
’Elacpog , Hirsch.
II. 29. Hirschhorn zur Fumigation.
II. 44. TiUTia. — Oribas I. 93-
II. 38. Mark, Hirn.
Sextus Placitus, Kap.
I.
'EQicpog, Zicklein.
I. 125. (Scammonium). I. 95- für ^ie Amme.
I. 109. Methode der Mästung.
LH/.uovos, Maulesel
I. 63. Uterus des Thieres als Atokion von Soranus nicht gebilligt, ebenso
das Ohrenschmalz.
Sextus Placitus (ed. Ackermann) Kap. XIII.
Aayiug, Hase.
II. 44. nuua. — I. 51. Fleisch bei Pica I. 95.
Oribas I. 93. Hasenfleisch mache dickes Blut.
Möoyog, Kalb.
II. 44. -rtuTta.
Mvo xazoixiöiog, Hausmaus. 1. 41.
’Ovog, Esel.
II. 29. Milch, Kur des Hippokrates bei Hysterie.
IlQoßaza.
I. 94. Fleisch schlecht verdaulich. I. 95. Schafmilch.
Oribas I. 92.
TavQog, Stier, die Galle.
I. 64. II. 33. bei Tympanites Uteri in Zäpfchen mit Raute, Isop etc.
lYo (ovo), Sus.
I. 15. Castration der Sauen in Galatia.
I. 125. (cfr. oben "Atpa). — II. II. TUiisXrj.
Orib. I. 9t. 584 (Exkurs von Daremberg).
XoiQog, Ferkel.
I. 110. Astragalus verbrannt als extern. Mittel.
I. 95. Fleisch für die Amme. I. 51. Rüssel, Füsse, Ohren, Uterus zur
Speise.
D. II. 62. Die Knöchel-Asche gegen Blähungen und Grimmen.
168
Produkte von Mammalien.
Bovcvqov.
I. 86. 1 18. II. 24.
rdla cfr. ,’Öw“.
’ Eqlov , Wolle.
I. 67. II. 28. Einhüllung.
Ainaa/ua.
I. 1 18. Dem Kinde als Zuller.
Maarög, Milchdrüse.
I. 97. Speise zur Vermehrung der Milch.
Mvehog, cfr. ’ Elacpog .
Th/ueh 7, cfr. Möoyog.
Tlvrla , Lab.
II. 44. Vdn Hasen, Kalb, Lamm, Hirsch. Diosc. II. 85.
TvQÖg, Käse.
II 48. Bei Atonia uteri verboten.
D. II. 79.
Oiavnov.
II. 24, cKcmTTirjpüiv spiiuv, Oel mit Raute und solcher Wolle abgekocht. —
Kobert, Studien I. 117. Diosc. II. 84.
Galen XII. 348. Plin. XXIX. 35. 36.
Wulfsberg, Therap. Monatsheft. I. 1887. März.
KaoxÖQLOv , Bibergeil.
II. 29. (Hysterie), ibid. Kur des Mantias ; II. 85. Straton bei Prolapsus. —
Diosc. II. 26. mit Sprengels Scholien Galen XII. 337 (Hauptstelle !).
Hippocr. VIII. 151. 428. VII. 317 (b. Hysterie) VIII. 269. 271. — Plin.
XXXII. § 13.
Kobert, Histor. Stud. I. 99.
2. Aves.
'A%Tayi)v, Haselhuhn? Rebhuhn?
I. 51. II. 41. — Cael. Aurel. Acat. II. 37 (Cardiaci), Chron. II. 13.
Vergl. Aubert in Aristoleles I. 88.
rlav%, Eule.
I. 97. Asche von Eulen bei Agalactie.
Aubert in Aristoteles I. 89. weist auf Surnia Noctua.
Kiyh] (tt;(')ßoQog, Mistelfresser b. Aristoteles).
Aristot. 96. Turdus viscivorus.
Soran. I. 94.
169
KooGvcpog.
I. 51. bei Pica. Ist Merula. (Aristotel. p. 99.)
Krjooa äyQia , Wildente.
I. 51. Nahrung bei Pica. — Aristoteles I. 102.
NvxrsQig cfr. FXav
"ÖQvig (xaror/Mhog) Haushuhn.
I. 94. Junge Hühner für die Amme. — II. 3^- Pett zu Mutterzäpfchen.
II eQÖii = Perdix graeca oder saxatilis (Aristotel. I. 104).
I. 51. bei Pica. — II. 41.
IlEQtoreQd, Taube.
I. 94. Junge Taube für die Amme.
Waooa, auch cpatza , (pdxp = Columba palumbus, Ringeltaube.
II. 41. Brustfleisch als Nahrung aapy.tov duo ctt/j&ou ?.
Aristot. 1. c.
orQOvdoy.d f.n]Xog: Strirthio.
II. 84. Das Ei mit Polyp, uteri verglichen.
yijv, anser.
I. 46. Fett. II. 38 zu Pessis b. Gravidis.
t[>ov Xey.Ldog. 1. 94. — wov p'otprj-rov, I. 115.
tuoü epu&pov, Eigelb I. 124. — ujov aitaXov I. 51- 49'
I. 122. Geschwüre mit Eiweiss (~<u Xeu-zuT tö>v tucüv),
3. Reptilia.
""Ocpeig, Schlangen.
II. 64. mit der linken Hand gefasst.
Plin. XXVIII. § 33. Serpentis aegre praeter quam laeva manu extrahi.
4. Pisces.
AdßQa.%, Labrax lupus?
(Aristotel. I. 135) I. 94.
Xenokrates XII.
TqlyXa (Mullus).
I. 51 hei Pica.
Xenokrat. XV. Diosc.. II. 24. — Aristotel. I. 141.
5. Hexapoda.
Kdvi}a,Qig , Mylabris spec.
(Blanchard, Zoolog. m6d. II. 554.)
170
I. 71- Euryphon räth bei Retentio mensium Zäpfchen mit Kanthariden
und Honig.
Nicander, Theriaca 755.
Plin. XXIX. § 93 — 95. Diosc. II. 65 et de venenis Cap. I. Celsus, Lib. V.
Scribon. Largus 189. — Galen XII 363 (de simpl. medic.).
Cael. Aurel. Chron. V. 3. — Alex. Trall. II. 535 (bei Podagra).
Kobert, Studien I. 105 (wichtiger Artikel !).
Koqis, cimex, acanthia lectularia.
II. 29. Zerquetschte Wanzen bei Hysterie. Diosc. II. 36 bei Hysterie.
Plin. XXIX. 61. — Galen XII. 363. hält sie selbst zur Entfernung der
Blutegel entbehrlich. — Lenz, Zoologie d. alten Griechen, p. 546.
K^qug TVQQtjviy.og, Wachs.
I 104. mit Oel extern.
Odyss. XII. 48.
Bleh, mel.
I. T23. bei Husten. I. 120. bei Aphthen.
Oribas I. 605, Anmerkung v. Daremberg !
6. Crustacea (Decapoden).
KctQig.
I. 51. bei Pica als Nahrung.
Marcellus v. Sida v. 32. „-/.al $av9ai xapt'Sec“.
Aristoleles I. 152; Aubert deutet das Wort auf Palaemon Squilla und
Squilla Mantis, die beide im Mittelmeer gemein sind.
Kdqaßog.
I. 51. bei Pica.
Aubert 1. c. nimmt den xapaßo? als die Languste (Palinurus vulgaris) einen
gewöhnlichen Bewohner des Mittelmeers.
Marcellus v. Sida v. 34 „xapaßo? o'xpuoEi?“ rauh.
Hippocrat. de victu (Littre VI. 550) : to ujpov xapaßou Siayiupee!. —
Oppian, Halieutica I. 26 r. xdpaßoc d^urrayrjc.
” Oorqea .
7. Mollusca.
I. 41. Die Zunahme dez Schalthiere soll mit den Mondsphasen Zusammen-
hängen. — Welche Muschel hier gemeint ist, lässt sich nicht entscheiden.
Aristotel. 1. c. I. 180.
Plim. XXXII. 59. Grandescunt sideris ratione maxume, ut in natura
aquatilium diximus,
Oribas I. 142. Zunahme der Mollusken mit dem Monde (Athenäus).
Krjqv%.
I. 51. Nahrung bei Pica
Xenokrates XXI. Die Keryx sind härter als Porphyra.
Aubert (Aristoteles 1. c.) rechnet das Thier zu der Trochoidea oder Bucci-
noidea; Art nicht bestimmbar. Galen Nil. 344 (Schale).
Ko^lia.
I. no. Schnecken auf den Nabel nach Abfall des Strangs. Aubert 1. c.
deutet auf Helix pomatia, die in Morea häufig ist. — Diosc. II. 11.
Galen XII. 353. — Oribas I. 143 nach Athenaeus (u. Note 586).
171
IIuQCfVQa.
I. CI. bei Pica als Speise (Murex species ?).
Diosc. II. II. Galen VI. 734- Oribas J- *42 (Athenaeus).
II efooQig.
I. 51. bei Pica.
Plin. XXXII. 147. Oribas I. 137 (Athenaeus). _ t , ,
Xenokrates XXVI: „TtEXcop'tSs;, ij [aeXcuviSsc, -zdUta-rat at sp-cpepEi; carpEOt; .
8. Vermes.
BdeA/a, hirudo.
II. 11. II. 23. bei Metritis. —
Diosc. de Venenis cap. 32.
Ueber die Blutegel im Alterthum sehe man
Archiv f. klin. Med. Band 47.
meine Arbeit im Deutschen
9. Cephalopoden.
üohjTcovg , Octopus vulgaris (Aristoteles I. 150).
I. 10. Der Muttermund der Weiber, die geboren haben, bekommt die
Konsistenz eines Polypen-Kopfes.
II. 85. Der Prolaps mit dem Kopfe des Polypen verglichen.
10. Porifera.
Znöyyog, Spongia equina, mollissima, Zimocca.
I. 11 8. Bähung mit Schwämmen. II. 28. Zum Abwischen des Gesichts.
II. 41. aTEOYydptov. — II. 48. mit Oxycrat auf das Hypogastrium.
II. 86. auoYyia.
Cael. Aurel. Chron. II. 13. Asche des Schwamms.
Rufus 445. Schwammstein. — Dioscor. V. 137.
Galen XII. 376. — Plinius bes. in Lib. IX. XXXI. XXXII.
Oribas II. 334. II. 711. Schwammstein.
Aristoteles I. 182—183.
Schröder, Arzneischatz I. 746 (Lapis spongiae.).
III. Fossilien etc.1).
’ Aocpalxog , Judenpech, Bitumen.
Räucherung damit I. 71. Dion. Riechmittel bei Hysterie II. 29.
Mantias reicht ihn hier in Wein. II. 29 (p. 325).
D. I. 99. die jüdaeische Art sei die beste, er soll stark purpurn glänzen,
kräftig riechen und schwer sein; komme auch bei Agrigent vor.
"Alg.
Sal. II. 16. Weintraube mit Nitron und Salz. — II. 88. Anwendung bei
^ Prolapsus, ebenfalls mit Nitron. I. 82. bei Neugeborenen (dXtap.6?).
l) Literatur: Quenstedt, Handbuch d. Mineralogie. 1863. 2. Aufl.
Lenz, Mineralogie d. alt. Griechen und Homer. 1861.
Theophrast, -Jispi, Ädfinv. Ed. Wimmer. Paris 1866.
172
'A cpQüvirQov , Natron causticum.
I. 82. beim 'AXtop-ö? des Neugeborenen.
II. 32. bei Tympanites uteri. D. I. 130.
BlöIos yfjs, Terra sigillata.
I. 67. bei der Geburt bereit zu halten.
Quenstedt, Mineralogie 379.
Tfj xi/.itöha, Thonerde.
I. 60. Bestandteil des Pesson.
Theophrast. IX. 62. — D. V. 175. — Oribas II. 704. — Galen XII. 182.
T/J oa/iüa, Thonerde.
II. 44. Bei poü? der Weiber.
Theophr. IX. 62. D. V. 171. Oribas 1. c. — Galen 1. c. 178.
Tvxpojdrjs.
I. 90. Als Milchfehler. Theophr. IX. 64.
Gelov, Sulfur.
I. 65. Unter den Abortivis in Verbindung mit Leukojon, Kardamos etc.
D. V. 123.
Kad/uia, Galmei.
I. 122. Anwendung bei Hautleiden.
Diosc. V. 84.
Kloots, Pumex.
I. 76 (p. 247.13). Applikation auf die Mamma.
D. V. 124. Theoph. II. 14. III. 20. 22.
Kovia (ai axrrj).
II. 88. bei Prolapsus (= Lixivia).
^hd-ccQyvQOv, Bleiglätte.
I. 122. bei Hautleiden.
D. V. 102. de Venenis 27.
Mölvßdov (auch uöhßdog).
I. 71. mechanische Anwendung.
I. 110. Applikation auf d. Nabel. II. 46. Unterlage bei Gonorrhoe.
II. 88. nXopatt poUßSou bei Prolapsus.
D. V. 95. 96. (cfr. Kobert, Ueb. d. Zustand d. Arzneikunde vor 18 Jahr-
hundert. Halle 1887).
Nltqov , Soda.
I. 61. I. 122. II. 16. II. 32. II. 88.
D. V. 129.
Harless, Ueb. d. Nitron d. Alten. Janus I. 1845.
HvQhTjg, Schwefelkies.
I. 77. ad mammam; Antigalacticum.
D. V. 142.
173
-idi'Qog, Ferrum.
I. 80. ua3T)$ 5s üXr]; xprjxaxwxaxos s
EOTIV 0 ai(
tBrjpOf, zum Trennen des Nabel-
strangs.
Znodta, Cinis.
I Asche von verbrannten Eulen etc.
2nodög, Zinkoxyd.
II. 4t. Hämorrhagie. II. 85. Anwendung nach Straton bei Prolapsus.
D. V. iripcpoXul.
iSr ifi/iu, Grauspiessglanz.
II. 88. bei Prolaps.
D. V. 49. Stibium. Plin. XXXIII. 102. Quenstedt 694.
^Tvm^Qta, Alumen.
I. 61 (2 mal). I. 76. Mamma.
D. V. 122. Plin. XXXV. 52.
Xoäy.hi]S, Kupfererz.
II. 41. Metrorrhagie.
D. V. 1 1 5 . Quenstedt 712.
' ’^hf-iv&LOV , Cerussa.
I. 61. Abortiv. I. 122. bei Exanthemen.
L>. V. 103, de Venenis 22.
Verlag von J. F. Lehmann in München.
Lehmanns mediein. Handatlanten
Band V:
Atlas der Hautkrankheiten.
Mit 90 farbigen Tafeln und 17 schwarzen Abbildungen.
Herausgegeben von Dr. Karl Kopp,
Privatdocent an der Universität München.
Preis elegant gebunde?i Mark 10. — .
Urtheile der Presse:
Allgemeine med. Centralzeitung Nr. 86. 1893.
Für keinen Zweig der Mediein ist die Nothwendigkeit bildlicher Darstellung
im höheren Grade vorhanden, als für die Dermatologie. Bei der grossen Zahl von
Dermatosen ist es ja unmöglich, dass der Studirende während seiner nur zu kurzen
Lehrzeit jede einzelne Hautaffection auch nur einmal zu sehen bekommt, geschweige
denn Gelegenheit hat, sich eingehend mit ihr vertraut zu machen. Nun ist es ja
klar, dass Wortbeschreibungen von einer Hautaffection nur eine höchst unvoll-
kommene Vorstellung vermitteln können, es muss vielmehr bildliche Anschauung
und verbale Erläuterung Zusammenwirken, um dem Studirenden die charakteristischen
Eigenschaften der Affection vorzuführen. Aus diesem Grunde füllt ein billiger
Atlas der Hautkrankheiten eine wesentliche Lücke der medicinischen Literatur aus.
Von noch grösserer Wichtigkeit ist ein solches Buch vielleicht für den praktischen
Arzt, der nur einen Theil der Affectionen der Haut während seiner Studienzeit
durch eigene Anschauung kennen gelernt hat, und doch in der Lage sein muss,
die seiner Behandlung zugeführten Hautleiden einigermassen richtig zu beurtheilen.
Aus diesem Grunde gebührt dem Verfasser des vorliegenden Buches Anerkennung
dafür, dass er sich der gewiss nicht geringen Mühe der Zusammenstellung des vor-
liegenden Atlas unterzogen hat; nicht minderen Dank hat sich die geehrte Verlags-
buchhandlung verdient, von der einerseits die Idee zur Herausgabe des Buches aus-
ging, und die anderseits es verstand, durch den billigen Preis das Buch jedem
Arzte zugänglich zu machen. Was die Ausführung der Tafeln anbetrifft, so genügt
sie allen Anforderungen ; dass manche Abbildungen etwas schematisch gehalten sind,
ist unserer Ansicht nach kein Fehler, sondern erhöht vielmehr die Brauchbarkeit
•des Atlas als Lehrmittel, der hiermit allen Interessenten aufs Wärmste empfohlen sei.
Prager mediein. Wochenschrift 1893. Nr. 93.
Der den Bildern beigegebene Text erhebt sich weit über eine blosse Er-
läuterung , und stellt in seiner prägnanten Kürze ein gutes Repetitorium der be-
treffenden Hautkrankheiten dar.
Archiv für Dermatologie und Syphilis 1894. H. 3.
Das Streben des Verfassers das ganze Gebiet gründlich zu behandeln und
zweckentsprechende Abbildungen zu bringen, und das des Verlegers, um den ge-
ringen Preis das möglichst Beste zu liefern , sind gewiss im höchsten Grade anzu-
erkennen. Der Studirende und Arzt wird mit ihrer Hilfe leichter über manche
Schwierigkeiten hinweg kommen, die ihm ein Krankheitsbild bei der Deutung be-
reitet, oder die sich ihm bei der Vorstellung nach einer Beschreibung entgegen-
stellen. Aus diesen Gründen können wir das Buch sowohl dem Studirenden als
auch dem Arzte bestens empfehlen.
Verlag von J. F. Lehmann in München.
Lehmanns mediein. Handatlanten
Band VI:
Atlas der Geschlechtskrankheiten.
Mit 52 farbigen Tafeln und 4 schwarzen Abbildungen.
Herausgegeben von Dr. Karl Kopp,
Privatdocent an der Universität München.
Preis elegant gebunden Mark 7. — .
Petersburger medizin. Wochenschrift 1894, Nr. IQ- Her Atlas stellt in
53 farbigen und 4 schwarzen Abbildungen, die verschiedenen lokalen Erscheinungen
der venerischen Erkrankungen und die mannigfachen luetischen Exantheme dar. Die
mit grosser Sorgfalt ausgeführten Zeichnungen sind sehr instruktiv und bieten dem
Studirenden sowohl als dem Arzte volle Möglichkeit sich in zweifelhaften Fällen
Auskunft zu verschaffen. Ein kurzer Text erklärt jede Abbildung und eine Ein-
leitung behandelt die in Betracht kommenden Krankheitsformen.
Der ärztliche Praktiker. Ina Anschluss an den Atlas der Hautkrankheiten
ist-rasch der der Geschlechtskrankheiten von demselben Verfasser mit gleichen Vor-
zügen vollendet worden. 56 farbige und 4 schwarze Abbildungen bringen die
charakteristischen Typen der syphilitischen Hauteffloreszenzen zur Darstellung, be-
gleitet von einem kurzen beschreibenden Text. Nicht ohne triftigen Grund schickt
der Autor den Abbildungen und deren Beschreibungen einen gedrängten Ueber-
sichtsartikel über den gegenwärtigen Stand der Venereologie voraus. Denn gar
manche Anschauungen haben sich durch die Forschung inzwischen geändert, manche
sind bis auf den heutigen Tag noch streitig geblieben. Die beiden Atlanten bilden
einen für die Differenzirung der oft frappant ähnlichen Bilder spezifischer Natur
unentbehrlichen Rathgeber. 1 A. S.
Zeitschrift für ärztliche Landpraxis 1894, Nr. 1. Im Anschluss an den
Atlas der Hautkrankheiten (besprochen in der Dezembernummer 1893, S. 384) ist
der vorliegende Atlas der Geschlechtskrankheiten erschienen. Auch dieser Band
wird dem Praktiker äusserst willkommen sein, und im vollen Masse die Absicht
des Verf. erfüllen, eine zu jedem der zahlreichen Lehrbücher passende, jedermann
zugängliche illustrative Ergänzung darzustellen und ein zweckmässiges Unterstützungs-
mittel für den Unterricht und das Privatstudium abzugeben. S.
Medico. Der vorliegende 6. Band der Lehmann’schen medizinischen Hand-
atlanten, die wir bereits bei früherer Gelegenheit der Beachtung ärztlicher Kreise
empfohlen haben, bringt eine Zusammenstellung von Chromotafeln aus dem Gebiete
der venerischen Erkrankungen. Die Abbildungen sind im Allgemeinen recht gut
gelungen und sehr instructiv; die wenigen Zeilen, die als Text den Bildern beige-
geben sind, reichen vollkommen aus, da die Abbildungen selbst sprechen und weit-
läufigere Erklärungen überflüssig machen. Der Atlas bildet ein zweckmässiges Unter-
stützungsmittel für den Unterricht sowohl, wie für das Privatstudium und dürfte dem
Arzte als Ergänzungswerk zum Lehrbuch der geschlechtlichen Krankheiten will-
kommen sein. Der Preis desselben beträgt M. 7. — .
Verlag von J. F. Lehmann in München
Lehmanns mediein. Handatlanten
Band IV:
Atlas der KratiAlieiten der InodiöWe, des Rachens nnd der Nase.
In 69 meist farbigen Bildern mit erklärendem Text. Von Dr. L. Grünwald.
Preis elegant gebunden Mark 6. —
Der Atlas beabsichtigt, eine Schule der semiostischen Diagnostik
zu geben. Daher sind die Bilder derart bearbeitet, dass die einfache Schilderung
der aus denselben ersichtlichen Befunde dem Beschauer die Möglichkeit einer
Diagnose bieten soll. Dem entsprechend ist auch der Text nichts weiter, als die
Verzeichnung dieser Befunde, ergänzt, wo nothwendig, durch anamnestische u. s. w.
Daten. Wenn demnach die Bilder dem Praktiker bei der Diagnosenstellung be-
hilflich sein können, lehrt anderseits der Text den Anfänger, wie er einen Befund
zu erheben und zu deuten hat.
Von den Krankheiten der Mund- und Rachenhöhle sind die praktisch
wichtigen sämmtlich dargestellt, wobei noch eine Anzahl seltenerer Krankheiten
nicht vergessen sind. Die Bilder stellen möglichst Typen der betreffenden Krank-
heiten im Anschluss an einzelne beobachtete Fälle dar.
Bei den rhinoskopischen Bildern wird ausserdem besonders die Schulung
des hier so schwierigen Sehens in der Perspective berücksichtigt.
Mü?ichener medizinische Wochenschrift 1894, Nr. 7. G. hat von der Leh-
mann’sehen Verlagsbuchhandlung den Auftrag übernommen, einen Handatlas der
Mund-, Rachen- und Nasen-Krankheiten herzustellen , welcher in knappester Form
das für den Studirenden Wissenswertheste zur Darstellung bringen soll. Wie das
vorliegende Büchelchen beweist, ist ihm dies in anerkennenswerther Weise gelungen.
Die meist farbigen Bilder sind naturgetreu ausgeführt und geben dem Beschauer
einen guten Begriff von den bezüglichen Erkrankungen. Für das richtige Ver-
ständnis sorgt eine jedem Falle beigefügte kurze Beschreibung. Mit der Auswahl
der Bilder muss man sich durchaus einverstanden erklären , wenn man bedenkt,
welch’ enge Grenzen dem Verfasser gesteckt waren. Die Farbe der Abbildungen
lässt bei manchen die Beleuchtung mit Sonnenlicht oder wenigstens einem weissen
künstlichen Lichte vermuthen, was besser besonders erwähnt worden wäre.
Der kleine Atlas verdient den Studirenden angelegentlichst empfohlen zu
werden, zumal der Preis ein sehr mässiger ist. F.r wird es ihnen erleichtern, die
in Kursen und Polikliniken beim Lebenden gesehenen Bilder dauernd festzuhallen.
Killan-F reiburg.
Geburtshülfe und Frauenkrankheiten.
Amatm, Dr. J. A. jun. , Ueber Neubildungen der Cervical portion des Uterus.
92 Seiten mit 12 Tafeln. 1892. M 6. — .
Arbeiten a. d. k. Universitäts-Frauenklinik zu München. Herausgegeben
von Geheimrath Prof. Dr. F. v. Winckel. (Münchener mediein. Ab-
handlungen, IV. Reihe.)
Heft X : Ueber Descensus und Prolapsus uteri in ätiologischer, symptomato-
logischer und therapeut. Beziehung. Von Dr. Paul Leverkühn.
35 Seiten. 1. •
Heft 2: Die puerperalen Todesfälle der Münchener Frauenklinik 1887 /91. Von
Dr. Max Madien er. 9(- 1- •
Heft 3: Narkosen mit Chloroformium medicinale Pictet. Von Dr. O. Hohen-
e m s e r. 1 • •
Heft 4: Ueber mehreiige Graaf’sche Follikel beim Menschen. Mit 5
bildungen. Von Dr. R Klien. J • •
Heft 5: Ueber Drillingsgeburlen. Von Dr. S. Mirabran. Jt 1. •
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